Jetzt kommen die „Workshops“. In den kommenden Wochen und Monaten, laut Umweltminister Lucien Lux, und wahrscheinlich neun Stück an der Zahl. Diskutiert werden soll dort die nationale Klimaschutzpolitik im weitesten Sinne. Wie lassen sich die CO2-Emissionen aus dem motorisierten Verkehr und der Energieverbrauch von Gebäuden senken? Was bringt und was kostet der Tanktourismus? Welche Rolle soll die Nutzung erneuerbarer Energien spielen? Aber auch: Wer soll die Anpassungskosten bezahlen? Irgendwann im Laufe des nächsten Jahres soll daraus jenes Klimaschutz-Aktionsprogramm abgeleitet werden, das die CSV-DP-Regierung schon im Mai 2000 versprochen, aber nie vorgelegt hatte, und dann erhielte Luxemburg auch endlich eine energiepolitische Strategie.
Denn seine neuesten Kioto-Daten sind alles andere als erfreulich. Wie im Kioto-Protokoll abgemacht, soll es seine CO2-Emissionen bis allerspätestens 2012 gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 28 Prozent senken. Schon seit 2002 aber ist Luxemburg nicht mehr im Kioto-Zielpfad, und 2004 war der CO2-Ausstoß so hoch, dass er nur noch um 14 Prozent unter dem Referenzwert von 1990 lag.
Bleibt es bei diesem Trend, dann kommt er teuer zu stehen. Nimmt doch schon seit Anfang dieses Jahres der EU-weite Handel mit CO2-Emissionslizenzen von besonders CO2-intensiven Industriebetrieben die Kioto-Einsparziele vorweg. Zehn Millionen Tonnen CO2 dürften hier zu Lande emittiert werden, aber 2004 waren es 12,8 Millionen Tonnen. Folglich müssen Emissionsberechtigungen für 2,8 Millionen Tonnen über den dafür im Staatshaushalt 2005 eingerichteten Fonds zugekauft werden. Aber schon stellt sich Knappheit auf dem Zertifikatemarkt ein: betrug der Preis pro Ein-Tonnen-Zertifikat anfangs noch um sieben Euro, sind es derzeit 16 Euro und waren es vor kurzem beinahe 20.
Dabei dürfte es kaum bleiben. Nicht nur ging die EU-Kommission davon aus, dass sich zwischen 2005 und 2007 ein Durchschnittspreis von 26 Euro pro Tonne einstellen werde: 2008 beginnt die eigentlich entscheidende Phase des Emissionshandels, und wenn Betriebe, die dann zuviel emittieren, mit einer Strafe von 100 Euro pro Tonne belegt werden, sind Preise von über 50 Euro pro Tonnen-Zertfikat denkbar. Müsste der Staat, weil er sein Einsparziel drastisch verfehlt, zusätzliche Emissionsberechtigungen kaufen, könnten die Kosten durchaus hunderte Millionen Euro betragen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Regierung sich in ihren Entwürfen der neuen Verordnungen zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energiesparen nicht auf haushaltspolitische Abenteuer einlassen will, die obendrein nichts an der schlechten CO2-Bilanz des Landes ändern. „Grüner“ Strom, der hier zu Lande produziert wird, ersetzt Importstrom. Doch falls dieser aus fossilen Quellen stammte, verbessert sein Ersatz die Klimabilanz des Herkunftslandes, auf die Luxemburgs bleibt es ohne Einfluss. Und so sollen, rückwirkend zum 1. Januar 2005, vor allem die Ausgaben aus dem Staatsbudget für Fotovoltaikanlagen begrenzt werden: Ihre Leistungsobergrenze wird eng bemessen, die staatlichen Investzuschüsse sollen von 50 auf 15 Prozent sinken, und der Bau von Gemeinschaftsanlagen, die zwar eine hohe Leistungsausbeute, aber eben auch einen sehr frühzeitigen return on invest garantierten, als das von der vorigen Regierung im Jahr 2001 eingeführte Regelwerk noch galt, wird so gut wie unmöglich.
