d’Land: Herr Minister, im Juni hatten Sie angekündigt, noch im Sommer einen Entwurf für eine ganz neue Förderverordnung für erneuerbare Energien vorzulegen. Außerdem sagen Sie seit ihrem Amtsantritt im Februar, die Solarstromförderung sei zu hoch. Vergangenen Freitag hat der Regierungsrat einer Änderung am Fördersystem zugestimmt – aber die bezieht sich nur auf den Solarstrom. War es das an Reform?
Etienne Schneider: Nein, das Fördersystem wird insgesamt überarbeitet. Wir müssen aber noch eine Diskussion über die Bioenergie – Biomasse und Biogas – zu Ende führen. Ich rechne zwar damit, dass das nicht mehr lange dauert und das Kabinett im Herbst über das gesamte Paket entscheiden kann. Aber weil ich verschiedene Fördersätze erhöhen lassen will, benötigt der Entwurf auch die Zustimmung der EU-Kommission. Wie lange Brüssel dafür braucht, weiß ich nicht. Deshalb wollte ich in der Zwischenzeit bei der Fotovoltaik vorankommen. Da senken wir die Sätze, das müssen wir der Kommission nicht unterbreiten, und ich hoffe, dass die Änderung schnell in Kraft treten kann.
Zum 1. Januar 2013?
Bis dahin müssten wir durch sein. Das Gutachten des Staatsrats müssen wir auf jeden Fall abwarten.
Das klingt, als habe der Regierungsrat am Freitag eine Notmaßnahme verabschiedet.
Seit ich erklärt habe, ich sei für eine Senkung der Solarstromförderung, wurden Projekte für neue Anlagen erstellt, für die sich die garantierte Einspeisevergütung ins Stromnetz auf insgesamt bis zu acht Millionen Euro belaufen könnte – jährlich und 15 Jahre lang. Und man kann davon ausgehen, dass bis zum Inkrafttreten der neuen Regeln noch weitere Vorhaben hinzukommen werden.
Laut vorläufigen Statistiken der Regulierungsbehörde ILR war schon Ende 2011 mit 40,7 Megawatt an Solaranlagen fast so viel Kapazität installiert wie an Windkraft mit 44,5 Megawatt. Das müsste Sie doch froh machen?
Tut es auch. Es gab ja einen enormen Preisverfall bei den Modulen – allein in den letzten beiden Jahren sanken die Preise um zwischen 45 und 60 Prozent je nach Bauart. Das war dramatisch. Aber der Grundsatz meiner Politik der erneuerbaren Energien lautet, aus weniger mehr zu machen – nicht zuletzt in fiskalisch und konjunkturell schwierigen Zeiten. Die Mehrkosten einer Megawattstunde Solarstrom liegen noch immer um den Faktor 14 über derselben Menge konventionellen Stroms. Da sage ich: Lasst uns beim Solarstrom zunächst mal kürzer treten. Lasst uns abwarten, dass die Solarmodulpreise noch weiter fallen, und in der Zwischenzeit vorrangig die anderen erneuerbaren Produktionsformen entwickeln: Windkraft, Wasserkraft, Bioenergie. Weil die wesentlich preiswerter sind, werden wir ihre Förderung sogar erhöhen können. Das bringt uns mehr für weniger.
Der offiziellen Mitteilung nach der Kabinettsitzung vom Freitag zufolge sollen, wie schon angekündigt, Solarstromanlagen über 30 Kilowatt keinerlei Förderung mehr erhalten. Kleinere Anlagen werden weiter gefördert, aber mit mehr „Degressivität“. Was ändert sich genau?
Für Anlagen bis 30 Kilowatt senken wir die Einspeisevergütung um 29 Prozent. Die Degressivität, also der Grad, mit dem die Vergütung von Jahr zu Jahr kleiner wird gegenüber dem Jahr des Inkrafttretens der neuen Regeln, soll auf neun Prozent erhöht werden. Zurzeit liegt sie bei drei Prozent, aber in Deutschland zum Beispiel wurden vor kurzem zwölf Prozent Degressivität eingeführt. Da liegen wir nicht schlecht im Vergleich, und wir wollen ja auch weder die Privatleute entmutigen, die sich für Solarstromerzeugung interessieren, noch den Fotovoltaikmarkt für unsere Handwerksbetriebe zerstören. In vielleicht drei Jahren, schätze ich, steigen wir in den Solarstrom wieder voll ein.
