Ein Stück Olaf-Recht-Design hat fast jeder in Luxemburg schon mal gesehen. Recht hat für die Loterie nationale vor Jahren die visuelle Identität für Zubito entwickelt, dem überaus erfolgreichen Kneipen-Glückspiel. Zubito wird an den Fassaden der Kneipen, die Spielscheine annehmen und die Zubito-Ziehung übertragen, mit orangefarbenen Wimpeln und Fähnchen beworben und sind dort mittlerweile ebenso wenig wegzudenken, wie die Leuchtreklamen, die angeben, welche Biersorte hinter dem Tresen verzapft wird. Sie gehören zum Straßenbild. „Die Loterie hat das Logo mittlerweile ein wenig verändert. Es enthielt zu viele Farben – sehr schwierig zu drucken“, analysiert Recht im Rückblick, was er hätte besser machen können.
Olaf Recht wusste früh, dass er Designer werden wollte. Wo er den Beruf lernen wollte, ebenfalls: Am Art Center College of Design. Von der Uni hatte er als Schüler in einer Zeitschrift gelesen, eine der führenden Designschulen der USA, die beansprucht, wie ein Konservatorium zu funktionieren. Die Lehrer unterrichten im Nebenberuf und besetzen in der Privatwirtschaft Top-Posten. Der Arbeitsrhythmus ist so intensiv, dass der Übergang vom Studenten- ins Berufsleben kaum eine Umstellung verlangt. Nach dem Abitur, Sektion Kunst am Lycée des Garçons, begann Recht Produktdesign an der Schweizer Filiale der amerikanischen Privatschule in Vevey zu studieren. Als die Uni den Betrieb 1996 in Europa einstellte, zog Recht nach Los Angeles um, um sein Studium am Hauptcampus zu beenden.
Er sollte länger nicht zurückkehren. Denn nach dem Studium stellte ihn RKS Design ein, eine Design Consulting Firma, die große Elektronik-Konzerne wie HP, Canon oder Epson zu ihren Kunden zählt. Aber auch solche aus dem medizinischen Bereich oder Spielwarenhersteller. Entsprechend vielfältig waren die Projekte. RKS, erzählt Recht, beschäftigte sich früh mit dem Design von Benutzeroberflächen an elektronischen Apparaten, damit, wie Soft- und Hardware zusammen funktionieren. Außerdem, so Recht, bot RKS als erste Firma ihren Kunden Design-Strategie als Dienstleistung an. Als „kreative Unternehmensberatung“ bezeichnet der Designer das.
2001 kehrte der heute 41-jährige nach Europa zurück, gründete mit früheren Kommilitonen in Berlin die Firma Intransit, die von Industrie-, über Grafik-, Motion-, Webseiten- und Möbeldesign, alle Designsparten abdeckte und anbot. „Eigentlich nahmen wir alle Projekte an, die wir kriegen konnten“, lacht Recht heute, wenn er sich daran erinnert. Das Angebot richtete sich nach der Nachfrage.
Es war zu Rechts Zeit bei Intransit, als er begann, an einem Projekt für die Entwicklung von Hörimplantaten mitzuarbeiten. Der Kunde, Advanced Bionics, machte ihm ein Jobangebot und Recht kehrte nach Kalifornien zurück. Ein Produkt, wie das BTE Lite, könne man nur mit Vollzeitmitarbeitern entwickeln, ist Recht überzeugt. Er hat geholfen, Form und Volumen des Hörgeräts auszuarbeiten, das aus mehreren Teilen besteht. Der Prozessor wird an der Schädeldecke verschraubt. Das geht mit dem Gehäuse, das Mikrofon und Batterie enthält, nicht. „Zu gefährlich“, sagt Recht, man denke nur an explodierende Smartphone-Batterien. Zusammen mit seinen Kollegen stand er in engem Kontakt mit den Patienten, mit Ärzten und Pflegepersonal. Sie stellten Gipsabdrücke von Dutzenden Ohrmuscheln her, um die bestmögliche Kurve für das Batteriegehäuse zu entwickeln, sie erstellten die Pläne, die den Ärzten zeigen, an welchem Punkt an der Schädeldecke die Schrauben angebracht werden. Er entwickelte die Bedienung- und Einstellungssoftware, mit denen das Gerät in Betrieb genommen und gestimmt wird.
„Wenn man dabei ist, wenn jemand der seit 20 Jahren taub ist, zum ersten Mal die Stimme seiner Enkel hört, dann weiß man, dass man etwas Wichtiges gemacht hat“, sagt Recht. Das Gefühl, etwas Wichtiges zu machen, war es, das ihm vorher ein wenig abhanden gekommen war. „Alle sechs Monate einen Drucker zu verändern, zu versuchen, das Gerät besser zu machen, wenn es nach einem halben Jahr doch wieder vom Markt ist – da fragt man sich irgendwann, wo der Sinn ist“, erzählt er von der schnelllebigen Zeit als Design Consultant für die Elektronikbranche.
