„Für viele Akteure schmerzhaft“, so beschrieb UEL-Präsident Michel Wurth am Dienstag nach der Rede von Xavier Bettel im Parlament die Wirkung des Zukunftspakets. „Besonders für die Unternehmen“, die „direkt und indirekt“ ihren Beitrag leisten müssten. Aber den „Willen der Regierung, das Land zu reformieren und die Staatsfinanzen zu heilen – etwas, das wir lange gefordert haben –, begrüßen wir“, so der ranghöchste Arbeitgebervertreter, „wir sehen, dass ein erster Schritt gemacht ist“. Auf zwischen 200 und 250 Millionen Euro jährlich schätzt die UEL die zusätzliche Belastung der Unternehmen durch die Regierungsmaßnahmen. Dass der Unternehmerdachverband dennoch nur zaghaft Kritik leistet, hat mehrere Ursachen. Nach all den Jahren, in denen Arbeitgeberverbände und Berufskammern die Sanierung der öffentlichen Finanzen gefordert haben, kämen sie um den Vorwurf der Heuchelei wirklich nicht herum, würden sie den Versuch ihres ehemaligen Büronachbarn aus der Handelskammer, Finanzminister Pierre Gramegna (DP), den Haushalt bis 2018 ins Gleichgewicht zu bringen, boykottieren. Zumal die Handelskammer selbst mit ihrer Initiative 2030.lu kräftig Wahlkampf für die DP gemacht hat. Wie ihr Gutachten zum Haushaltsentwurf ausfallen wird, ist deshalb umso spannender, weil auch Gramegna es in seinem Haushalt der neuen Generation nicht geschafft hat, die Entwicklung der Ausgaben so zu bremsen, dass sie nicht schneller steigen als die Einnahmen. Das hatte die Handelskammer den Vorgängerregierungen immer besonders übel genommen. Doch auch bei der UEL ist man sich bewusst, dass die aktuelle blau-rot-grüne Regierung nur einen Programmpunkt hat: die Haushaltssanierung. Staatsminister Xavier Bettel (DP) demonstrierte das für eventuelle Zweifler am Dienstagabend im Fernsehen, live und eindrucksvoll. Gefragt, wie er auf die UEL-Forderungen nach Strukturreformen zwecks Dynamisierung der Wirtschaft reagiere, reagierte er einfach gar nicht. „Man soll in Luxemburg nur nicht vergessen, dass wenn wir die Staatsfinanzen nicht in den Griff bekommen, die Attraktivität des Landes den Bach runtergeht“, antwortete Bettel. Das aber reicht den Arbeitgebern nicht. Die UEL wird in Kürze ihren Annuaire de la compétitivité neu auflegen, darin grosso modo ihre Forderungen der vergangenen Jahre wiederholen. Allen voran wollen die Arbeitgeber mehr Flexibilität im Arbeitsmarkt, das heißt, eine Verlängerung der Referenzperioden, und dass die Regierung doch noch einlenkt, was die Reform des Sozialdialogs innerhalb der Unternehmen betrifft. Darüber wollen sie in den Arbeitsgruppen der Tripartite verhandeln, eine Tripartite, die, so Michel Wurth, ja nicht nur „Schmusedialog“ sein soll. Doch weil von den Reformen, welche die Arbeitgeber für notwendig halten, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, die Unternehmen effizient zu machen, in Koalitionsabkommen und Regierungsprogramm nichts steht, brüskiert die UEL die Regierung lieber nicht schon im Vorfeld der Diskussionen mit all zu harscher Kritik an ihrem Zukunftspak. Der vielleicht wichtigste Punkt ist allerdings, dass der Zukunftspak für die Unternehmen so schmerzhaft gar nicht wird. Von der angeführten „Schadenssumme“ von 200 bis 250 Millionen Euro für die Unternehmen ist der größte Teil auf die Mehrwertsteuererhöhung zurückzuführen: 80 Millionen Euro über die Auszahlung