Deutschland 1931, die Schweiz 1934, oder Belgien 1935: ein Blick auf die Gründungsjahre einer allgemeinen staatlichen Bankenaufsicht zeigt, dass diese vielerorts eine direkte Folge der Weltwirtschaftskrise der 1930er war. In Luxemburg hatte der Abgeordnete Jean-Pierre Kohner bereits 1929 mit Verweis auf Bankpleiten im Ausland ein Gesetzentwurf im Parlament eingereicht, den Regierung, Staatsrat, sowie die Direktion der Sparkasse jedoch einstimmig ablehnten. So dauerte es hierzulande bis zum großherzoglichen Beschluss vom 19. Oktober 1945, bis mit dem Commissaire au contrôle des banques erstmals eine allgemeine staatliche Bankenkontrolle eingeführt wurde. Wie das Datum schon vermuten lässt, sind die unmittelbaren Gründe dieser Neuerung vor allem in dem wirtschaftlichen Chaos zu suchen, das vier Jahre deutsche Besatzung und die Kriegszeit hinterlassen hatten. Ein genauerer Blick auf den Entstehungskontext und die spätere Umsetzung des historischen Dokumentes ergibt jedoch ein komplexeres Bild. Bisher unzugängliche Archivbestände der Aufsichtsbehörde etwa zeigen, dass es schon zu deren Anfangszeiten Pläne gab, ihre Befugnisse massiv auszuweiten. Die Quellen verraten aber auch, warum viele Änderungen nicht, oder nur viele Jahre später, umgesetzt wurden.
Der lange Schatten der Besatzung Unter deutscher Militär- und später Zivilverwaltung wurde das Luxemburger Bankenwesen völlig umstrukturiert. Zwischen 1940 und 1944 sahen sich die Banken genötigt, ihre zwischenzeitlich in Reichsmark umgewandelten Mittel in Deutschland anzulegen. Nach der deutschen Kriegsniederlage waren diese „Zwangsanlagen“ (placements forcés) dort blockiert. Erschwerend kam hinzu, dass die Banken die Einlagen ihrer Kunden in neuen Luxemburger Franken zurückerstatten mussten, womit sie den enormen Wertverlust der Reichsmark alleine zu tragen hatten. Vor diesem Hintergrund waren alle Luxemburger Banken de facto zahlungsunfähig. Um die Wirtschaft schnellstmöglich wieder in Schwung zu bringen, erklärte sich der Staat bereit, sie durch Übernahme der placements forcés zu sanieren, was die Staatsverschuldung massiv erhöhte. Infolge dieses Vertrauensvorschusses sollten die Kreditanstalten unter Aufsicht gestellt werden.
Zu dieser Begründung kamen noch eine Reihe von Erwägungen hinzu, die über das Großherzogtum hinauswiesen, vor allem im Kontext der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion. Die Regierungen beider Länder verfolgten in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine strikte Deflationspolitik, die letztlich von den Banken in die Praxis umgesetzt werden musste. Auf eine weitreichende Einfrierung der Bankguthaben der Bevölkerung folgte eine stufenweise Freigabe. Durch die so begrenzte Geldmenge sollte verhindert werden, dass ein unzureichendes Angebot insbesondere von lebenswichtigen Gütern die Preise in den Himmel trieb.
Hinzu kam, dass den Banken auch bei den in der Nachkriegszeit angewandten Kapitalverkehrskontrollen eine wichtige praktische Aufgabe zufiel. Archivdokumente belegen, dass die luxemburgische Regierung sich Anfang 1945 nicht zuletzt zur Einführung einer eigenen Bankenkontrolle entschloss, um eine Ausweitung der Einsichtsbefugnisse des Institut Belgo-Luxembourgeois du Change (IBLC) und mithin eine erweiterte Einsicht der belgischen Behörden in die Bücher luxemburgischer Banken zu vermeiden. Hält man sich vor Augen, dass seit der Gründung der Wirtschaftsunion 1921 eine beachtliche Menge belgischen Kapitals seinen Weg ins Großherzogtum gefunden hatte, so handelte es sich bei der Vermeidung einer Ausweitung des Einsichtsrechts des IBLC auch um handfeste Interessenpolitik von Seiten Luxemburgs. Von geringerer Bedeutung als belgisch-luxemburgische Erwägungen, aber dennoch relevant, waren auch Bemühungen um die Freigabe luxemburgischer Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten, wofür die Amerikaner unter anderem den Nachweis einer effektiven staatlichen Bankenaufsicht verlangten.
Die Bankenaufsicht als Notlösung? „(...) considérant qu’il y a urgence“: dieser kurze Auszug aus der Einleitung des arrêté grand-ducal von 1945 situiert den Text inmitten einer Vielzahl von Bestimmungen, die von der Regierung in der Nachkriegszeit auf der Basis ihrer erweiterten Vollmachten verordnet wurden. Auch das Format des Dokumentes deutet auf eine Notlösung hin: Es beinhaltete lediglich acht inhaltliche Artikel, darunter mehrere explizit provisorische Bestimmungen. Der spätere Staatsminister Pierre Werner, (Mit-)Autor des Erlasses und ab dem 1. Januar 1946 offiziell erster Commissaire au contrôle des banques, berichtet in seiner Autobiographie dann auch davon, dass es vom ersten Entwurf des Textes bis zur Unterschrift durch die Großherzogin nur ganze zwei Tage dauerte.