Bleibt die staatliche Investitionsförderung bestehen, die zurzeit bei bis zu 30 Prozent liegt?
Das wird in der neuen Förderverordnung des Nachhaltigkeitsministeriums geklärt, aber wie die Dinge liegen, wird der Investzuschuss auf 20 Prozent gesenkt.
Was ergibt sich künftig für ein Return on invest gegenüber heute?
Das hängt stark vom Eigenkapitalanteil ab, deshalb rechnet man das nicht mehr so, sondern benutzt gewichtete Durchschnittskapitalkosten. Aber der Erlös aus der Investition dürfte mit den neuen Regeln bei fünf bis sechs, vielleicht sogar bei sieben Prozent liegen. Das sind Sätze, die man von der EU-Kommission genehmigt bekommt. Auf Dividenden und Aktien so viel zu verdienen, ist zumindest gegenwärtig nicht leicht. Ganz zu schweigen von Sparguthaben. Der Preisverfall der letzten Jahre hatte allerdings dazu geführt, dass sich Erlöse von 15 Prozent oder mehr einstellten. Das geht natürlich nicht.
Dann hätte man die Solarförderung eigentlich schon eher senken müssen.
Ja. Aber so lange bin ich noch nicht Minister.
Woher nehmen Sie Ihren Optimismus, dass der Preisverfall der Solarmodule weiter geht? Alle EU-Staaten kürzen ihre Solarförderung oder haben es schon getan. Der Preisverfall wiederum kam auch durch einen Preiskrieg mit Herstellern aus China und Taiwan zustande, und der Modulpreis spiegelt derzeit höchstens noch die Produktionskosten wider. 2011 fanden fast drei Viertel der weltweiten Solarstrom-Neuinstallationen in der EU statt. Wer soll, wenn diese Aktivität sinkt, im großen Stil Module kaufen – die Amerikaner? Die Bric-Staaten?
Das würde ich meinen, ja. Wenn in Europa weniger installiert wird, wird das auch ein Signal an die Hersteller sein, zu innovieren und ihre Produkte weiter zu verbessern. In diesem Sinne funktioniert der Markt schließlich auch.
Könnte man in Luxemburg nicht die Investitionsbeihilfe ganz abschaffen und die Einspeisevergütung für Solarstrom weniger stark senken?
Die Investitionsbeihilfe tut am wenigsten weh. Das ist pro Anlage eine einmalige Ausgabe für den Staatshaushalt. Die Einspeisevergütung dagegen ist auf 15 Jahre garantiert – dabei soll es übrigens auch bleiben – und geht solange über den Kompensationsfonds zulasten aller Stromverbraucher. Die Energiepreise aber sind ein Wettbewerbsfähigkeitsfaktor allerersten Ranges. Das bemerke ich ständig. Auch wenn es um die IT-Branche geht, die wir ja massiv entwickeln wollen, ist unter den ersten Fragen, die mir gestellt werden, immer die nach den Energiepreisen. Deutschland ist Solarstrom-Weltmeister. Aber die Mehrkosten auf dem Strompreis werden dort voraussichtlich bis zu fünf Cent pro Kilowattstunde betragen. Man darf die Wettbewerbsfähigkeit der Strompreise nicht aus den Augen verlieren. Ich versuche das so gut ich kann im Griff zu behalten.
Kleine Stromverbraucher zahlen bei uns 0,12 Cent pro Kilowattstunde in den Kompensationsfonds.
Ja, mittelständische Betriebe auch, und die Großindustrie zahlt 0,075 Cent bei einem gedeckelten Maximalbetrag. Aber das klappt nur, weil der Staat über den Kioto-Fonds in diesem Jahr 13 Millionen Euro an den Kompensationsfonds überweist, um den Strompreis niedrig zu halten. Ich sende ein ganz klares Kompetivitätssignal an die Betriebe. Am Energiemarkt kann ich nichts ändern, aber dort, wo ich gestalten kann, will ich dafür sorgen, dass Preiserhöhungen sie so wenig wie möglich treffen.
