Anfang Oktober wurde der Beps-Abschlussbericht der OECD angenommen, der 15 Aktionen zur Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung multinationaler Konzerne festhält (d’Land, 30.10.). Im Gespräch mit verschiedenen Steuerexperten hat das Land versucht, die mögliche Wirkung der Aktionen auf den „Steuerstandort“ Luxemburg zu ermitteln.
Durch Aktion zwei sollen „hybride“ Konstruktionen abgeschafft werden, die dadurch entstehen, dass Einkommensarten in verschiedenen Ländern nicht gleich behandelt werden, beispielsweise Zins- und Dividendenzahlungen. Viele der Luxleaks-Fälle beruhten auf „Hybriden“ nach dem immer gleichen Muster, analysiert ein Steuerexperte gegenüber dem Land, obwohl keine „hybride Situation“ vorgelegen habe. Ob sie mehr Steuern zahlen müssen, wenn sie diese doppelt künstlichen Hybride in Zukunft nicht mehr anwenden können, ist also nicht ganz sicher.
Aktion drei wird dazu führen, dass die Gewinne von Zwischengesellschaften (controlled foreign company, CFC) immer dann mit denen des Mutterkonzern versteuert werden, wenn die Steuern im Land der Zwischengesellschaft niedriger sind als im Land des Mutterkonzerns. Ist Luxemburg die Steuerheimat des Mutterhauses, müssten die niedriger besteuerten Gewinne von Zwischengesellschaften im Ausland hier besteuert werden. Ist Luxemburg das Land, in dem sich die Zwischengesellschaft eines ausländischen Konzerns befindet, und die anderen Länder setzen effiziente CFC-Regeln um, könnte das durchaus dazu führen, dass Luxemburg als Standort für Zwischengesellschaften unattraktiver wird. Besonders spannend bleibt es aber abzuwarten, wie die USA diese Regeln umsetzen werden. Da sich Steuerberater einig sind, dass die USA die Steuerpolitik bewusst nutzen, um ihre Unternehmen zu global operierenden Konzernen anwachsen zu lassen, indem Gewinne, die im Ausland verdient werden, nicht versteuert werden müssen, solange sie im Ausland bleiben, dürften die USA mit dieser neuen Regel ihre Schwierigkeiten haben. Auch Amazon kann so seine europäischen Gewinnen in Luxemburg ansparen, ohne dass sie in den USA versteuert werden müssen.
Durch Aktion vier soll das künstliche Verschieben von Krediten und Zinszahlungen innerhalb von Konzernen unterbunden werden, indem Unternehmen maximal einen Betrag absetzen können, der zwischen zehn und 30 Prozent ihres Ebitda entspricht. Das könnte, warnen Skeptiker, Unternehmen entmutigen, Schulden zu machen, um zu investieren, dies während in Europa die Unternehmen zum Leidwesen vieler Ökonomen zu abhängig von Bankkrediten sind, weshalb die Europäische Zentralbank seit geraumer Zeit versucht, die Banken mit Sonderbedingungen dazu anzuregen, ihnen Kredite zu gewähren. Luxemburg machte in der Vergangenheit für sich als Treasury-Standort Werbung. Ob eine solche Konzentration der Finanzaktivitäten einer Gruppe in einem Land in der Folge aber noch Sinn macht?
