Georges Hausemer ist begeistert vom Baskenland. Wie der Klappentext verrät, bereist der luxemburgische Autor die Region seit über fünfzehn Jahren; er kennt sie gut, kann Vergleiche zwischen heute und damals anstellen, Entwicklungen nachzeichnen, Motivationen und Hintergründe erklären. In seinem Nachwort zu Die kochenden Kerle von der Muschelbucht, das er beim Wiener Picus Verlag herausgebracht hat, stilisiert er sein Verhältnis zu diesem vergleichsweise unbeliebten Urlaubsziel sogar zu einer eifersüchtigen Liebe: Teil des Reizes ist für Hausemer, dass die Gegend trotz Bilbao und Guggenheim-Museum nicht von gedankenlosen Touristenhorden überlaufen ist, so dass es ihm, wie er schreibt, schwer fällt, für Reisen ins Baskenland zu werben, die die „unverfälschte baskische Authentizität“ gefährden könnten.
Für den Leser muss es eine Erleichterung sein, dass das Buch dieses Nachwort Hausemers enthält. Denn selbst wenn der Autor meint, auch der „oberflächlichste Leser“ dürfte „unschwer bemerkt haben“, dass San Sebastián für ihn die „absolute baskische, ja auch gesamtspanische Lieblingsstadt“ darstelle, so wird doch auch der gründlichste und feinfühligste Leser keineswegs vom Text auf derartige Superlative schließen. Sicher, über San Sebastián spricht Hausemer in seinem klei-nen Buch recht häufig, und ein Kapitel über den ehemaligen Badeort eröffnet die „Lesereise“. Aber viel mehr als die lapidare Angabe, es handele sich dabei eben um seine „absolute iberische Lieblingsstadt“ wird man an Gefühlsbekundungen kaum aufspüren. Hausemer hält sich in seinen Berichterstattungen mit Äußerungen einer Autorpersona insgesamt sehr zurück.
Die einzelnen Kapitel, die sich meist klar umgrenzten Themen widmen, wie dem Weinbau des Rioja, dem Impakt des Guggenheim auf Fremdenverkehr und Städteplanung in Bilbao oder der traditionellen baskischen Sportart des Pelota, gehen auf kurze Reiseberichte zurück, die Hausemer für verschiedene Zeitungen im deutschen Sprachraum verfasst hat. Die Artikel, die ja inhaltlich zusammengehören, gesammelt und in Buchform herauszugeben, erscheint natürlich sinnvoll. Was jedoch bei diesem Textrecycling unter den Tisch fällt, ist die Kohärenz des Buches. Dass Hausemer einer Zeitungsleserschaft seine eigenen Einschätzungen dessen, was er auf seinen Reisen sieht und erlebt, nicht unvermittelt aufs Auge drücken will, und sich lieber um Sachlichkeit und Distanz bemüht, liegt auf der Hand. Wo er die Artikel aber in einem Buch zusammenführt, ergibt sich für den Leser automatisch die Frage nach dem verbindenden Standpunkt, von dem aus über Agrotourismus, halbvergessene Hexenrituale oder Salzgewinnungsanlagen berichtet wird.
Der Autor verschwindet oftmals völlig im Text, so dass an einigen Stellen sehr schwer auszumachen ist, wer oder was eigentlich der Ursprung der Ausführungen ist. Wo Hausemer zum Beispiel das Angebot von Wellness-Hotels im Rioja beschreibt, – Massagen mit Traubenkernöl, Peelings mit Fruchtfleisch von Trauben und dergleichen –, wäre es natürlich interessanter zu lesen, wie er dieses Programm selbst durchläuft, als zu ahnen, dass es sich hier lediglich um die Wiedergabe eines Werbeprospekts handelt. Auch wie Hausemer die Bewohner der Region kennenlernt, wie er auf sie zugeht und mit ihnen ins Gespräch kommt, wäre einer eingehenderen Beschreibung würdig gewesen, vermittelt er doch den Eindruck, dass er einen Großteil seiner Informationen über das Baskenland in Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung erworben hat. Was schließlich die historischen Einsprengsel anbelangt, tappt der Leser gänzlich im Dunkeln. Bezieht der Autor sein Wissen aus Reiseführern, von Informationstafeln vor Ort oder aus einschlägigen Geschichtswerken?
Selbst wo Hausemer Teile seines Textes als Zitat ausweist, fehlt die Rückführung auf eine Quelle: Der Verlag scheint sich dazu entschlossen zu haben, dem handlichen kleinen Buch keine Literaturangaben beizufügen. Dadurch wird leider das einmal geweckte Interesse des Lesers erst einmal abgewürgt. Wer sich gründlicher informieren will, ist auf seine eigene Findigkeit angewiesen. Auch dass man sich eine Karte der Region gespart hat, die dem Leser eine Übersicht über die einzelnen Etappen Hausemers geboten hätte, erleichtert nicht unbedingt eine sinnvolle Nutzung des Büchleins.
Um die Liebe und die Begeisterung des Autors nachempfinden zu können, bedarf es vermutlich einer eigenen Reise.