Wer die Produktion von Cosmolux in Echternach besuchen will, muss erst einmal die Sicherheits- und Hygieneeinführung mitmachen. „Dies ist ein Seveso-Betrieb“, sagt der Sicherheitsbeauftragte formell. Seveso, nach der EU-Richtlinie, die seit dem Chemie-Unfall von 1976 in dem italienischen Dorf Seveso die Sicherheitsbestimmungen in Chemie-Anlagen regelt. In Echternach bedeutet das unter anderem Rauchverbot auf dem gesamten Gelände sowie das Tragen von Sicherheitsschuhen. Safety first. Im sogenannten „weißen“ Produktions- und Abfüllbereich, der nicht kontaminiert werden darf, muss außerdem ein Haarnetz getragen werden – sogar wenn keine Haare mehr vorhanden sind – sowie ein Kittel, jedweder Schmuck ist verboten und die Hände müssen desinfiziert werden.
Cosmolux ist ein Tochterunternehmen der Maxim Markenprodukte GmbH & Co. KG in Köln und stellt Kosmetikprodukte her. Chef der Maxim Markenprodukte ist der Unternehmer Dr Rolf Giesen. Giesen kam erst spät zur Kosmetikproduktion. Als junger Mann machte er eine Ausbildung zum Buchdrucker und arbeitete beim Axel Springer Verlag. Im Axel-Springer-Gebäude gab es einen besonderen Fahrstuhl, der dem Topmanagement vorbehalten war. „Bonzenheber“, nannten ihn deshalb die Mitarbeiter. Als der Portier Giesen einmal erklärte, er werde diesen Aufzug niemals benutzen, prägte sich das bei ihm ein. Er holte das Studium nach und erwarb einen Doktortitel. Und er machte sich selbstständig, er wurde sein eigener Vorgesetzter.
Die vom französischen Konzern Yves Rocher verlassene Produktionsanlage in Echternach kaufte er auf, nachdem ihm Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums darauf angesprochen hatten. Seit 2001 produziert Cosmolux International für die Gruppe Shampoo, Duschgel, Mund- und Gesichtswasser.
Weshalb es diese Produkte sind – Maxim Markenprodukte stellt beispielsweise auch Parfüms her und sogenannte „dekorative Kosmetik“, also Augen-Make-Up, Wangenpuder, Lippenstifte und Glosse – erklärt sich laut Betriebsleiter Thomas Koob durch die Logistik. Während andere Standorte der Gruppe auf das Befüllen von Spraydosen oder Tiegeln spezialisiert sind, werden in Echternach Tensidprodukte hergestellt, die in Plastikflaschen abgefüllt werden. Darauf sind die Abfülllinien ausgerichtet: auf das Befüllen von Plastikflaschen mit mehr oder weniger flüssigen Inhalten.
Die Abfüllanlage Nummer vier im weißen Bereich – die Maschine heißt Robomat – wird von drei Mitarbeitern bedient. Eigentlich packen sie vor allem die fertigen abgefüllten Flaschen für den Abtransport in Pappkartons, kontrollieren das Füllgewicht, entnehmen Muster für die Qualitätskontrolle. Doch nun steht die Maschine, eine Mitarbeiterin muss eingreifen, irgendetwas klemmt, eine Flasche hat sich quergelegt. Vorführeffekt – das sei ja typisch, wenn Besuch kommt, meint Koob.
