Kurgäste, die mit Thermalwasser Rheuma, Durchblutungsstörungen oder Atemwegserkrankungen kurieren. Senioren, die im Freiluftschwimmbecken Wassergymnastik betreiben. Junge und Schöne, die im Fitnessbereich an Laufbändern und durch Hantelstemmen jung und schön zu bleiben versuchen. Exotische Saunas und Bäder. Ein Hotel und Restaurants mit ausgesuchter Karte. Konferenz- und Seminarräume. Ein Park, in dem sich gern nordisch ergangen wird. Eine insgesamt fünfzig Hektar große Anlage, weit ab von Durchgangsstraßen gelegen und noch weiter entfernt von Einflugschneisen. Das ist das Centre thermal et de Santé in Mondorf-les-Bains, dessen Betriebsergebnis innerhalb eines Jahres um 588 Prozent einbrach.
Man könnte diese Zahl zu relavitieren versuchen. Zwar schrieb das Centre thermal 2009 rote Zahlen. Doch wenn ein Gesamtdefizit von 497 000 Euro auf einen Gesamt-überschuss von 102 000 Euro im Vorjahr folgt, mag der Absturz prozentual hoch sein: gegenüber einem Umsatz, der seit fünf Jahren um die 20 Millionen Euro oszilliert, nimmt er sich noch immer klein aus. Hatte man in Mondorf unter der Wirtschaftskrise zu leiden?
Das auch. Um mehr als ein Fünftel sackte 2009 die Zahl der Firmen-Kunden ab, die in Mondorf Konferenzräume mieten und Hotelübernachtungen mitbuchen. Hinter dem Rückgang verbergen sich ziemlich spektakuläre Einzelfälle, sagt Pierre Plumer, der Direktor des Centre thermal: Ein Industrieunternehmen aus dem Landessüden habe all seine Europa-Konferenzen traditionell in Mondorf abgehalten und bis 2008 jährlich 5 000 Übernachtungen gebucht. 2009 strich es sie auf 500 zusammen. Und es sei gar nicht ausgeschlossen, dass die Business-Klientel derartige Sparmaßnahmen erst einmal aufrecht erhält.
Doch die Wirtschaftskrise ist nicht der einzige Auslöser für die Probleme in Mondorf. Das Betriebsergebnis geht stetig zurück, seit 2005 noch ein Überschuss von mehr als 600 000 Euro erzielt worden war. Der Cash-flow ist ebenfalls tenden-ziell rückläufig, sank aber allein letztes Jahr um 21 Prozent.
Das Centre thermal ist ein Établissement public mit vier Geschäftsbereichen: dem Kurbetrieb; dem Hotel mit seinen Restaurants; dem Club mit Schwimmbad, Saunas, Fitness und schließlich dem Wellness-Bereich. Jeder Bereich sollte für sich rentabel sein, so lautet das Prinzip. Doch zwei sind defizitär. Der Hotelbetrieb ist es schon seit Jahren. Was auch damit zu tun hat, dass Hotelbetten für Kurgäste bereitgehalten werden müssen, die sie dann vielleicht nicht nutzen. Der Club in Mondorf dagegen rutschte 2009 zum ersten Mal ins Minus.
Letzteres sei auch eine Folge der wachsenden Konkurrenz durch Erlebnisbäder, meint Verwaltungsratspräsident Paul Hammelmann. Der Bäder in Strassen und Mersch etwa. Oder des Pidal-Schwimmbads in Walferdingen, für dessen Ausbau zu einem „einzigartigen Wellnesskomplex in der Großregion“, so die Eigenwerbung, erst vor zwei Wochen Richtfest gefeiert wurde. Und wenn im Norden die Fusionsgemeinde in spe Park Hosingen die vom Innenministerium in Aussicht gestellte Fusionsprämie zum Bau eines Erlebnisbads nutzen will, wird einmal mehr klar, wohin der Trend geht. In Mondorf lassen seine Folgen sich am Ticketverkauf für den Club ablesen: An Abonnements wurden 2009 um ein Prozent weniger verkauft als 2008, an Tagestickets elf Prozent weniger. Die Stammkunden scheinen einigermaßen treu zu sein, die Laufkundschaft schaut sich schon mal anderswo um.
