Es ist zwei Uhr nachmittags in Simmern, 35 Grad im Schatten. Schatten gäbe es in dem Feld gegenüber des Friedhofs heute keinen, wären da nicht das Festzelt und die klotzigen Militärtrucks, die reihenweise auf dem Platz parken. Ein internationales Treffen von Militärfahrzeugbesitzern findet hier statt. Dafür wurden auch hölzerne Strommasten aufgestellt. Aus dem Festzelt tönt amerikanischer Jazz der Dreißiger- und Vierzigerjahre; eine Musik, die vorzüglich zu einem unbeschwerten Sommertag im Freien passt. Der Geruch von gegrilltem Fleisch liegt in der Luft, Bierstände gibt es ebenfalls. Viele auf dem Gelände tragen Uniformen.
Im Militärshop kann man Tarn-Bikinis und andere Kriegsbekleidung kaufen. Nicht weit entfernt hat Familie Klein-Kayser aus Niederkerschen ein regelrechtes Lager aufgebaut. Drei große Zelte, die mit Tarnnetzen überdacht sind, bilden ein gemütliches Camp. In der Mitte steht ein Campingtisch mit Wasserflaschen, einem Aschenbecher und einer Donald-Duck-Schachtel mit Malfarben. Die Kinder sitzen auf den Bänken, ein kleines Mädchen schaut mit blinzelnden Augen aus einem der Zelte.
Frau Klein-Kayser begründet ihre Leidenschaft für alles Tarnfarbige mit einem bestimmten Ereignis: „Wir sind hier, um in Erinnerung zu behalten, dass damals die Amerikaner gekommen sind, um das Land zu befreien.“ Die Kinder führen weniger historische Gründe an. Ihnen gefallen „die Autos“ und „der Sommer“; der Kleinste der Familie verrät, dass er es im Zelt am schönsten findet. Doch auch die Kinder sind für das Wochenende im Militärcamp ausgerüstet: Einer der Söhne trägt Tarnhose, Kappe und T-Shirt. Um seinen Hals hängt eine Kette mit einer Erkennungsmarke, mit der gefallene Soldaten im Krieg identifiziert werden. Das kleine Metallstück blinkt in der Sonne.
Die Klein-Kaysers sind Mitglieder bei den Greyhounds, einem Club aus Petingen. Sie sind nicht zum ersten Mal auf solch einer Veranstaltung. „Petingen veranstaltet alle zwei Jahre ein Meeting, und wir besuchen auch Treffen anderer Clubs. Manchmal fahren wir nach Belgien oder Kaiserslautern“, erklärt Frau Klein-Kayser, die ebenfalls ganz in Tarnfarben gekleidet ist. Die Kleidung, die Zelte und die Fahrzeuge erwirbt sie im Internet oder auf Tauschbörsen. Amerikanische Memorabilien sind bei Sammlern am beliebtesten. In Simmer sieht man ausschließlich Wagen und Accessoires der US Army. „Wir haben kein Problem mit deutschen Sammlerstücken, aber es gibt Clubs, die wollen nur Amerikanisches. Es gibt auch welche, die dulden nur Material aus den Jahren 1940 bis 1945 und keine Fahrzeuge der Nachkriegszeit“, erzählt sie. Beim letzten Wort seiner Mutter zeigt einer der Jungen auf einen gelben Laster, der am Ende des Camps parkt. Er gehört seinem Großvater und stammt aus der Nachkriegszeit. „Das war früher mal ein Feuerwehrauto“, fügt er hinzu.
Jérôme Kirsch vom Memorial Club Simmern ist der Veranstalter des militärischen Grillfests. Er erklärt, dass es bei der Veranstaltung vor allem um „Geschichtserhaltung“ gehe. Verschiedene Elemente jedoch müssten beachtet werden: „Es gibt weniger Fahrzeuge der deutschen Armee, da viele nach dem Krieg zerstört wurden. Originale Maschinen sind dadurch fast unbezahlbar.“
Kirschs Privatsammlung ist neben dem Festzelt ausgestellt. Man erkennt nachgebaute (und unscharfe) Waffen, die in einem Schützengraben liegen, uniformierte Puppen, einen alten Citroën und einen Nachbau einer kleinen Hauswand. Normalerweise sind die Objekte in Kirschs Privatmuseum zu sehen, dass sich in 80 Quadratmeter großen Räumlichkeiten in einer Etage über einem Café in Simmern befindet. „Es ist das Leben eines Soldaten, das ich den Leuten zeigen will: was sie gegessen und getrunken haben, und all die kleinen Dinge, die Teil ihres Alltags waren.“ Eine der Puppen trägt eine Uniform der Wehrmacht. Sie hält eine weiße Fahne in der Hand und ist neben amerikanischen Soldaten aufgestellt. Diese Anordnung hat ihren Grund. „Wenn lauter deutsche Soldaten hier stünden und nur ein amerikanischer, dann würde es hier bunt zugehen! Es wird immer geraten, alles generell so anzuordnen. Etwas anderes käme schlecht an“, sagt der Organisator.