Vor zwei Jahren hat die Regierung den Aktionsplan für erneuerbare Energien angenommen und an die EU-Kommission geschickt. Darin steht eine Trajektorie als eine Art Richtschnur, um die bis zum Jahr 2020 gesteckten Ziele zu erreichen. Es zeigt sich, dass Luxemburg Ende 2011 im Solarstrombereich sein Richtziel an installierter Kapazität für jenes Jahr deutlich übererfüllte. Bei Windkraft lagen wir auch noch auf Kurs, bei Wasserkraft und Bioenergie weitab. Der Trajektorie nach aber müsste bis 2014 sich allein die installierte Windkraftkapazität fast verdoppeln, die Stromproduktion aus den. Ist das zu schaffen?
Es wird eng. Wobei diese Trajektorie keinen verbindlichen Charakter besitzt. Immerhin aber wissen wir, und das ist Anlass für Optimismus, dass die Société électrique de l’Our (SEO) Projekte in der Pipeline hat, mit der wir die Trajektorie nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen. Zuvor gibt es noch Naturschutz- und Prozedurprobleme zu klären. Die Frage stellt sich auch, ob die Standorte von Windkraftanlagen in Einklang mit den Radaranlagen des Flughafens gebracht werden können. Claude Wiseler hat mir versprochen, kurzfristig eine Lösung zu finden. Wir versuchen derzeit, alle möglichen Bremsklötze zu beseitigen, die die Windkraft noch hemmen. Was mir mehr Sorgen macht, ist, dass die Biogaserzeugung in den letzten Jahren zwar ausgebaut wurde, wir die Richtwerte der Trajektorie aber noch nie erreicht haben. Ich wünsche mir, dass die neue Förderverordnung zu einem echten Schub verhilft. Das haben wir auch der EU-Kommission erklärt: Wir wollen, dass es in dem Bereich zu einer Relance kommt.
Windkraft ist für Sie aber die Schlüsseltechnologie?
Sie ist eine der Prioritäten. Man produziert damit relativ viel bei wenig Installation, wenig Eingriffen in die Natur, wenig Landverbrauch und vor allem kostengünstig. Biomasse zu nutzen, ist natürlich wichtig, weil wir sie vor Ort haben.
Vergangene Woche hat der Mouvement écologique eine Bioenergie-Studie vorgestellt. Danach konnte man den Eindruck haben, das Bioenergie-Potenzial Luxemburgs sei überschätzt worden.
Das ist nicht zuletzt eine Frage des Ansatzes. Der Mouvement écologique und sein Experte plädieren zum Beispiel ziemlich gegen die energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Klammert man Energie-Mais aus der Betrachtung aus, ändern sich die Potenziale natürlich gleich. Wir sind bereit zu Diskussionen mit dem Méco. Noch letzte Woche haben wir uns getroffen, mit Vertretern aus der Branche ebenfalls. Wir sind auch bereit, wie der Mouvement écologique das vorschlägt, stärker auf die Nutzung von Gülle in Biogasanlagen zu setzen. Es macht ja Sinn, sie energetisch zu nutzen, ehe sie auf die Äcker ausgebracht wird. Zumal das Produkt sich nach der energetischen Verarbeitung noch besser zum Ausbringen eignet. Allerdings hat Gülle einen im Schnitt sieben Mal kleineren Brennwert als Energiepflanzen. Man braucht also viel mehr Volumen, muss mit höheren Investitionskosten für die Anlage rechnen, benötigt mehr Lagerkapazität und so weiter. Das sind eine ganze Reihe kleiner Nachteile, um einen großen Vorteil zu haben – nämlich, weniger Flächen, die sich zur Produktion von Lebensmitteln eignen, für Energiezwecke zu binden.
Wie viel Fläche soll denn dafür gebunden werden?
Am Anfang gingen wir von 12 000 Hektar aus. Nach Diskussionen mit dem Landwirtschaftsministerium haben wir das auf 4 000 Hektar gesenkt. Einigen wir uns mit dem Méco auf eine massive Güllenutzung in den Biogasanlagen, könnte man noch weniger veranschlagen; am Ende vielleicht 2 000 Hektar. Was es dann für Fördertarife geben muss, um die Anlagen rentabel betreiben zu können, ist die Frage, die wir noch beantwortem müssen, ehe ich dem Regierungsrat den kompletten Entwurf zur Reform der Förderung der erneuerbaren Energien vorlegen kann.
