Dass auch Gott bloß ein mächtiger Buchhalter ist, bescheinigte ihm schon im Alten Testament das Buch der Weisheit (11.20): „Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet. Denn Du bist immer imstande, Deine große Macht zu entfalten.“ Als dann der entstehende Klerus seine Herrschaft legitimieren musste, verfasste Pseudo-Dionysius Areopagita eine Eröffnungsbilanz der himmlischen Heerscharen, angefangen bei den sechsflügeligen und vieläugigen Seraphim. Und als Astronomen wie Galilei und Kopernikus sich des Himmels annahmen und ihn auf eigene Faust vermaßen, schlug Kanonikus Pietro Bongo mit seiner monumentalen Enzyklopädie der Zahlenmystik, Numerorum mysteria, zurück.
Vergangene Woche legte das Erzbistum, dessen Vermögensverhältnisse so sagenumrankt sind wie diejenigen des großherzoglichen Hofs, erstmals eine konsolidierte Bilanz als juristische Person öffentlichen Rechts vor. Danach schloss es das Geschäftsjahr 2012 mit einem Verlust von rund 50 Millionen Euro ab bei Schulden in ähnlicher Höhe. Dieser Verlust stellt einen spektakulären Anstieg gegenüber von nicht einmal vier Millionen ein Jahr zuvor dar. Vier Millionen entsprachen bisher der Größenordnung des jährlichen strukturellen Verlustes des Erzbistums, so Generalvikar Erny Gillen am Freitag. Trotz dieses strukturellen Defizits stellt die Buchprüfergesellschaft in ihrem Audit die Fortführung der Geschäfte nicht in Frage.
In Zeiten, da immer neue Bereiche der Politik und Gesellschaft privatwirtschaftlichen Managementtechniken und Rentabilitätskriterien unterworfen werden, passt sich das Erzbistum selbstverständlich der Zahlenmystik des Augenblicks an und outet sich als Mischkonzern ungenauer Rechtsform. Aber einen Monat vor den Kammerwahlen reagiert es vor allem auf die neu entfachte Diskussion über die Frage, wieso Staat und Gemeinden jedes Jahr den Glauben an das Übernatürliche nicht privatisieren, sondern trotz knapper Kasse mit fast 60 Millionen Euro bezuschussen. Deshalb zeichnet das Erzbistum seine finanzielle Lage auf dem Papier vielleicht auch etwas katastrophaler, als sie ist. Denn die Hälfte des Verlustes entsteht durch eine Neubewertung der 2007 im good will überschätzten Sankt-Paulus-Gruppe und weitere 20 Millionen gehen auf die Abwertung des Immobilienbesitzes zurück. Von der Konsolidierung ausgeschlossen sind zudem die kommunalen Kirchenfabriken einschließlich ihres ansehnlichen Immobilienbesitzes, die religiösen Orden mit ihren Krankenhäusern, Altersheimen und der Wohltätigkeitskonzern Caritas.
Zum Leidwesen des Erzbistums gelang es weder der 1998 begonnenen Konventionierung, noch dem vor einem Jahr vorgelegten Expertenbericht gegen die Trennung von Staat und Kirche, die Debatte über die öffentliche Bezuschussung privater Weltanschauungen zu beenden. Die vorgezogenen Kammerwahlen könnten sie sogar zuspitzen. Denn käme es nach dem 20. Oktober zu einer Dreierkoalition ohne CSV, regierten zusammen drei Parteien, die in ihren Wahlprogrammen von einer „Kirchensteuer nach deutschem Vorbild“ (LSAP), „spezifischen Beiträgen der Mitglieder der einzelnen Glaubensgemeinschaften“ (DP) und einer „freiwilligen Weltanschauungssteuer“ (Grüne) schreiben. In diesem fernen Fall müsste das Bistum aber den Gürtel enger schnallen. Heute geben Staat und Gemeinden über 4 000 Euro pro Kirchgänger aus, und es ist nicht sicher, ob jeder der noch 13 000 Kirchgänger bereit ist, jährlich Kirchensteuer in dieser Höhe zu zahlen. Denn die von Luxemburger Wort und RTL bezahlte Meinungsumfrage Politmonitor bescheinigt den religiösen Autoritären soeben, das niedrigste Vertrauen aller gesellschaftlichen Instanzen zu genießen. Der Wahlausgang dürfte das Erzbistum also keineswegs unberührt lassen. Was vielleicht die nun rechtzeitig vorgelegte tiefrote Bilanz und die neu aufgeflammte Leidenschaft erklärt, mit der seine Tageszeitung derzeit Wahlkampf für die CSV betreibt.