All diese Bäder würden mit öffentlichen Mitteln gebaut, beklagt Hammelmann. Doch er räumt auch ein, dass viele Probleme in Mondorf sozusagen hausgemacht sind. Die Investitionen seien so ein Punkt: „Die wurden nie geplant. Stattdessen wurde Jahr für Jahr geschaut: Wie viel Geld haben wir, und was könnten wir damit machen?“
Heute muss Hammelmann konstatieren: „Die Energiepreise laufen uns fort, weil die Anlage konzipiert wurde, als Energie noch billig war.“ Und wenn sich Besucher des Zentrums über dessen baulichen Zustand beschweren, sei das längst nicht immer übertrieben. Der ziemlich willkürlichen Investitionspolitik der Vergangenheit wegen gibt es in Mondorf so manches Highlight. Wie etwa eine Zen-Sauna: Ein Prototyp, der in Europa nicht noch einmal zu finden ist und wo der Saunabesuch von Gongs, Klangschalen, Düften und Musik begleitet und als Ritual zelebriert wird. Andere Bereiche des Clubs wurden dagegen vernachlässigt. Direktor Plumer nennt den Club „eine unserer großen Sorgen“.
Pierre Plumer ist erst seit Anfang Mai im Amt. Zuvor leitete er 14 Jahre lang die Abteilung Gesundheitstechnologien im Centre de recherche public Henri Tudor. Von dort hat er das Credo „Quality, transparency, accountability“ mitgebracht. Nun soll er dem Centre thermal zu einer neuen Strategie verhelfen. „Es ist bekannt, dass es für den Direktorenposten auch interne Bewerbungen gab“, sagt Paul Hammelmann. „Wir wollten jedoch frischen Wind, einen Blick von außen.“ Besser koordinierte Investitionen allein werden es kaum richten.
Was Plumer entwickeln will, ist ein Geschäftsmodell, das vor allem auf den Wellness-Zweig in Mondorf setzt. In diesem Bereich stieg der Umsatz in den letzten fünf Jahren um 60 Prozent, der Erlös nahm 2009 um mehr als das Doppelte gegenüber 2008 zu. „Wellness“ heißt in Mondorf nicht Erlebnisbad und Sauna, sondern Spezi-albehandlungen fürs Wohlbefinden. „Davon verkaufen wir immer mehr“, sagt Plumer, und wenn Wellness-Pakete allein ab etwa 80 Euro zu haben sind, gibt, wer sie kauft, im Schnitt 300 Euro in Mondorf aus – für Hotel-übernachtung, Restaurantbesuche und vielleicht noch irgendein Extra.
Diesen Bereich zu stärken, sei einerseits eine Frage der Kommunikation: Die sei, von Luxemburg abgesehen, zu stark auf Frankreich konzentriert und vernachlässige potenzielle Kunden in Deutschland. Das, sagt Plumer, werde sich ändern. Es sei jedoch ebenfalls eine Frage der Vernetzung: Erstmals in diesem Jahr war das Cen-tre thermal in Berlin auf der Internationalen Tourismusbörse vertreten. Was man brauche, sagt Plumer, seien Paketangebote: „Etwa Wellness in Mondorf, Ausflüge in die Weinberge an und eine Schifffahrt auf der Mosel, ein Stadtrundgang in Trier und vielleicht noch ein Abstecher zu den Grottes de Han.“ Nur wegen des Centre thermal würden wahrscheinlich nicht viele Touristen nach Mondorf kommen.
Und schließlich stelle sich die Frage, welche Kunden man überhaupt will. Jenseits der Grenzen nimmt die Konkurrenz auch für Wellness zu, wie man sie in Mondorf versteht. Bei dieser Lage der Dinge müsse Mondorf zu einem gehobenen Wellness-Anbieter für zahlungskräftigere Kunden werden, meint Plumer. Und wenngleich das Geschäftsmodell erst gegen Ende des Jahres vorliegen soll, hat das Umsteuern schon begonnen: Die Zusammenarbeit mit belgischen Tour-Operators, die dem Centre thermal einerseits viele Kunden aus dem Nachbarland beschafften, andererseits jedoch Maximalpreise für Übernachtung plus Behandlung vorschrieben, ist man dabei zu beenden. Und die Auslastung des Hotels ließe sich vielleicht verbessern, meint Plumer, indem 15-Quadratmeter-Zimmer, die seltener gebucht werden, zusammengefasst würden: Die 60 Quadratmeter großen Suites im Parc Hotel mit seinen vier Sternen sind meistens ausgebucht.