Andererseits aber kann man den Verordnungsentwürfen nicht entnehmen, dass als neues Ziel offensiv verfolgt würde, den Verbrauch an fossilen Brennstoffen zu senken, die unmittelbar Kioto-relevant sind. Zwar wird, wie schon im Koalitionsabkommen von CSV und LSAP angekündigt, ein Akzent auf die Nutzung thermischer Solarkollektoren zu Heizzwecken gelegt: ihre Anschaffungskosten sollen zu maximal 50 Prozent bezuschusst werden. Doch andererseits sollen Kleinwärmenetze nicht mehr förderfähig sein. Bis Ende 2004 noch war dem so, und es erlaubte beispielsweise einem Landwirtschaftbetrieb, der mit Biogas heizt, nicht nur die auf dem eigenen Hof gelegenen Gebäude, sondern auch Häuser in der Nachbarschaft mit Wärme zu versorgen. Immerhin hätten nach neuesten dem Umweltministerium vorliegenden Schätzungen die CO2-Emissionen des letzten Jahres um 12,5 Prozent niedriger ausfallen können, falls der Verbrauch von fossilen Brennstoffen zu Heizzwecken in Privathaushalten und im Kleingewerbe weitestmöglich gesenkt worden wäre.
Das aber würde auch eine Ausweitung des Baus von Niedrigenergie- und Passivhäusern bedingen und nicht zuletzt eine in breitem Maß verbesserte Wärmeisolation bestehender Gebäude, vor allem von Altbauten. Aus Kostengründen begrenzen die neuen Verordnungsentwürfe nicht nur die Zahl der energetisch günstigen Neubauten, die bezuschusst werden können, sondern auch die der Altbauten. Wahrscheinlich wäre das nicht weiter schlimm – denn die neuen Regeln sollen nur höchstens drei Jahre in Kraft bleiben, ehe sie erneut geändert werden. Doch für Altbauten schreibt ein Verordnungsentwurf aus dem Umweltministerium vor, dass nur Komplettsanierungen, die Wände, Dach, Türen, Fenster und Keller umfassen, gefördert werden können. Womöglich könnte das trotz Zuschuss so aufwändig sein, dass nur wenige Sanierungen stattfinden.
Doch die Frage stellt sich, wer Energieeffizienzmaßnahmen und die Nutzung erneuerbarer Energien bezahlen soll. Konkrete Kosten-Nutzen-Überlegungen gibt es bislang noch nicht. Die Verordnungsentwürfe setzen in der Hauptsache Übergangsregelungen, die nicht zuletzt auch verhindern sollen, dass der im Handwerksbereich in den letzten Jahren entstandene Öko-Sektor kollabiert. 300 Arbeitsplätze hatten laut Handwerkskammer geschaffen werden können. Doch nachdem bereits im Herbst 2003 der damalige Umweltminister Charles Goerens angedeutet hatte, die Förderung für erneuerbare Energien, insbesondere der Fotovoltaik, würde womöglich vorzeitig überarbeitet und Anfang 2004 eine bis zum Jahresende dauernde Diskussion um „fehlinvestierte öffentliche Gelder“ für erneuerbare Energien insgesamt einsetzte, ist die junge Branche, stellt die Handwerkskammer fest, „zu einem kompletten Stillstand gelangt“. Potenzielle Neukunden würden nun erst einmal abwarten.
Vor allem neue Fotovoltaikinteressenten tun gut daran. Denn wenn bis Ende letzten Jahres das alte Regelwerk noch garantierte, dass Sonnenstromanlagen über ihre Durchschnitts-Lebensdauer von 20 Jahren hinweg einen vom Umweltministerium großzügig subventionierten Einspeisepreis erhielten, ist in dem neuen Entwurf für Anlagen, die ab 1. Januar 2005 ans Netz gehen würden, keine Rede mehr von dieser zeitlichen Garantie. Zu tun haben könnte diese Regelung, die Umweltschützer und Handwerkskammer kritisieren, damit, dass die Einspeisevergütung für Strom aus neu installierten Fotovoltaikanlagen nicht mehr aus dem Staatsbudget, sondern aus dem Kompensationsfonds finanziert werden soll. In ihn zahlen mit Ausnahme der stromintensiven Industrie sämtliche Verbraucher um so mehr ein, je mehr erneuerbare Energien genutzt werden und je mehr Kraft-Wärme-gekoppelte Blockheizkraftwerke ans Netz gehen.