Bei einem zweiten Blick auf das Datum drängt sich zunächst die Frage auf, worin die Dringlichkeit eines solchen Textes im Oktober 1945 eigentlich noch bestand – immerhin ein Jahr nach der Befreiung des Landes und der Veröffentlichung der Richtlinien zum Umtausch von Reichsmark in neue Luxemburger Franken. Hinzu kommt, dass Pierre Werner 1945 auf Anweisung von Staatsminister Pierre Dupong nach Belgien und in die Schweiz gereist war, um einen Bericht über die dortigen Bankenaufsichtsmodelle zu verfassen. Dieser mehrmonatige Entstehungskontext relativiert nicht nur zum Teil die Dringlichkeit, sondern suggeriert auch die Frage, warum letztlich „nur“ ein offensichtlich unfertiges Rahmengesetz daraus hervorging. Neue Archivfunde belegen nun, dass schon ab 1946 eine umfassende Ausweitung im kleinen Kreis diskutiert wurde. Schaut man sich die verschiedenen Entwürfe und ihre Begleitdokumente an, nehmen die Umrisse einer viel umfassenderen Bankenkontrolle Gestalt an.
Bei genauem Hinsehen enthielt der Erlass vom 19. Oktober 1945 bereits einen Hinweis auf seine geplante Ausweitung. Darin war nämlich von der „surveillance du marché du crédit“ die Rede. Es blieb jedoch weitgehend unklar, inwieweit dieses allgemeine Ziel konkret umgesetzt werden sollte. Der Erlass schuf letztlich nur den Posten des Kommissars, definierte grob seine Zuständigkeiten und verpflichtete die unter Aufsicht gestellten Institute zur regelmäßigen Übermittlung von Informationen sowie zur Rückerstattung der durch die Aufsicht anfallenden Kosten. Er stellte weder konkrete Regeln auf, wie Banken ihre Geschäfte zu führen hatten, noch gab er dem Kommissar effektive Mittel zur Durchsetzung seiner Empfehlungen an die Hand. Es war also in letzter Konsequenz keine aktive Einmischung des Staates in die Geschäfte der Banken vorgeschrieben. So gab es etwa keine Bestimmungen zum Mindestkapital, zur Zinsregulierung, oder Verpflichtungen zu Anlageformen wie in anderen Ländern. Es handelte sich mithin im europäischen Vergleich um eine „liberale“ Form der Bankenaufsicht. Selbst wenn in diesem Rahmen eine „surveillance du marché du crédit“ im Sinne einer rein passiven Aufsicht denkbar war, so fehlten effektive Mittel zur direkten Intervention.
Genau hier bringt der bisher unbekannte Entwurf zu einer Ausweitung des ursprünglichen Textes neue Aufschlüsse. Das 1946 von Pierre Werner verfasste Dokument zielte laut dem Titel des Verfassers auf ein „développement ordonné du crédit bancaire et des émissions publiques“ ab. Anstatt einer reinen Aufsicht war also nun eine geordnete Entwicklung die Maxime. Der Entwurf sah nicht nur die Einführung von Liquiditäts- und Solvenzquoten vor, sondern unter bestimmten Bedingungen auch die Möglichkeit einer staatlichen Festsetzung von Maximalzinsen sowie von Prioritätsbestimmungen für verschiedene Arten von Krediten. Hinzu kam in einigen frühen Fassungen eine Begrenzung von Einzelkrediten sowohl in Relation zu den Eigenmitteln der Bank, als auch in Form einer Meldepflicht aller Darlehen ab einer gewissen Höhe. Ein zweites Kapitel enthielt eine vom Bankkommissar überwachte Zulassungspflicht für öffentliche Emissionen von Wertpapieren. So sollten die Kreditbedingungen des Staates und der Privatwirtschaft am Kapitalmarkt gesteuert werden. An letzter Stelle sah der Entwurf die Schaffung eines „comité consultatif du crédit“ vor, das aus Vertretern von Ministerien und Banken bestand, letztlich aber den staatlichen Vertretern bei weitem die Überhand einräumte.
Insgesamt stellt dieser Entwurf im Vergleich zum „liberalen“ Text von 1945 eine 180-Grad-Wende dar. Er zielt zwar genauso wie letzterer auf eine Überwachung der Banken ab, jedoch nicht nur allgemein, sondern durch die Festsetzung konkreter Regeln. Dazu, und dieser Kontrast ist noch viel stärker, definiert der er weitreichende Eingriffsbefugnisse der öffentlichen Hand in das Tagesgeschäft der Banken. Vor dem Hintergrund dieses Reformversuchs lässt sich also erahnen, dass die im Text von 1945 angedeutete „surveillance du marché du crédit“ von Pierre Werner keinesfalls zu jeder Zeit nur als passive Aufsicht angedacht war. Auch wenn der Reformversuch bestehendes Wissen zur Luxemburger Bankenaufsicht nicht grundlegend über den Haufen wirft, so zeichnet er doch ein viel differenziertes Bild von Entwicklungen, die sich auf den ersten Blick vor allem durch glasklare Kontinuitäten auszuzeichnen scheinen.