Am Anfang der Linie steht ein großer durchsichtiger Behälter, der viele leere Flaschen enthält. In mehreren Reihen werden sie in Position gebracht und rutschen aufs Band, wo Behälter bereitstehen, die man Schuhe nennt. Die Schuhe, die je nachdem welche Flaschenform abgefüllt wird, ausgewechselt werden, stellen sicher, dass die Flaschen im richtigen Abstand auf dem Förderband stehen. Das ist wichtig, denn die Anlage füllt zwölf Flaschen gleichzeitig. Damit die Füllstutzen den Flaschenhals treffen, müssen die Flaschen an der richtigen Stelle stehen. Hinter der durchsichtigen Schutzwand senken sich die Stutzen im Takt. Wenn sie hochfahren, füllen sich die Flaschen mit Mundwasser, das über Edelstahlleitungen direkt aus den Lagertanks zur Anlage geleitet wird. Befüllt wird von unten nach oben. „Wegen der Luft,“ erklärt Koob. Über den Füllstutzen schalten Lichter von orange auf grün und zurück. Zwischen 90 und 100 Flaschen schafft die Anlage pro Minute, erzählt Koob. Mundwasser ist im Vergleich zu zäherem Duschgel oder Körperlotion sehr flüssig und lässt sich deshalb schnell abfüllen.
Die Flaschen gleiten weiter in ihren Stützschuhen übers Band. Eine horizontale Schraube verändert den Abstand dazwischen, denn an der nächsten Station werden die Schraubverschlüsse aufgesetzt. Dann werden die Flaschen von oben gepackt, fliegen ein Stück weit, die Schuhe fallen ab. „Wir könnten ja nicht etikettieren, wenn sie in den Schuhen blieben“, so die Erklärung des Werkleiters. Die Flaschen werden erneut ausgerichtet, damit die Etiketts keine Blasen werfen und an der richtigen Stelle kleben, sie fahren an den Klebebandrollen vorbei, die durch die Bewegung abgewickelt werden und: fertig abgefüllt ist das Mundwasser.
Nicht alle Anlagen sind in Betrieb; an einer wird Körperlotion abgefüllt, die aus einem großen eckigen Plastikbehälter daneben gepumpt wird. Ein angenehmer Crème-Geruch liegt in der Luft. Die Anlage kann gerade nicht über die Edelstahlleitungen unter der Decke gespeist werden, da sie nicht an ihrem richtigen Platz steht. Bei Cosmolux wird renoviert, deshalb müssen Lotions und Gele behelfsmäßig mit Containern zu den Abfüllanlagen gebracht werden. Thomas Koob findet die Zustände entwürdigend. „Das ist fast unmenschlich“, sagt er beim Blick auf die Plastikbehälter, in denen die fertigen Flüssigkeiten zwischengelagert werden müssen. Das macht Extraarbeit. „Aber was sollen wir machen? Wir können ja die Produktion nicht einfach einstellen.“ Und in ein paar Wochen sollen die Arbeiten abgeschlossen und alles wieder an seinem Platz sein. Darauf freut sich der Werkleiter.
An einer weiteren Anlage füllen Mitarbeiterinnen Gesichtswasser ab. Sogenanntes Mizellenwasser, das viele Hersteller anbieten. Frauen ist es als Wunderwaffe bei der abendlichen Gesichtsreinigung bekannt, da es Make-up-Entferner und Tonic in einem ist. Wie das von Cosmolux hergestellte Mizellenwasser heißt, und wo es verkauft wird, darf das Unternehmen nicht verraten. Denn die Firma ist vor allem auf Handelsmarken spezialisiert. Luxemburger Verbrauchern, die nicht beim Discounter einkaufen, ist das Prinzip der Handelsmarke durch die Cactus-Milch bekannt: Anstatt dass das Produkt unter dem Markennamen des Produzenten verkauft wird, wird es mit Namen und Logo der Kaufhauskette und dafür etwas günstiger verkauft.
Maxim-Markenprodukte und damit auch Cosmolux stellt Kosmetika und Pflegeprodukte für große Handelsketten, Drogeriemärkte und Discounter her, Marktsegmente, die von Unternehmen wie DM Drogeriemärkten, Rossmann und Aldi oder Liedl angeführt werden. Wo die Produkte verkauft werden? „Da, wo unsere Kunden Verkaufsstellen haben“, hält Koob an den Verschwiegenheitsklauseln fest, „in ganz Europa“, fügt er hinzu und nach kurzem Überlegen: „weltweit“.
