Einen Blankoscheck der Regierung gab es nicht, als am Montag letzter Woche der Vorstand des Gemeindesyndikats, welches das Hôpital Princesse Marie-Astrid in Differdingen betreibt, mit Gesundheits- und Innenminister vier Stunden lang diskutierte. „Lieber heute als morgen“, so der Syndikatspräsident und Differdinger Bürgermeister Claude Meisch, soll das HPMA mit
dem Centre hospitalier Emile Mayrisch Esch-Düdelingen fusionieren. Bis zu diesem Zeitpunkt und rückwirkend zum 1. Januar 2006, sollte die Staatskasse Defizite des HPMA tragen.
Denn wie schnell es zur Fusion kommen wird, fragt sich durchaus: das CHEM verlangt zuvor einen kompletten Kassensturz im HPMA. Doch dort gilt nach wie vor, was die Consultingfirma Arthur Andersen schon 1997 herausfand: es gibt keine analytische Buchführung. Weshalb das Niederkerschener Syndikats-Vorstandsmitglied Michel Wolter daran zweifelt, „ob wir jemals dahin kommen“. Die Konten des Jahres 1999 würden fehlen, die von 2000 und 2001 lägen, meine die Klinikdirektion, auf einem Computer, „den sie nicht mehr öffnen könne“. Seit 1999 hat das HPMA keinen Buchungsabschluss mit der Krankenkassenunion UCM mehr vorgenommen, seit 2000 hat das Syndikat nicht mehr beim Innenministerium abgerechnet. „Je mehr Zeit bis zur Fusion vergeht, desto mehr Defizit ergibt sich“, sagt Claude Meisch. 2,5 Millionen Euro könnten es in diesem Jahr sein, laut dem Entwurf zum Klinikbudget 2006, den die HPMA-Direktion im Herbst 2005 dem Syndikat vorgelegt hatte. Tragen müssten das statutengemäß die Gemeinde Differdingen zur Hälfte, Petingen zu einem Drittel und Niederkerschen zu einem Sechstel. Und schon 2005 wuchs das kumulierte Defizit der Klinik auf bis zu 4,5 Millionen Euro. Sie zu übernehmen, daran kommen die drei Korntal-Gemeinden nicht vorbei – und das in Zeiten landesweit knapper gewordener Gemeindefinanzen.
Dass Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) am 20. Februar nicht mehr zusagte als eine Hilfe beim Kassensturz und der Regierungsrat über den Wunsch zur Defizitübernahme befinden soll, ist jedoch verständlich. Auch andere Kliniken erwirtschaften Mali, die Signalwirkung des Regierungsentscheids wird deshalb enorm sein. Die Krankenhausaugaben sind der größte Kostenpunkt im Haushalt der Krankenkassenunion UCM, und erst auf der letzten Krankenkassen-Quadripartite im Oktober 2005 war abgemacht worden, dass die UCM ab diesem Jahr bei den Verhandlungen der Klinikbudgets „mehr Strenge“ walten lassen wird. Macht es die Regierung dem Korntal-Syndikat zu einfach, wäre das System der Klinik-
Budgetisierung unter Umständen akut gefährdet – schlimmstenfalls könnten Defizitfälle sich häufen.
Denn was sich im HPMA gezeigt hat, ist zunächst ein, wie es neumodisch heißt, Problem der „Hospital governance“. Dass das HPMA „gut aufgestellt, gut ausgelastet, technisch gut ausgetattet ist, dass es gutes Personal hat und ein Einzugsgebiet von an die 60 000 potenziellen Patienten“, ist auch für die Krankenkassenunion unstrittig. In Frage steht nicht die Behandlungsqualität
– aber die Führung des Hauses. Ist sie nicht straff, wird angesichts des hier zu Lande geltenden Systems der „liberalen Medizin“, in der, wie im HPMA, Belegärzte „Therapiefreiheit“ haben, ein Krankenhaus rasch zur Kostenfalle.
Dass in der Differdinger Klinik die ihr für 2004 und 2005 zustehende Enveloppe der UCM zur Begleichung „variabler Kosten“ für Medikamente, Implantate und Prothesen laut UCM „massiv“ überschritten wurde, kann nicht verwundern, falls die Klinikdirektion wirklich so „inkompetent“ ist, wie der Syndikatsvorstand sie seit November letzten Jahres immer wieder öffentlich
nennt. Es kann aber ebenfalls nicht verwundern, wenn die Vorstandsmitglieder des Syndikats sich nur „zwei Stunden pro Woche“ Zeit zur Führung der Klinik nahmen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Laut Gemeindesyndikatsgesetz fungiert das Exekutivbüro eines Syndikatsvorstands als Direktion. Auf das HPMA angewandt heißt das: die Klinikdirektion schlägt vor, das Exekutivbüro führt aus.