Unter Aktion fünf sollen schädliche Steuerpraktiken wie beispielsweise Sonderregimes für die Einkünfte aus geistigem Eigentum, sogenannte IP-Boxes, eingedämmt werden. Darauf hat Luxemburg schon reagiert, indem der erst 2008 eingeführte Artikel 50 bis, durch den solche Einnahmen zu 80 Prozent von der Steuer befreit sind, abgeändert wird. Um von solchen Regimes profitieren zu können, muss eine Firma nicht nur Eigentümerin der IP-Rechte sein, sondern die IP muss in dem Land entwickelt worden sein, dessen IP-Box sie nutzen will. Das dürfte eine Reihe von Firmen vor Probleme stellen, denn wie das Observatorium für Wettbewerbsfähigkeit vor wenigen Wochen feststellte, sind die privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung in Luxemburg viel zu niedrig. Doch auch für dieses Problem zeichnet sich eine Lösung ab: Wurden die Rechte von Drittfirmen erworben, gilt die sogenannte „Nexus-Klausel“ nicht. Das, meinen Steuerexperten, dürfte zu einer Externalisierung der Entwicklungsabteilungen in den Unternehmen führen. Auch das Steuerkompendium geht nicht so weit, aufzuschlüsseln, wie viel Einnahmen Artikel 50 bis in den vergangenen acht Jahren eingebracht hat. Vielleicht ist es gar nicht besonders viel. Denn der effektive Steuersatz von unter sechs Prozent, der damit erreicht werden konnte, war manchen Firmen noch zu hoch. Mit den Transferpreisen, die noch von der EU-Kommission untersucht werden, erreichte Amazon einen Satz von nahezu null Prozent.
Aktion sechs will mit einem generellen Missbrauchsverbot dafür sorgen, dass es kein illegitimes treaty-shopping gibt. Damit verschaffen sich Investoren aus einem Land über eine Filiale in einem Drittland Zugang zu einem Doppelbesteuerungsabkommen, zu dem sie ansonsten keinen Zugang hätten. Das hätte für die Investmentfondsbranche zu einem großen Problem werden können, da ihre Anleger aus allen möglichen Ländern stammen, die nicht unbedingt ein Steuerabkommen mit dem Land haben, aus dem der Fonds Dividenden kassiert. Doch die OECD hat sich bereits 2010 nachsichtig mit Publikumsfonds gezeigt. Daneben gibt es aber die alternativen Investmentsfonds, wie Hedge-Fonds, Immobilienfonds, Private-Equity-Fonds, von denen es mittlerweile eine ganze Reihe in Luxemburg gibt und deren Anzahl durch den neuen Europäischen Pass für die Manager solcher Fonds wächst. Für sie bleibt eine Lösung zu finden. Der Fondsspezialist Black Rock warnte bereits Anfang des Jahres, dass eine allzu restriktive Anwendung dazu führen könnte, dass die Investitionen in große Infrastruktur-Projekte wie Flughäfen oder Schienennetze, ausbleiben, weil Pensionsfonds und Versicherungen Probleme bei der Strukturierung ihrer Anlagen entstehen könnten.
Aktionen acht bis zehn beziehen sich auf die korrekte Berechnung der Transferpreise. Weil Rulings ohnehin unter Generalverdacht stehen, werden Firmen weniger von ihnen beantragen. Tun sie es doch, in Fällen, wo die Gesetzeslage Spielraum für Interpretationen lässt, werden sie genauestens belegen müssen, wie ihre Verrechnungspreise zustande kommen. Die Steuerberater werden sehr viel mehr Papier produzieren müssen. Das ist gut für ihr Geschäft.
Aktion elf untersucht die Wirkung von Beps. Das Verhältnis zwischen ausländischen Direktinvestitionen und BIP ist dabei eines der Messinstrumente. Suspekt gilt ein Wert ab 200 Prozent. Damit wird Luxemburg immer verdächtig bleiben, ein Steuerparadies zu sein, weil allein durch die Investmentfondsbranche der Wert hier um ein Vielfaches höher liegt.
Aktion 13 führt das country-by-country-Reporting ein, durch das eventuelle Diskrepanzen zwischen Mitarbeiterzahlen und Gewinnen offensichtlich werden. Steuerexperten zufolge haben Unternehmen mit ersten Trockenübungen angefangen. Gibt es größere Diskrepanzen, müssen sie sich fragen, ob sie dafür gute Erklärungen haben, und wenn ja, ob sie den Steuerbehörden das erklären wollen. Manche Firmen, berichten die Experten, beantworteten diese Frage mit: Nein. Anscheinend ziehen sie es vor, Mitarbeiter in besonders profitable Filialen zu versetzen. Oder umgekehrt, Gewinne aus profitablen in weniger profitable Filialen zu verschieben...