DP, LSAP und Grüne einigten sich auf die Formulierung der vier Fragen für das Referendum vom nächsten Jahr

Reformeifer mit Einschränkungen

d'Lëtzebuerger Land du 26.09.2014

Am Montag dieser Woche beschlossen DP, LSAP und Grüne während einer gemeinsamen Konklave von Regierung und Parteien im Senninger Schloss noch einmal, was sie schon Ende November vergangenen Jahres beschlossen hatten. Sie einigten sich auf die vier Fragen, die Gegenstand einer Volksbefragung Mitte nächsten Jahres sein sollen und schon im Koalitionsabkommen aufgezählt sind: „le financement des ministres des cultes ; les droits politiques des concitoyens non luxembourgeois ; la participation des jeunes dès l’âge de 16 ans au processus politique ; la limitation dans le temps des mandats ministériels“.

Schon vor einem Jahr schloss die Regierungsmehrheit Fragen über die Ämterhäufung von Abgeordneten und Bürgermeistern aus oder, wie sie nun die Linke verlangt, über den Verfassungsstatus des Großherzogs. Dafür hatte sie CSV, ADR und die Linke vor 14 Tagen schriftlich eingeladen, bis in der ersten Oktoberwoche Vorschläge für weitere Fragen einzureichen, die in dem Referendum gestellt werden könnten. Aber die Chancen sind gering, dass der von der Regierungsmehrheit dominierte parlamentarische Ausschuss der Institutionen und Verfassungsrevision noch andere Fragen zulässt. Bisher hat noch keine Partei geantwortet, so Alex Bodry (LSAP), der Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses, am Montag.

In Senningen verabschiedete man vor allem die einschränkenden Bedingungen, unter denen Ausländer an Kammerwahlen teilnehmen dürfen und unter denen die Mandatsdauer von Regierungsmitgliedern begrenzt werden soll. Die vier Fragen sollen nächsten Monat im parlamentarischen Ausschuss juristisch bindend in den drei offiziellen Sprachen Luxemburgisch, Französisch und Deutsch ausformuliert werden. Dann werden sie Gegenstand eines vom Parlament eingebrachten Gesetzesvorschlags, der auch das endgültige Datum der Volksbefragung enthalten muss. Die Regierung denkt an Mai oder Juni kommenden Jahres, ohne in die Pfingstferien fallen zu wollen, die vom 23. bis 31. Mai stattfinden.

„Soll die Mandatsdauer von Regierungsmitgliedern auf zehn aufeinanderfolgende Jahre beschränkt werden?“, lautet nun eine der vier Referendumsfragen, wie Alex Bodry sie am Montag im Namen von DP, LSAP und Grünen formulierte. Die Idee einer Begrenzung der Mandatsdauer von Regierungsmitgliedern hatte LSAP-Spitzenkandidat Étienne Schneider im Wahlkampf verbreitet, weil auch in der Privatwirtschaft Führungskräfte binnen zehn Jahren „ihre beste Milch gegeben“ hätten. Eine zeitliche Beschränkung der Mandatsdauer trifft vor allem die CSV, welche als stärkste Partei die Gelegenheit verlöre, über mehrere Legislaturperioden hinweg einen Premierminister als unverrückbaren Landesvater aufzubauen (d’Land, 15.8.14).

Die Regierungsmehrheit machte nun am Montag einen Rückzieher und schlug zwar vor, die Mandatsdauer auf zehn aufeinanderfolgende Jahre – meist zwei Legislaturperioden – zu beschränken, doch nach einer noch zu bestimmenden Pause soll dann ein ehemaliges Regierungsmitglied erneut Minister oder Staatssekretär werden dürfen – beste Milch hin oder her. Dies knüpft an das Regierungsmodell der Goldenen Dreißiger an, als LSAP und DP sich als Koalitionspartner an der Seite der CSV abwechselten und ihre Minister dazwischen eine Oppositionszeit im Parlament verbrachten. Außerdem soll die Regelung verhindern, dass kleine Parteien binnen zwei Legislaturperioden ihr gesamtes Spitzenpersonal verheizen, insbesondere, wenn sie auch noch einen Geschlechterproporz berücksichtigen wollen.