einer Indextranche, 40 Millionen auf Finanzdienstleistungen und Versicherungen und 35 Millionen Euro wegen der Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf Alkohol im Gaststättengewerbe. Für die Gaststättenbetreiber sei es besonders schwer, so Jean-Jacques Rommes von der UEL. „Das große Problem ist, dass wir das nicht mehr auf die Preise übertragen können“, sagt Alain Rix, Präsident der Horesca. Es sei die „Häufung von Alkohol, Zigaretten und TVA“, die dazu führe, dass die „Unternehmen es nicht mehr schaffen“. Damit meint er die Senkung der Promillegrenze und das Rauchverbot für Kneipen. Rix berichtet von Umsatzeinbußen von 20 bis 25 Prozent – bei einzelnen Wirten. Verlässliche Daten gibt es keine, bis Ende des Jahres will die Horesca welche erheben. „Wir haben der Regierung vorgeschlagen, Bier und Wein aus der Mehrwertsteuererhöhung rauszulassen und nur die TVA auf scharfem Alkohol anzuheben“, so Rix. „Das wäre auch ein gewisse Bremse für unsere Jugend gewesen, mit Wodka hier und da“, erklärt der Horesca-Präsident, damit die sich nicht „so besaufen“. Doch offenbar ist es der Regierung egal, ob sich die Jugend mit Wodka, Bier oder Wein betrinkt. Sie hat den Vorschlag abgelehnt. Denn sogar die natürlichen Verbündeten der Arbeitgebervertreter, die Unternehmensberater, wie beispielsweise Georges Bock, Managing Partner von KPMG, haben in den vergangenen Monaten öffentlich geäußert, dass es, angesichts der niedrigen Inflation keinen besseren Moment für eine Mehrwertsteueranhebung geben kann. Und dass die Anhebung der Regelsätze notwendig ist, um den Ausfall der Einnahmen aus dem elektronischen Handel ansatzweise zu kompensieren. Ob man die TVA-erhöhung also überhaupt zum Zukunftspak zählen kann? Ohnehin ist die Regierung den Arbeitgebern entgegen gekommen, beispielsweise in Bezug auf die TVA-Logement. Anstatt wie ursprünglich geplant, den superreduzierten Mehrwertsteuersatz von drei Prozent bei Mitwohnungen ganz abzuschaffen, fallen auch in Zukunft für Vermieter bei Renovierungen nur drei Prozent Mehrwertsteuer an. Nur beim Kauf von Mietobjekten gilt künftig der neue Regelsatz von 17 Prozent und das nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren. Das ist nicht der einzige Punkt, in dem die Regierung den Arbeitgebern sehr weit entgegenkommt. Die Kürzung des staatlichen Zuschusses zur Mutualität der Unternehmen, „der Dorn im Auge“ der Unternehmer, wie es es Michel Wurth am Dienstag nannte, fällt so drastisch nicht aus. Ganz im Gegenteil. Denn der Haushaltsentwurf, den Finanzminister Pierre Gramegna am Mittwoch im Parlament deponierte, sieht vor, dass der Staat rückwirkend für 2014 „une contribution supplémentaire unique et exceptionelle de 20,5 millions euros“ an die Mutualität überweist, die einspringt, um kranken Arbeitnehmern ihren Lohn zu zahlen, bevor die Krankenkasse übernimmt. Der Beitragssatz für den Staatszuschuss von 2015 wird darüber hinaus von 0,3 auf 0,45 Prozent angehoben – mehr als im Gesetz zur Einführung des Einheitsstatutes zwingend vorgesehen ist. Damit dürfte die „Kuh vom Eis sein“, wie es UEL-Generalsekretär Nicolas Henckes ausgedrückt hatte. Zumal die Regierung außerdem einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, der die Einstellung von rund 20 Kontrollärzten vorsieht, die überprüfen sollen, ob krankgeschriebene Arbeitnehmer