Von Advanced Bionics wechselte Recht zu Boston Scientific Neuromodulation. Er arbeitete an der Entwicklung eines Rückenmarkstimulatoren mit, sowie einem nervenstimulierenden Gerät zur Behandlung von Migräne. Wie benutzen die Patienten ein solches Gerät? Was muss es können? Wie kann es weiterentwickelt werden? Wie funktioniert die Krankenversicherung in den verschiedenen Ländern? Wer bezahlt, wenn das Gerät nachgerüstet werden muss? Wie viel kostet die Herstellung in kleinen Stückzahlen? Recht begleitete den Entwicklungsprozess und war für die Produktionsüberwachung zuständig. Doch medizinische Geräte zur Marktreife zu bringen, ist ein langwieriger Prozess, auch wegen der strengen Zulassungsprozeduren. „Du arbeitest zwei bis zweieinhalb Jahre an einem Projekt. Das ist lange für eine kreative Person.“ Irgendwann hatte Recht das Gefühl, dass er sich mehr in internen Konferenzen, Weiterbildungskursen und mit der Büropolitik beschäftigte als mit seinem Projekt. 2010 kehrte er nach Luxemburg zurück und machte sich selbstständig.
Er diversifizierte – ein wenig war das wieder eine Sache der Nachfrage. Er hatte die Möglichkeit, an einem großen Innenarchitekturprojekt mitzuarbeiten. Gemeinsam mit Anne Kieffer (Studio delle Alpi) entwarf er das Interieur für ein Hotel-Projekt des Architekten Duos Paczowski und Fritsch in der Schweiz. Doch leider sprangen die Investoren ab, bevor das Hotel gebaut werden konnte, realisiert ist es bis heute nicht. Seither hat er Büroinnenräume gestaltet, Cafeterias und Restaurants.
Zusammen mit einer Bekannten reichte er vor ein paar Jahren sein erstes Lampendesign beim Editionshaus Bolia ein. Es wurde akzeptiert und die Lampe hergestellt. Recht hat eine ganze Reihe von Lampen, Regalen oder Sofas für Marken entworfen, die „skandinavisches“ Design verkaufen: Bolia, Bo Concept, Frandsen Lighting. Schafft es ein Modell bis in den Verkauf, erhalten die Designer dafür Tantiemen. Doch wirklich zufrieden stellte das Recht nicht. Weil es zugehe, wie bei Architektur-Wettbwerben, wo alle Teilnehmer, die ein Projekt einreichen, darin Zeit und Geld investieren, aber nur der Gewinner danach etwas verdient. Da die gezahlten Tantiemen als ein paar Prozent auf den Herstellerpreis berechnet werden und die Möbel in China produziert werden, wo die Herstellung billig ist, handelt es sich laut Recht um überschaubare Summen.
Ihn störte außerdem der Auswahl-, und Entstehungsprozess, auf den die Designer kaum noch Einfluss haben, wenn sie ihre Idee eingereicht haben. Werde ein Produkt abgelehnt, gebe es keine Möglichkeit mehr, es nachzuarbeiten und anzupassen. Sogar wenn ein Modell es in die Auswahl schaffe und auf Basis der technischen Zeichnungen in Fernost ein Prototyp hergestellt werde, könne es passieren, dass daran irgendetwas dem Editionshaus nicht gefalle, und es doch nicht in Serienproduktion gehe. Manchmal reichten kleine Nacharbeiten. Doch einzugreifen und das Model verändern, das sei nicht vorgesehen, denn dafür reiche die Zeit nicht mehr aus, bis der neue Produktkatalog für die Kunden gedruckt werde...
Um das zu vermeiden, versucht Recht aktuell, selbst mehr Kontrolle über den Produktionsprozess zu behalten. Für die Vereinigung In Progress hat er die Pebble Chairs entworfen, die derzeit in dem von Design Friends organisierten Pop-Up Winter Garden im Casino Forum d’Art Contemporain ausgestellt sind. Die Sitzfläche und die Rückenlehne erinnern an vom Wasser geschliffene Kiesel. Das Holzgerüst, auch das des Sessels, ist nach außen sichtbar. „Ich wollte immer schon mal Holz biegen“, freut sich der sonst sehr ernst blickende Recht sichtlich. Umgesetzt hat er das Vorhaben mit der Schreinerei Modulor aus Mersch. Seinen Sessel hofft er in den Verkauf bringen zu können, obwohl die Herstellung kostspielig ist. Um die Produktionskosten zu drücken, hat er schon Änderungen vorgenommen. Aber das wirkliche Problem sei der Verkauf selbst, weil durch die üblichen Händlerkommissionen der Preis ins Unerschwingliche steigen. Deshalb sucht Recht nach alternativen Verkaufskanälen, um seinen Sessel im Eigenvertrieb an die Kunden zu bringen.