Am Mittwoch verabschiedete das Parlament mit überwältigender Mehrheit die Eherechtsreform, zu der auch das Eherecht für gleichgeschlechtliche Paare gehört. Wie groß die öffentliche Unterstützung für diese Reform ist, zeigte sich auch daran, dass eine elektronische Unterschriftensammlung gegen das Gesetz bis zum Wochenende nur 3 187 Unterschriften erreichte. Damit wurde das erforderliche Quorum von 4 500 Unterschriften verpasst, durch das es zu einer öffentlichen Anhörung im Parlament und damit möglicherweise zu einer Verzögerung bei der Verabschiedung des Gesetzes gekommen wäre.
Trotzdem hatte die Kammer noch am Montag eine abgeänderte Fassung der Tagesordnung verschickt, auf der die Reform des Eherechts mit der Fußnote versehen war, dass sie davon abhänge, ob besagte Petition das Quorum erreiche. Denn nachdem bereits Mitte Mai eine Verlängerung der Unterzeichnungsfrist gewährt worden war, hatten die Initiatoren am Wochenende eine weitere Verlängerung verlangt und dann Unterschriften auf Papierformularen nachgereicht. Nach einigem Hin und Her sagte die Präsidentenkommission trotzdem Nein, weil sie angesichts des Erfolgs der neuen Petitionsprozedur keinen Präzedenzfall schaffen wollte.
Das zögerliche Vorgehen der Präsidentenkommission und des Petitionsausschusses des Parlaments erklärte sich dadurch, dass die Regierungsmehrheit bei dieser für sie wichtigen Reform sich auf keinen Fall nachsagen lassen wollte, ihre Kritiker mundtot zu machen. Ein anderer Grund ist aber auch, dass die rechtliche Grundlage der neuen Petitionsprozedur noch nicht gefestigt ist. Der entsprechende Artikel 155-bis des Kammerreglement liegt erst als Änderungsantrag vor.
Doch noch ehe die Prozedur Eingang ins Kammerreglement findet, stellen sich bereits alle Parteien die Frage, wie durchdacht sie ist. Denn spätestens die Unterschriftensammlung gegen die Eherechtsreform zeigt, dass die neuen Petitionen nicht nur den Bürgern – zumindest jenen mit Internetanschluss – eine Ausdrucksmöglichkeit geben, sondern auch genutzt werden können, um die Verabschiedung von Gesetzen zu behindern. Wenn ein Gesetz auf die Tagesordnung des Plenums kommen soll, kann eine Einzelperson auf der Webseite des Parlaments rasch eine Unterschriftensammlung beantragen. Falls sie auf Vorschlag des Petitionsausschusses von der Präsidentenkonferenz gutgeheißen wird, können sich die Parlamentarier als gute Demokaten gezwungen fühlen, die Verabschiedung des Gesetzes um die anderthalb Monate aufzuschieben, während welcher Unterschriften gesammelt werden dürfen. Kommt die Petition binnen dieser Frist auf 4 500 Unterschriften, dürfte danach auch noch bis zur öffentlichen Anhörung gewartet werden. Das hatten die Abgeordneten so nicht bezweckt. Ein wenig erinnert die Situation an das Referendumsgesetz. Dieses hatte bekanntlich im Zusammenhang mit der Euthanasiereform einem Stammtisch von fünf Personen erlaubt, in allen Gemeinden eine Prozedur auszulösen, um Unterschriften für eine Volksbefragung zugunsten des Großherzogs zu sammeln.
Man darf sich fragen, wieso bei allen Anstrengungen zur Förderung der Demokratie und Bürgerbeteiligung die Prozeduren der Referenden und Petitionen so wenig durchdacht sind. Fast sieht es wie eine Panikhandlung aus: Zu einem Zeitpunkt, da das Parlament zunehmend entmachtet wird, sein wichtigstes Vorrecht zur politischen Gestaltung, die Verabschiedung der Staatsfinanzen, im Zuge von Europäischem Semester, Two-Pack, Six-Pack, Fiscal Compact und Defizitbremse verliert, scheint es verzweifelt eine großzügige Runde direkte Demokratie schmeißen zu wollen, um den demokratischen Schein zu wahren. Nun scheint sie ihm vielleicht etwas zu großzügig geraten.