tatsächlich krank sind oder blau machen. Die blau-rot-grüne Regierung reagiert außerdem auf eine weitere langjährige Arbeitgeberforderung, indem sie die Préretraite ajustement abschafft und damit ab 2016 Einsparungen von fünf Millionen Euro jährlich einplant. Welchen Einfluss das auf die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern in der Stahlbranche hat, bleibt abzuwarten – in der Stahltripartite war die Préretraite ajustement weiterhin gerne eingesetzt worden, um den Stellenabbau sozial verträglicher zu gestalten. Rund 25 Millionen Euro mehr als bisher müssten die Arbeitgeber laut UEL künftig für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter bezahlen, weil die Regierung den Zuschuss senken werde. Laut mehrjährigem Haushaltsentwurf wird das die Arbeitnehmer aber erst ab 2016 treffen. Ab dann sind beim betreffenden Haushaltsposten Einsparungen von durchschnittlich 27 Millionen Euro jährlich vorgesehen. Die Senkung des Zuschusses in der Weiterbildung ist eine der wenigen Zukunftspak-Maßnahmen, welche die Arbeitgeber wirklich treffen. Das Wirtschaftsministerium plant, wie es Wirtschaftsminister Etienne Schneider schon angekündigt hatte, eine Reform und strengere Anwendung der Berechtigungskriterien der aides aux entreprises. Damit wird ab 2015 ernst. Ab nächstem Jahr und bis 2018 sollen dadurch im Schnitt jährlich 7,5 Millionen Euro eingespart werden. Auch die Fusion von Handels- und Handwerkerkammer, obwohl noch nicht wirklich diskutiert, ist im mehrjährigen Haushalt bereits eingeplant. Im Wirtschaftsministerium plant man dadurch zwischen 2015 und 2018 insgesamt 7,1 Millionen Euro weniger an Zuschüssen an die Kammern zahlen zu müssen. Dass Arbeitsminister Nicoals Schmit (LSAP) bereits in der Vergangenheit ankündigte, dem Missbrauch der Zuschüsse zur Einstellung von Arbeitslosen durch die Unternehmen müsse ein Riegel vorgeschoben werden – eine Einschätzung, die der Rechnungshof in seinem Gutachten von dieser Woche bestätigt –, zeigt sich indes noch nicht im Haushaltsentwurf. Was die Regierung an Maßnahmen vorgesehen hat, um die Ausgaben des Beschäftigungsfonds zu senken, betrifft vor allem die Arbeitnehmer. So will die Regierung während der Krise eingeführte Zuschüsse zum Lohnausgleich bei Kurzarbeit und zur Anpassung des Arbeitslosengeldes an das letzte Gehalt nicht verlängern. Allein dadurch will sie bis 2018 fast 50 Millionen Euro einsparen. Außerdem sollen die Beihilfen zur Wiedereinstellung reformiert werden: „Il est proposé de réformer cette aide devant faire accepter un emploi moins bien rémunéré par un chômeur“, heißt es im Volume III, budget pluriannuel. Das soll bis 2018 66 Millionen Euro an Einsparungen bringen. Ein paar Zeilen weiter wird angekündigt, dass die Einstellungshilfen für Langzeitarbeitslose reformiert werden: „Aide à l’embauche de chômeurs de longue durée – Ne rembourser que la part „employeur“ des cotisations sociales et non pas les deux parts (employeur/salarié).“ Sparpotenzial: 25,5 Millionen Euro bis 2018. „Wann ee bei sech selwer spuert, heescht dat awer net, dass ee muss egoistesch ginn“, sagte Finanzminister Pierre Gramegna am Mittwoch. Warum auch egoistisch sein, wenn man bei anderen sparen kann? Die Arbeitgeber haben guten Grund, nur milde Kritik zu üben.
Romain Hilgert
Kategorien: Öffentliche Finanzen
Ausgabe: 17.10.2014