Über den komplizierten Zusammenhang, dass in einem Gemeindesyndikat sich administrative mit politischer Verantwortung vermengt, sürzte im April 2001 schon der damalige Syndikatspräsident und Differdinger LSAP-Bürgermeister Marcel Blau, als er ein 410-Millionen-Franken-Defizit wegen vor allem ohne Absprache mit UCM und Gesundheitsministerium
getätigten Investitionen in schwere Medizintechnik verantworten musste. Ironischerweise rechtfertigt der jetzige Präsident und Blau-Nachfolger auf dem Bürgermeisterstuhl wie dieser seinerzeit die Führungsschwäche im Syndikatsvorstand mit unzureichender „Vorbildung“ seiner Mitglieder. Kein Wunder, dass die Differdinger LSAP Claude Meisch das derzeit um die Ohren schlägt: Er hatte sich im Herbst 2001 mit CSV und Grünen als die besser wirtschaftende Koalition in Differdingen empfohlen – auch was die Mitarbeit im HPMA-Syndikat betraf.
Doch nicht nur politique politicienne je nach Ausgang von Gemeindewahlen und parteipolitischen Farbverschiebungen in den Schöffenräten der drei Syndikatsgemeinden wirkten auf die Führung der Klinik. Konstant in den wechselnden „Comités“ des Syndikats war die Meinung, das HPMA müsse eine Konkurrenz zum Escher Stadtkrankenhaus darstellen. Fusionsangebote
von dort hatte es schon 1997 und 1998 gegeben, sie wurden aber ausgeschlagen. Und wenn Marcel Blau seinerzeit über die an UCM und Gesundheitsministerium vorbei getätigten Investitionen sagte, sie seien „zum Wohl des Spitals“ geschehen und über damals – wie nun wieder – über das Budget hinaus eingekaufte Implantate meinte, man müsse ja Patienten versorgen und vermeiden, dass sie in eine andere Klinik gingen – begab sich sein Nachfolger Jean-Marie Halsdorf aus Petingen mit dem HPMA im Sommer 2002 in eine abenteuerliche Partnerschaft mit der Escher Kongregationsklinik Sainte-Marie.
Wenn ein Syndikatspräsident über eine gewisse Vorbildung zur Führung eines Krankenhauses verfügt hatte, dann der gesundheitspolitische Sprecher der CSV-Chamberfraktion, von dem man nach den Wahlen vom Juni 2004 sogar annehmen konnte, er werde womöglich Gesundheitsminister. Zumindest hätte Halsdorf um die Funktionsweise der Klinikbudgetisierung durch die UCM wissen müssen und darum, welche Aktivitäten ein Haus wie das HPMA haben muss, um nicht defizitär zu werden.
Doch als Halsdorf gemeinsam mit Raymond Lies, dem Direktor der durchaus nicht CSV-fernen Kongregationsstiftung Saint-François-Sainte Elisabeth, sich gegenüber der Presse zum „Synergieprojekt“ äußerte – und dabei auch einräumte, dass die Partnerschaft vorbei an der HPMA-Direktion angebahnt worden war (Luxemburger Wort, 8. August 2002) – sprach er davon, dass die Clinique Sainte-Marie ein „Kompetenzzentrum“ für Augen- und Hals-Nasen-Ohren-Behandlungen werden könnte, das HPMA im Gegenzug eines für Orthopädie. Ein solches Angebot sei keine Konkurrenz zum Escher Stadtkrankenhaus, nur eine Ergänzung. Aber würde das HPMA mit ihm kooperieren, „hätte es die wichtigen Behandlungen vorgenommen und uns den Rest überlasssen“ (d’Land, 19. Juli 2002).
Da war der Konkurrenzgedanke doch wieder. Doch dass das HPMA seine Augen- und Hals-Nasen-Ohren-Behandlungen abgab und sich auf schwerere chirurgische Eingriffe zu spezialisieren versuchte, blieb nicht ohne Folgen: da Augen- oder Ohrenoperationen schnell erledigt werden können, erhält eine Klinik verhältnismäßig öfter einen allgemeinen Operationstarif von der UCM erstattet als für zeitaufwändigere Eingriffe. Und darüber hinaus erging es dem HPMA ähnlich wie dem Escher Stadtkrankenhaus, das ab 1994 eine Kooperation mit der Sainte-Marie-Klinik eingegangen war: das Escher Spital erhielt Aktivitäten von der anderen Klinik nur nach jahrelangem Rechtsstreit. „Wir“, sagt Claude Meisch, „bekamen nie etwas. Wir wurden immer vertröstet. Die Sainte-Marie wollte nur Zeit gewinnen, bis die Kirchberg-Klinik öffnete, um mit ihr zu kooperieren.“
Mittlerweile wird dieser Versuch des CSV-Staats, einen Gegenpol zum „roten“ Escher Krankenhaus zu bilden, auch von CSV-Vertretern im Syndikatsvorstand als schwerer politischer Fehler angesehen, der sich nun ebenfalls auf die Gemeindefinanzen im Korntal-Syndikat auswirkt. Vielleicht sind das gute Voraussetzungen, um endlich frei von Lobbyinteressen ein Gesamt-Klinikkonzept für den Landessüden aufzustellen. Denn wenngleich Claude Meisch die Möglichkeit eines „Verkaufs“ des HPMA als Drohkulisse benutzt – bei anhaltender Defizitlage könnte sich die Frage stellen, ob das HPMA, das bisher „immer alles“ anbieten sollte, Dienste schließen und Personal entlassen muss. Eigentlich müsste der Regierungsrat sich auch mit diesem Problem auseinandersetzen.