Ich kam als junges Mädchen mit neun Jahren nach Luxemburg. Geboren bin ich in Santa Katarina auf der kapverdischen Insel Santiago. Als ich ankam, konnte ich kein Französisch und erst recht kein Luxemburgisch, sondern Kreolisch und Portugiesisch. In meiner Klasse in der Grundschule im Bahnhofsviertel, wo ich eingeschult wurde, gab es damals lediglich eine Hand voll Luxemburger. Mit meinen Klassenkameraden und Freunden habe ich mich vor allem auf Französisch verständigt. Auch meine Lehrerin hat mit mir hauptsächlich Französisch gesprochen.
Sicher habe ich einige Brocken Luxemburgisch aufgeschnappt, aber wirklich gut Luxemburgisch konnte ich nicht, als ich auf der Sekundarstufe in die frankophone Klasse kam. Und noch weniger Deutsch. Ursprünglich wollte ich Krankenschwester werden. Ich hatte damals in fast allen Fächern gute bis sehr gute Noten, aber es haperte im Deutschen. Und obwohl mich meine damalige Schule, das Lycée Technique du Centre mich immer unterstützt hat, empfahl mir mein Lehrer, die 10e-Paramédicale wegen zu schwacher Deutschleitungen zu wiederholen.
Das ging auch eine Weile gut. Aber als ich aufgrund meiner Deutschleistungen im elften Jahr erneut auf der Krippe stand, war ich sehr deprimiert. Ich hatte eine regelrechte Krise, richtig déck d’Flemm. Ich fühlte mich sehr ungerecht behandelt, schließlich waren meine sonstigen Leistungen gut – und trotzdem stand jetzt mein damaliger Traumberuf auf dem Spiel.
Weil ich keinen anderen Weg sah, habe ich die Schule nach der 11e verlassen und eine Lehre als Schulverkäuferin begonnen. Nachdem ich diese abgeschlossen hatte, hätte ich als Teilzeitkraft in meinem damaligen Betrieb bleiben können, aber ich war jung und wollte Vollzeit arbeiten. Ich bin deshalb in die Beratung zum Arbeitsamt gegangen. Der dortige Sachbearbeiter hat mir geraten, ich sollte unbedingt Luxemburgisch lernen. Ich verstand es ja schon immer besser. Er ermunterte mich, in meinem Lebenslauf gute Luxemburgischkenntnisse einzutragen, obwohl ich selbst das Gefühl hatte, die Sprache noch nicht gut genug zu beherrschen.
Als ich hörte, dass in einem Traditions-Schuhgeschäft mitten in der Hauptstadt eine Stelle frei wurde, dachte ich zunächst: Das wird nichts mit meiner Hautfarbe. Da wird eh’ nur Luxemburgisch gesprochen. Und als ich mich dann bei meiner heutigen Arbeitgeberin vorstellte, hat sie direkt gemeint: „Hier wird Luxemburgisch gesprochen.“ Ich zögerte zunächst, aber ich besuchte zu dem Zeitpunkt bereits einen Luxemburgisch-Kurs am Fremdspracheninstitut. Und da ich hochmotiviert war, muss ich einen guten Eindruck hinterlassen haben. Jedenfalls hat sie mich eingestellt – und von da an hieß es immer, wenn ich ins Französische switchen wollte, „Nein, Maria, auf Luxemburgisch!“ Ich habe von meinen Kollegen und im direkten Gespräch mehr gelernt, als in jedem Sprachenunterricht. Das ist wichtig. Die Kunden, die in unseren Laden kommen, meinen oft, ich könnte kein Luxemburgisch. Sie sind dann überrascht, wenn ich sie auf Luxemburgisch begrüße. Sie tauen auf und die Beratung ist für sie sichtlich angenehmer.
Ich habe es nicht bereut, als Schuhverkäuferin zu arbeiten. Ich wollte immer etwas Soziales machen, hier habe ich Kontakt mit Menschen. Ich bin sehr dankbar, dass meine Chefin mich damals genommen hat. Bei meinen beiden Kindern achte ich aber darauf, dass sie Deutsch und Luxemburgisch lernen. Ich lasse sie oft deutsche Fernsehsendungen schauen und habe ich eine Luxemburgerin als Hilfe engagiert, die mit ihnen über die Hausaufgaben schaut. Ich möchte, dass sie die bestmöglichen Startchancen haben. Sie sollen nicht dasselbe durchmachen müssen wie ich.
Erzählt von Maria de Pina Fortes in Luxemburgischaufgeschrieben vom Land