Aufgeschoben ist nur zum Teil aufgehoben Was wurde nun aber aus diesem bemerkenswerten Reformversuch von 1946? Um die Reaktion der betroffenen Kreise zu sondieren, gab die Regierung den Entwurf an die Direktion der staatlichen Sparkasse und an den Staatsrat weiter – sowie auf Empfehlung des Rates hin an die Handelskammer, um die Meinung des privaten Banksektors einzuholen. Beide Gremien versprachen zwar jeweils ein Gutachten, jedoch scheint es, als wären diese niemals fertiggestellt worden. Zumindest für die Handelskammer kann man sich jedoch recht gut vorstellen, wie die Meinung ausgefallen wären. So hatten sich schon im Nachgang der Veröffentlichung des Arrêté grand-ducal von 1945 verschiedene, den Banken nahestehende Stimmen zu Wort gemeldet, um die angeblich exzessive Regulierungswut des Staates zu kritisieren. Auch der Rückgriff auf die Sondervollmachten der Regierung unter dem angeblichen Vorwand der Dringlichkeit wurde von ihnen heftig kritisiert. Man kann sich also leicht ausmalen, wie die Reaktion binnen Jahresfrist auf noch viel weitergehende Eingriffe auf gleichem Wege ausgefallen wäre.
Die Direktion der Sparkasse hingegen unterstützte zwar laut eigener Aussage prinzipiell die meisten der vorgeschlagenen Bestimmungen, sah jedoch eine grundlegende Sanierung der Banken als notwendige Bedingung für die Umsetzung an. Sie warnte sogar ausdrücklich davor, den Entwurf an die Öffentlichkeit zu bringen, da er die prekäre Lage der Luxemburger Banken ins Licht rücken könnte. Dies ist insofern plausibel, als die endgültige Übernahme der sogenannten placements forcés durch die öffentliche Hand erst 1947 und 1948 erfolgte und die Banken bis dahin de facto zahlungsunfähig blieben. Aus Sicht der Sparkasse hatte mithin eine pragmatische und schnelle Sanierung der Banken Vorrang vor einer langwierigen Debatte um Gesetzestexte. Sie forderte stattdessen flexible und wenn nötig informelle Lösungen. Genau diese wurden dann auch in den Folgejahren zum Regelfall. Vor dem Hintergrund eines stetigen wirtschaftlichen Aufschwungs weitete sich nach und nach die Praxis der sogenannten „gentlemen’s agreements“ zwischen den Kreditanstalten und dem Bankenkontrollkommissar aus. Dies waren einzelfallorientierte, vertrauliche und in gegenseitigem Einverständnis ausgehandelte Abkommen zwischen dem Kommissar und den Kreditanstalten. Genau diese Art von Übereinkünften wurde dann später zum Kernpunkt des großherzoglichen Beschlusses zur Bankenkontrolle vom 19. Juni 1965, der insofern ganz klar eine Kontinuität zum Ursprungstext von 1945 darstellt.
Dennoch blieb der Reformversuch von 1946 nicht folgenlos. Vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Wachstums und der Internationalisierung des Finanzplatzes kam es nämlich ab 1960 wieder zu Reformbestrebungen der Bankenaufsicht. Erste Entwürfe zeigen, dass das Konzept von 1946 nun wieder als Ausgangsbasis herangezogen wurde. Letztlich fanden mit dem Prinzip der Liquiditäts- und Solvenzquoten, sowie mit der Aufsicht des Bankenkommissars über die Emission von Wertpapieren, wichtige Bestimmungen Eingang in die Verordnung. Dennoch war der endgültige Text von 1965 vor allem eine Kodifizierung bestehender Praktiken. Anstatt weitreichender Eingriffsrechte der öffentlichen Hand bildete das Prinzip der gentlemen’s agreements nunmehr ganz formell die Basis der Bankenaufsicht nach Luxemburger Modell. Diese Übereinkünfte waren flexibel und konnten auch zu einer begrenzten Steuerung des Kredites eingesetzt werden. Grundsätzlich blieb das Ziel der Aufsicht aber primär die Vermeidung von „Betriebsunfällen“ im Kreditsektor. Von einer staatlichen Steuerung der Kreditvergabe blieb man sehr weit entfernt, weshalb man das Luxemburger System im damaligen europäischen Vergleich zu Recht als liberal bezeichnen kann. Der bisher unbekannte Reformversuch von 1946 – aus der Feder von Pierre Werner und mit der Unterstützung des damaligen Staatsministers Pierre Dupong – zeigt jedoch, dass auch im Großherzogtum grundsätzliche Debatten zur Ausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik stattfanden.