Die neue Strategie ist nicht ganz ohne politische Tragweite. Falls sie scheitert, könnte sich das Spezialgesetz als Irrtum erweisen, mit dem 1987 das Staatsbad Mondorf in ein Établissement public umgewandelt und in eine eigentlich komfortable Lage versetzt wurde: Wegen seines Kurbetriebs gilt es als Krankenhaus. Doch während die Spitäler Jahr für Jahr ein Budget mit der Gesundheitskasse aushandeln und nur wenige selbstständige Einnahmen erwirtschaften können, wurde dem Centre thermal et de Santé gestattet, eigenverantwortlich „rééducation, réadaptation, récréation et hébergement“ zu entwickeln.
Diese Orientierung, nicht nur krankenkassenfinanzierte Therapien anbieten zu müssen, sondern auch auf dem Gastronomie- und Freizeitmarkt tätig werden zu können, beendete zum einen die hundert Jahre lange Einmischung der Politik in die Belange des Staatsbads Mondorf: Das 1846 unter privater Regie eröffnete Thermalbad hatte 1886 der Staat übernommen.
Das doppelte Geschäftsmodell war 1987 aber auch unter der Annahme festgelegt worden, dass die Zusatzaktivitäten womöglich einen rückläufi-gen Kurbetrieb kompensieren müssten. Denn als die LSAP-DP-Koalition 1978 ein 1,2 Milliarden Franken schweres Ausbauprogramm auf den Weg brachte, schwebte ihr noch ein Kurkomplex mit 12 000 Kurgästen im Jahr vor. Im Gesetzentwurf dazu hieß es allen Ernstes, die medizinischen Indikationen für eine Kur in Mondorf sollten maximiert werden. Neun Jahre später wurde dieses Konzept als grandioser Irrtum eingeschätzt.
Die Entwicklungen Anfang der Neunzigerjahre schienen dem doppelten Geschäftsmodell Recht zu geben. Als während der Rezession die damalige Krankenkassenunion jedem Patienten nur noch drei Kuren pro Fall zugestand, sank die Zahl der Kurgäste bis 1994 um über 200 Prozent. Doch als Ende 1994 der damalige DP-Abgeordnete Henri Grethen meinte, das Konzept des Centre thermal sei ein Misserfolg, widersprach LSAP-Gesundheitsminister Johny Lahure energisch: Bei einer von 5 700 auf 2 700 gesunkenen Kurgästezahl sichere der Freizeit- und Gastronomiebetrieb „zum Glück“ das „wirtschaftliche Überleben“.
Doch daraus folgt nicht nur, dass damals niemand daran dachte, dass eines Tages der Zusatzbetrieb defizitär werden könnte. Die Frage, in welchem Umfang sich der Kurbetrieb aufrecht erhalten lässt, könnte sich ebenfalls stellen. Im Herbst 1995 setzte die damalige Sozialministerin Mady-Delvaux-Stehres (LSAP) der Beschränkung auf drei Mondorf-Kuren pro Versichertem und Fall ein Ende. Daraufhin verdoppelte sich die Zahl der Kuren innerhalb eines Jahres wieder. Seitdem sichern um die 5 200 Kurgäste jährlich dem Mondorfer Zentrum eine Auslastung, mit der es auch für seine anderen Abteilungen rechnen kann, und dazu trägt auch bei, dass die Genehmigung von Auslandskuren sehr restriktiv erfolgt. Bleibt dem Centre thermal nur zu wünschen, dass die Gesundheitskasse noch möglichst lange die großzügige Regelung beibehalten kann, die die Krankenkassenunion vor vier Jahren traf: Seitdem hat jeder Versicherte pro Jahr ein Recht auf eine Kur derselben Natur. Aber nur in Mondorf.