VIER Botschaften wollte Wirtschaftsminister Henri Grethen am Dienstag los werden: Luxemburg hat keinerlei Einfluss auf die Preisexplosion der Erdölprodukte; also kann die Regierung nicht für die inflationären Schübe haftbar gemacht werden; entgegen anderslautenden Gerüchten gehört der Staat nicht zu den heimlichen Nutznießern der Preishausse.
Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Wenn der Basispreis eines Barrel Erdöl sich seit Anfang 1999 verdreifacht hat, kann dies nicht ohne Folgen auf den Verbraucherpreis bleiben. Theoretisch unterliegen die Höchstpreise für Erdölprodukte der Genehmigung des Wirtschaftsministers, aber gegen derartige Preisanstiege ist offensichtlich kein Kraut gewachsen. Sie werden so oder so an die Endverbraucher weitergereicht.
Henri Grethen findet bestimmt keinen Gefallen daran, seine Ohnmacht derart zur Schau zu stellen. Sein Auftritt vor der Presse kam deshalb im Endeffekt einem Entlastungsma-növer gleich. Seiner politischen Sensibilität ist nicht entgangen, dass in der Bevölkerung die Teuerungswelle längst für eine gewisse Beunruhigung sorgt.
Entwarnung war also angesagt. Die vierte und eigentliche Botschaft des Wirtschaftsministers lautete folglich, die Regierung denke nicht daran, irgend etwas am Index der Verbraucherpreise zu ändern oder gar die automatische Lohnindexierung außer Kraft zu setzen, obwohl sie in der Eurozone zusehends unter Druck gerät und in sämtlichen Gutachten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, der OECD oder des IWF regelmässig aufgefordert wird, mit diesem Anachronismus aufzuräumen, da er dem Stabilitätsziel der Euroländer zuwider läuft.
Die Bevölkerung kann sich also auf die kommende Indextranche freuen, und auch im kommenden Jahr dürfte eine weitere Lohnanpassung fällig werden. Grethen gab allerdings zu verstehen, dass dies eine schlechte Nachricht für die Volkswirtschaft ist. Eine Indextranche wirkt preis- und kostentreibend. Sie schlägt mit mehr als zehn Milliarden Franken zu Buche, was für die exportorientierten Unternehmen nur schwer zu verkraften ist.
Die Inflation liegt in Luxemburg seit Anfang des Jahres mit 2,9 Prozent deutlich über der Rate in der Eurozone, was früher oder später die Europäische Zentralbank auf den Plan rufen wird. In seinem jüngsten Konjunkturbericht macht der Statec darauf aufmerksam : "Certains pays européens se distinguent par une inflation particulièrement élevée, au-dessus de 3 pour cent parfois...Si la BCE n'est pas censée réagir à des situations particulières de certains pays, les taux d'inflation élevés de ces pays poussent la moyenne européenne à la hausse et influencent ainsi la prise de décision de la BCE en matière de politique monétaire."
Der Statec rechnet zwar mit einer gewissen Beruhigung an der Preisfront im weiteren Verlauf des Jahres, so dass die Inflationsrate sich im Jahresdurchschnitt auf 2,4 Prozent einpendeln dürfte. Hinzu kommt, dass die Entwicklung der Lohnkosten Anlass zur Sorge gibt, wie der Merkur, das Organ der Handelskammer, unmissverständlich feststellt. Die bevorstehende Indextranche und die falsche Signalwirkung des Gehälterabkommens im öffentlichen Sektor werden die Lohn-Preisspirale kräftig anheizen.
Henri Grethens Beteuerung, am Indexmechanismus werde vorläufig nichts geändert, entspricht nicht ganz der Wahrheit. Seit Anfang des Jahres hat der Statec einen nationalen Index der Verbraucherpreise (IPCN) eingeführt, der teilweise vom harmonisierten europäischen Index (IPCH) abweicht und seither auch und vor allem als Thermometer bei der automatischen Lohnindexierung angewandt wird.
Der Hauptunterschied liegt darin, dass der nationale Index die tatsächlichen Verbrauchergewohnheiten der ortsansässigen Bevölkerung besser berücksichtigt als der europäische Index, der die Gewichtung der Posten Alkohol, Tabak und Treibstoffe über Gebühr aufbläht. Gemäß der europäischen Version liegt die durchschnittliche Inflationsrate im ersten Trimester bei 3,1 Prozent, wohingegen die nationale Messlatte lediglich eine Preissteigerung von 2,9 Prozent ausweist. Da wir zweifellos mit einem erheblichen Problem in Sachen Lohn- und Preisinflation konfrontiert sind, ist es schon ein kleiner Fortschritt, sich mit adäquaten Messinstrumenten auszustatten