Das vergangene Woche in Echternach für einen Discounter abgefüllte Mizellenwasser schnitt vor wenigen Monaten bei einer Prüfung der Stiftung Öko-Test mit dem Ergebnis „sehr gut“ ab. Im Laden kostet es keinen Euro. Die Reinigungsprodukte anderer Marken, wie beispielsweise La Roche Posay und Vichy, für die man in der Apotheke viel Geld bezahlt, erhielten im gleichen Test nur ein „ungenügend“.
Rund 300 verschiedene Einzelprodukte stellt Cosmolux im Zweischichtbetrieb an fünf Tagen die Woche mit 160 Mitarbeitern in Echternach her. Die Produktionsanlage verfügt über neun Mischer und 30 Lagertanks, in denen die fertigen Produkte zwischengelagert werden, bis sie abgefüllt werden. Die größten Mischer fassen zwölf Tonnen und strecken sich über eineinhalb Stockwerke in die Höhe. Ob ein kleiner oder großer Mischer gebraucht wird, hängt vom Produkt ab. Mit fünf Tonnen Mischung können tausende Dedorants abgefüllt werden, da die einzelnen Deo-Behälter meist nur 50 Milliliter fassen. Aber Bodylotion oder Duschgel wird in so großen Flaschen abgefüllt, dass es sich nicht lohnt, die Mischung in kleinen Kesseln anzusetzen – „sonst klebt mehr an der Mischerwand, als abgefüllt werden kann“, stellt Koob trocken fest.
Das Problem kennt, wer schon mal Teig angerührt hat und ihn dann nicht vollständig aus der Schüssel bekam. Tatsächlich geht es bei der Kosmetika-Herstellung ein wenig zu wie in der Küche. Manche Mischungen müssen erhitzt werden, um die Rohstoffe aufzulösen. Dann muss das Ganze ruhen und abkühlen, bis wieder neue Inhaltsstoffe beigemischt werden dürfen. Mal muss sich das Ganze setzen, damit die Luft entweichen kann.
In einem der Zwölf-Tonnen-Tanks wird eine schlumpfblaue Suppe schaumig gerührt. Es riecht wie beim Zähneputzen – wahrscheinlich wird hier eine neue Ration Mundwasser gebraut. Die Mischer geben reichlich Hitze ab. Davor stehen in glänzend polierten und beschrifteten Metallbehältern die fertig abgewogenen Zutaten. Auf einem steht „Kamille“. Ein Mitarbeiter öffnet das Bullauge oben auf dem Mischer und leert die Behälter hinein. Die blaue Suppe schäumt weiter.
Die Rezepturen sowie die Folge der verschiedenen Schritte beim Herstellungsprozess sind von den Kunden vorgegeben. Die Maxim-Gruppe berät Kunden auf Wunsch, arbeitet mit ihnen im deutschen Puhlheim Rezepturen aus und steht beim Verpackungsdesign mit Rat und Tat zur Seite. Qualitätssicherung spielt eine große Rolle, hebt Koob gerne hervor. Die ganze Produktionskette muss lückenlos nachvollziehbar sein. Die eingelagerten Rohstoffe werden im Labor kontrolliert, das Wasser gefiltert, und immer wieder werden Proben zur Laboranalyse entnommen. Mit der Artikelnummer auf den fertigen Produktflaschen kann der Kunde nachher nicht nur kontrollieren lassen, wann seine Körpermilch hergestellt wurde, Teil welcher Mischung sie ist, sondern wann und von wem die dafür gebrauchten Inhaltsstoffe angeliefert wurden.
„Manche der Anlagen sind 30 Jahre alt“, sagt Koob mit Blick auf die Mischer, die aus den Zeiten von Yves Rocher stammen. Die Anzeige und Reglertafeln haben eine Kalter-Krieg-Epos-Maschinenraum-Optik, die schön mit der zartrosa gestrichenen Stahlträgerkonstruktion harmoniert, die die Mischer hält; über all dem liegt ein Geruch wie frischgeduscht. „Aber sie funktionieren einwandfrei, da wäre doch schade, wenn die Maschinen nicht laufen würden“, fügt er hinzu.