Da in der Verfassung keine Rede von den Mandaten der Regierungsmitglieder geht, ist weder eine Verfassungsänderung, noch eine entsprechende Volksbefragung notwendig, um die Mandats­dauer zu beschränken. Alex Bodry meinte allerdings am Montag, dass die Frage im Referendum trotzdem angebracht sei, da es um eine Einschränkung des verfassungsmäßigen Vorrechts der Großherzogs zur Regierungsbildung gehe.

Doch die Frage nach einer Begrenzung der Mandatsdauer könnte jene sein, die beim Referendum die größte Zustimmung erreichen wird. Denn in einer von TNS Ilres für RTL und Luxemburger Wort durchgeführten Meinungsumfrage im Dezember vergangenen Jahres sprach sich eine überwältigende Mehrheit von 77 Prozent der Befragten für eine Begrenzung der Mandatsdauer von Politikern aus, nur 18 Prozent waren dagegen.

„Sollen 16- bis 18-Jährige sich fakultativ in die Wählerlisten eintragen dürfen, um das aktive Wahlrecht bei allen Wahlen zu erhalten?“ Die Senkung des in Artikel 52 der Verfassung festgesetzten Wahlalters um zwei Jahre durch DP, LSAP und Grüne soll die Antwort auf die 2003 beschlossene Erhöhung des Pflichtwahlalters um fünf Jahre durch die CSV sein. Von dieser Änderung des Wahlgesetzes profitiert seither die CSV, welche überdurchschnittlich oft von Leuten im Rentenalter gewählt wird. Nun wollen DP, Grüne und LSAP die CSV alt aussehen lassen und sich ein ­neues Wählerreservoir erschließen. Seit 20 Jahren bringen Abgeordnete von LSAP und DP in diesem Sinn Gesetzesvorschläge zur Senkung des Wahlalters im Parlament ein, der letzte wurde vor drei Jahren von CSV und LSAP abgewiesen. Der Staatsrat hatte eine Senkung des Wahlalters abgelehnt, weil Minderjährige nur beschränkt rechtsfähig sind.

Die am Montag beschlossenen Einschränkungen bei der Senkung des Wahlalters standen schon in dem einen oder anderen Wahlprogramm: Es geht einerseits lediglich um das aktive Wahlrecht; um zu kandidieren, muss man auch künftig mindestens 18 Jahre alt sein. Für Minderjährige gilt andererseits der Wahlzwang nur eingeschränkt: Sie sollen ab 16 Jahren das Recht, aber nicht die Pflicht bekommen, sich in die Wählerlisten einzutragen. Ließen sie sich eintragen, müssten sie allerdings dann auch wählen gehen. Der Einfluss auf das Wahlergebnis dürfte aber gering sein, da nur ein Teil der betreffenden Altersgruppe sich in die Wählerlisten eintragen ließe und binnen der zwei Jahre bis zu ihrer Volljährigkeit oft überhaupt keine Wahlen stattfänden.

„Soll der Staat weiterhin durch die Verfassung verpflichtet werden, sämtliche Kosten der Priestergehälter und -pensionen zu tragen?“ In dieser am Montag von Alex Bodry vorgestellten Formulierung besteht jede Menge Spielraum für einen Kompromiss zwischen der Regierung und dem Erzbistum. Denn sie lässt sowohl die Übernahme eines Teils statt der Gesamtheit der Gehälter und Pensionen durch den Staat zu wie auch die Finanzierung mittels einer neuen vom Staat erhobenen Kirchen- oder „Weltanschauungssteuer“ (d’Land, 12.9.14).

Premierminister Xavier Bettel (DP) meinte am Montag, dass die Regierung in den kommenden Monaten weiter mit den Glaubensgemeinschaften über deren Finanzierung diskutieren werde. Er ließ aber offen, ob sie in der Lage sein wird, noch vor dem Referendum eine neue Finanzierungsform vorzuschlagen. Davon kann aber die Entscheidung eines Teils der Wähler abhängen.