Gehört die Förderung umweltfreundlicherer Stromerzeugung doch seit dem Strommarktliberalisierungsgesetz vom Juli 2000 zum „öffentlichen Auftrag“, und der Kompensationsfonds gleicht den zum Ankauf von „grünem“ Strom verpflichteten Stromverteilern die ihnen dabei gegenüber dem billigeren Marktpreis für Importstrom entstehenden Nachteile aus. Mag auch die Fotovoltaiknutzung demnächst sinken – neue Anlagen sollen gleichwohl 56 Cents pro Kilowattstunde aus dem Fonds erhalten. Nur bis 2006 aber, so sieht es eine bis dahin noch gültige Verordnung vor, sollen Hochspannungsabnehmer vom Kompensationsfonds ausgenommen sein. Entfiele diese Ausnahme in anderthalb Jahren tatsächlich ersatzlos, würde die Arcelor mit ihren Elektrostahlwerken zum größten Einzelfinanzier des Fonds – politische Auseinandersetzungen sind daher programmiert.
Solange jedoch die Frage: „Was übernimmt das Staatsbudget, was kann auf die Stromrechnung welcher Kunden umgelegt werden?“, nicht geklärt ist, wird sich auch die vielleicht vielversprechendste Anwendung erneuerbarer Quellen nicht weit genug entwickeln können: Die Verbrennung von Biogas und Biomasse in Kraft-Wärme-gekoppelten Anlagen erlaubt nicht nur emissionsneutrale Stromproduktion, sondern auch emissionsneutrale Bereitstellung von Heizenergie. Bis zu 46 000 Haushalte könnten auf diesem Weg mit Strom und 2 800 mit Wärme versorgt werden, rechneten Vertreter der Biogasvereinigung am Montag auf einer Pressekonferenz mit dem Mouvement écologique vor. Doch die Rentabilität solcher Anlagen entscheide sich insbesondere auf der Strom-Ebene über den garantierten und zum Teil subventionierten Einspeisepreis pro Kilowattstunde: Statt 10,49 Cents sollten es 18 Cents sein – zahlbar am besten aus dem Kompensationsfonds.
Noch gibt es keine klaren Analysen, welche Industriezweige besonders stark von welchem Wachstum ihrer Zahlungsverpflichtungen in den Fonds betroffen wären – abgesehen von der stromintensiven Industrie, für die neue Ausnahmen ausgehandelt werden könnten. Die Fedil hat bereits angedeutet, dass ihrer Ansicht nach auch für weniger Strom verbrauchende Unternehmen der Fonds zu teuer werden könnte – und sie hätte, da erneuerbare Energien in Luxemburg nunmehr auf ihre Klimarelevanz hin geprüft werden, womöglich gute Karten, um weitere Ausnahmen auszuhandeln, da die Industrie derzeit nicht der große CO2-Emittent im Lande ist.
Wahrscheinlich aber ist der Strom-Kompensationsfonds gar nicht die politisch entscheidende Frage. Sondern der Abbau des fossilen Brennstoffverbrauchs, obwohl Luxemburg bis zum Ende des Jahrzehnts über 500 000 Einwohner zählen könnte und obwohl das BIP pro Jahr um wenigstens vier Prozent wachsen soll, wie der Rentendësch es wollte. Sollen die Emissionen aber vom Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum abgekoppelt werden, könnten sich tief greifende Steuerfragen stellen. Auch deshalb, weil ab 2009 eine EU-weite Harmonisierung der Dieselakzisen die wichtigste Einnahmequelle Luxemburgs aus dem Tanktourismus zumindest schrumpfen lassen dürfte. Dabei ist es nicht ausgemacht, wieviele Staatsbudgets nach dem von 2006 ebenfalls Sparbudgets sein werden.