Sinkt die Anbaufläche für Energiepflanzen, müsste an anderer Stelle mehr aus erneuerbaren Energie gemacht werden, nicht wahr?
Mehr Windkraft und mehr Wasserkraft brauchten wir dann. Bei Letzterer ist nicht mehr viel drin. Es gibt aber eine ganze Reihe alter Anlagen, die erneuert werden könnten. Damit das geschieht, wollen wir für Strom aus den Altanlagen zeitweilig einen erhöhten Wasserkraft-Einspeisetarif einführen. Der soll zehn Jahre gelten. Neue Anlagen fördern wir künftig stärker als bisher, damit wirklich die maximal mögliche Wasserkraft genutzt wird.
Gibt es denn neue Projekte?
Es gibt ein paar. Das größte, mit rund fünf Megawatt, hat die SEO bei Mesenich in Planung. Da stellen sich aber noch Naturschutzfragen.
Die SEO hat vor zwei Jahren auch ein Kataster der Windkraftstandorte erstellt. Wird das Kataster veröffentlicht?
Die SEO ist eine Aktiengesellschaft und hat das Kataster auf ihre Rechnung erstellt. Als ein Privatunternehmen, das sogar börsennotiert ist, hat sie natürlich keinerlei Interesse daran, ihre Daten publik zu machen. Deshalb ginge es auch nicht, dass der Staat ihr das Kataster abkauft. Und wenngleich der Staat dort Aktionär ist, kann ich die SEO nicht zwingen, etwas gegen ihre Interessen zu tun, weil es im nationalen Interesse sei.
Aber wenn Sie nun vor allem in der Windkraft groß loslegen wollen, wäre es doch hilfreich, darüber zu informieren, wo gebaut werden sollte und warum gerade dort. Windkraftprojekte stoßen ja nicht selten auf Widerstand in der Bevölkerung.
Als Minister sage ich aber nicht, wo etwas gebaut werden soll. Ich mache nur Förderverordnungen, die hoffentlich zu Projekten anreizen. Auch die Windstromförderung wird verbessert – weil die für Windkraft gut geeigneten Standorte mit um die 6,5 Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit schon abgegrast sind. Widerstand gegen Windanlagen ist etwas, womit man immer rechnen und womit man umgehen muss. Das wird von Fall zu Fall geschehen, aber nicht in einer einzigen Promotions-Akion von meiner Seite.
Geplant ist, dass ab 2018 neu gebaute Häuser „Positivhäuser“ sein sollen, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen. Was heißt das längerfristig für die Energieversorgung? Wird sie so dezentralisiert, dass man eines Tages keine Energieversorger mehr braucht, weil auf immer mehr Dächern thermische Solaranlagen und Solarstrompanele installiert sind? Mit ein paar Kilowatt Fotovoltaik deckt man immerhin schon heute den Strombedarf eines Vierpersonen-Haushalts.
Was Sie beschreiben, ist ein wirklich langfristiger Prozess, denn die Erneuerungsrate unseres Gebäudebestands liegt bei rund einem Prozent im Jahr. Überflüssig werden Energieversorger schon deshalb nicht, weil das Gros der Energie auch in Zukunft in der Produktion verbraucht werden wird. Auf tendenziell immer unabhängiger werdende Häuser stellen sich die Energieversorger heute schon ein. Über Smart grids, deren Entwicklung im Gange ist, wird es eines Tages Interaktionen zwischen Energielieferant und Konsument geben. Der Konsument mit einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach wird wollen, dass Strom, den er zu viel produziert, vom Energieversorger aufgekauft wird. Der wiederum hat ein Interesse daran, Überschüsse an Elektrizität zwischenzuspeichern. Dann sagt der Konsument zum Versorger: „Für den Zweck leihe ich dir morgen für so und so viele Stunden die Batterie meines Elektroautos.“ Ich meine, auf diese Weise werden Lieferant und Kunde zu Partnern.