In einem Interview mit der Katholischen Nachrichteagentur drohte Erzbischof Jean-Claude Hollerich vergangene Woche mit einem „Kulturkampf“ und warnte, das Erzbistum ginge binnen drei Jahren in Konkurs, wenn der Staat seine in Artikel 106 der Verfassung festgelegte Finanzierung der Priestergehälter ersatzlos einstellte. Die Idee einer neuen Finanzierungsform für die Priestergehälter könnte trotzdem beim Referendum eine deutliche Mehrheit erzielen. Denn in einer von TNS Ilres für RTL und Luxemburger Wort durchgeführten Meinungsumfrage im Dezember vergangenen Jahres sprachen sich 68 Prozent der Befragten dafür aus, dass der Staat seine Konventionen mit verschiedenen Kirchen aufkündigt, um das Verhältnis von Staat und Kirchen zu reformieren, 25 Prozent waren dagegen.

„Sollen Ausländer das aktive Legislativwahlrecht nach zehn Jahren Aufenthaltsdauer und der Teilnahme an einer Gemeinde- oder Europawahl erhalten?“ Zu dieser Frage beschloss die Regierungsmehrheit die meisten Einschränkungen, um ein Maximum an zögernden Wählern für das Anliegen zu gewinnen. Sie will aber auch die Bedenken in den eigenen Reihen zerstreuen, die der rechte Flügel der DP hat, und die sogar beim OGBL laut wurden. Zudem will sie der CSV entgegenkommen, die sich derzeit in ihrer Ratlosigkeit darauf beschränkt, Angst vor einer „Spaltung der Gesellschaft“ zu schüren, weil sie nicht gegen eine Revision von Verfassungsartikel 52 stimmen könnte, wenn eine Mehrheit der Wähler sie im Referendum verlangte.

Die drei Regierungsparteien stellten am Montag klar, dass es ihnen, ähnlich wie bei den Gemeindewahlen, um das Wahlrecht auch für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten geht, etwa von den Kapverdischen Inseln und aus dem zerschlagenen Jugoslawien. Doch anders als bei den Gemeinde- und Europawahlen soll das Ausländerwahlrecht auf das aktive Recht beschränkt werden, Abgeordnete anderer Staatsangehörigkeit bleiben undenkbar. Dann wird eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren zur Bedingung gemacht, um, wie die CSV es wünscht, Ausländer zu ermutigen, lieber die Staatsbürgerschaft zu beantragen, wozu nur eine Aufenthaltsdauer von sieben und vielleicht bald bloß fünf Jahren vorgeschrieben ist. Durch diese Hürden entsteht allerdings der Eindruck, dass das aktive Wahlrecht ein höheres Rechtsgut als die Staatsbürgerschaft sei.

Die geplante Aufenthaltsklausel soll zudem noch dadurch verschärft werden, dass Antragsteller zuvor schon die Aufnahme in die Wählerlisten zu den Europa- oder Gemeindewahlen beantragten und an einer solchen Wahl teilgenommen haben. Dadurch würde der Anteil der ausländischen Wähler bei Kammerwahlen auf wenige Prozent der eingeschriebenen Wähler beschränkt, um alle Überfremdungsängste zu zerstreuen.

Denn das Ausländerwahlrecht bei den Legislativwahlen war jahrzehntelang ein politisches Tabu, das erst vor zwei Jahren Unternehmerverbände und Wirtschaftsminister Étienne Schneider brachen. Ihnen ging es vor allem darum, den Einfluss der Beamten in der Wählerschaft und damit der Politik zurückzudrängen, weil sie diese für hinderlich bei der Liberalisierung und Deregulierung der Wirtschaft hielten.

Die Frage des Ausländerwahlrechts könnte beim Referendum zu dem knappsten Ergebnis führen. Dies lässt jedenfalls eine von TNS Ilres für RTL und Luxemburger Wort durchgeführte Meinungsumfrage im September vergangenen Jahres vermuten. Dabei sprach sich eine knappe Mehrheit von 52 Prozent der Befragten dafür aus, dass auch Ausländer bei Legislativwahlen wählen dürfen, 46 Prozent waren dagegen. Bezeichnenderweise hatte nur ein Prozent keine Meinung. Aber die grüne Fraktionsvorsitzende Viviane Loschetter meinte am Montag in Senningen, dass die gesellschaftspolitischen Reformen der letzten Jahre gezeigt hätten, dass die Gesellschaft oft aufgeklärter sei als die Politik, welche der Gesellschaft bisher bloß hinterherliefe.

Romain Hilgert
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