Der Jeep seines Großvaters war es, der Jérôme Kirschs Begeisterung für Militärfahrzeuge weckte. „Mein Opa hat mich ein bisschen in dieses Leben mit hineingezogen und mir immer wieder Geschichten von früher erzählt. Und dann begannen wir, Fahrzeuge zu sammeln.“ Eine Sammelleidenschaft, die immer kostspieliger wird. Die Preise für Originalobjekte seien in den letzten Jahren drastisch gestiegen, erklärt Kirsch. „Ich glaube, die Leute wissen, wie gerne Sammler kaufen, und unter ihnen gibt es auch viele Millionäre. Das treibt die Preise hoch.“ Er zeigt auf seinen Panzer, dessen Kette am Tag zuvor von den Rädern gerutscht ist. „Das wird mich wieder 5 000 Euro kosten.“ Für den Panzer hat Kirsch 10 000 bezahlt.
Doch nicht alle sind von der Veranstaltung begeistert. Ein älterer Herr, der mit Kamera um den Hals zwischen den Fahrzeugen umherschlendert, sieht das Treffen eher als Kriegsverherrlichung. Er habe von seinen Eltern, die sehr unter dem Krieg gelitten hatten, viele grausige Geschichten gehört. Unter anderem deswegen sei er „generell gegen alles Militärische“. Und auch wenn hier Geschichte ein wenig erwähnt würde, ginge es doch hauptsächlich um „Brumm Brumm“, erklärt er. Für zu wenig kritisch hält er die Veranstaltung ebenfalls: „Man sieht gut, dass Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird“, sagt er und zeigt auf eine der vielen amerikanischen Flaggen auf dem Gelände. „Man muss mehr Kritik üben bei solchen Veranstaltungen. Über Afghanistan und Irak redet hier niemand.“ Trotzdem lobt der Mann die Organisatoren. „Die Jungs aus dem Dorf haben alles super organisiert und man kann ihnen keine Vorwürfe machen. Es ist halt eine andere Generation. Die gehen anders mit der Geschichte um als wir“, erklärt er, und spaziert weiter.
Plötzlich spürt man freudige Aufregung auf dem Gelände. Es ist vier Uhr, jeden Moment wird die Schau-Sprengung stattfinden. Es soll eine „wahre Szene“ vorgeführt werden, die sich im Zweiten Weltkrieg zwischen Kleinbettingen und Sterpenich abspielte. Das wird jedoch bei der Sprengung nicht erwähnt, Jérôme Kirsch warnt nur kurz die Zuschauer vor der Lautstärke.
Dann kann es los gehen: Ein Kollege von Kirsch, auch er ganz in Tarnfarben gehüllt, kurbelt die Sirene an. Ein paar Kinder, die mit ihren Eltern an der Absperrung stehen, halten sich die Ohren zu. Langsam nähern sich auch die Kunden vom Bierstand; die meisten haben ihr Glas zur Sprengung mitgebracht. Dann ertönt ein lauter Knall. Eine kleine Rauchwolke steigt hinter der nachgebauten Wand auf und löst sich, noch bevor sie die Höhe der Masten erreicht, in der heißen Nachmittagsluft auf. „Noch einmal!“, ruft ein kleines Mädchen.
Doch die Show ist zu Ende. Die Zuschauer begeben sich wieder zurück ins Festzelt oder zum Bierstand, Besitzer von Militärfahrzeugen machen es sich wieder vor ihren Prachtstücken gemütlich. Neben einem Lastwagen mit überdeckter Ladefläche hat sich eine weitere Familie auf Campingstühlen und einem Feldbett niedergelassen. Der Vater, der sein Fahrzeug auch gerne mal auseinandernimmt, erklärt, dass er mit seinem Sohn während des dreitägigen Treffens auf der überdeckten Ladefläche übernachte. Das Kampffahrzeug wird zum Bastel-Objekt, die Geschichtserhaltung zum Hobby.
Kirsch sieht die Veranstaltung keineswegs als Kriegsverherrlichung. „Meiner Meinung nach geht es hier um Geschichte. Man soll nicht vergessen, was unsere Großeltern miterlebt haben. Das waren keine schönen Zeiten“, erklärt er. In Simmern wird es noch einige Stunden ausgelassen weitergehen: gerade betritt eine Big Band namens „Memory“ die Bühne.