Die Wahl von Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA dürfte Veränderungen in der Wirtschaftspolitik der USA mit sich bringen, die Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben könnten. Der Demagoge wurde zwar von vielen Arbeitern und kleinen Angestellten gewählt, aber die Börsenanleger jubeln.
Zuerst widerlegt der Wahlsieg einige liebgewonnene Vorstellungen darüber, wie Leute überlegen, die Geld gewinnbringend anlegen wollen. So heißt es hierzulande schon frühmorgens im Radio, und im Laufe des Tages bestätigen es Leitartikler, Chief economists und andere Experten in besorgtem Ton, dass „die Märkte“ nichts mehr hassen als Unsicherheit. Weshalb die Veranstaltung freier und geheimer Wahlen alle paar Jahre mit der damit verbundenen Ungewissheit über ihren Ausgang an eine verantwortungslose Bedrohung des empfindlichen Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage zu grenzen scheint.
Nun war selten die Unsicherheit angesichts des weiteren Vorgehens eines Präsidenten größer als nach der Wahl von Donald Trump. Er übernimmt das Amt völlig unvorbereitet, da er kaum mit seiner Wahl gerechnet hatte. Viele seiner im Wahlkampf verbreiteten Ideen sind so haarsträubend, dass sie nur unter hohen Kosten und großen Risiken zu verwirklichen sind. Trotzdem blieb die als Reaktion auf seine Wahl vielfach angekündigter Börsenpanik oder wenigstens ein massiver „Trump discount“ aus. Im Gegenteil: Nach einem kurzen Schreckmoment in der Wahlnacht begannen die Börsenkurse, trotz aller Ungewissheiten, zu steigen, am Dienstag dieser Woche übertraf der Dow-Jones-Index erstmals die 19 000-Marke. Der Preis für Gold, die sichere Anlage in unsicheren Zeiten, fiel um über 100 Dollar.
Ebenso eindringlich wurden wir jahre-, jahrzehntelang davor gewarnt, dass nichts einer Volkswirtschaft größeren Schaden verursache als ein Staatsdefizit und die zu seiner Finanzierung nötige Staatsschuld. Doch Donald Trump versprach im Wahlkampf, die Steuern zu senken sowie gleichzeitig die Infrastruktur- und Militärausgaben zu erhöhen, so dass ein Anstieg des Staatsdefizits und der Staatsschuld zu erwarten ist, ohne dass die Anleger ihm bisher ihr Misstrauen ausgedrückt hätten.
Jahrzehntelang wurden wir auch davor gewarnt, dass nichts einer Volkswirtschaft größeren Schaden verursache als die Inflation – auch wenn die Europäische Zentralbank inzwischen mit dem Mut der Verzweiflung sowie mit Negativzinsen gegen die Deflation kämpft. Doch auch wenn die steigende Staatsschuld die Zinsen und möglicherweise höhere Einfuhrzölle und der teurere Dollar die Inflation erhöhen dürften, ermutig das viele Anleger trotzdem zum Aktienkauf.
Die Anleger, die Präsident Barack Obama nie sonderlich dankbar für die Rettung der Banken und die lange, wenn auch schwache Aufschwungphase waren, sind sich binnen kurzer Zeit bewusst geworden, dass der Immobilien-Mogul Donald Trump zwar ein unberechenbarer Scharfmacher ist, aber einer von ihnen: Er will die Steuern der Großverdiener um 14 Prozent senken, in ausländischen Steuerparadiesen (sic) gehortete Gewinne mit einer bloß zehnprozentigen Versteuerung die Heimführung erleichtern, Bau- und Rüstungsaufträge in Billionenhöhe vergeben, die gesetzlichen Auflagen der Banken, Energie- und Pharmaindustrie lockern und ausländische Einfuhren behindern.
Die verbesserten Profitaussichten vergrößern die Nachfrage nach Aktien und erhöhen deren Preis. Wovon auch die in Luxemburg angemeldeten Investitionsfonds und nachgeschaltet die Staatskasse profitieren dürften. Daneben soll das steigende Staatsdefizit die Renditen für die Käufer von Staatsanleihen erhöhen. Das alles könnte Anleger hierzulande dazu bewegen, Anteile an Fonds mit US-Wertpapieren zu kaufen und sich nicht auf Aktien aus dem Silicon Valley zu beschränken.
Die erfahreneren Anleger erinnert Donald Trump sowieso an Ronald Reagan, nicht wegen seiner beschränkten geistigen Fähigkeiten, sondern wegen dessen Steuersenkungen, Deregulierung und Rüstungsausgaben. Die Reaganomics, zu denen auch die Schwächung der Gewerkschaften und die Senkung der Reallöhne gehörten, waren zwar von Kritikern als „Voodoo economis“ lächerlich gemacht worden, aber sie machten die Reichen unter dem Vorwand einer zynischen „trickle down theory“ deutlich reicher.
In den Augen der ihm vertrauenden Anleger steht Donald Trump nicht nur für Steuersenkungen und staatliche Investitionen, sondern auch für mehr Inflation und eine Beschleunigung der lang erwarteten „Zinswende“. Im Wahlkampf hatte er der Zentralbankvorsitzenden Janet Yellen vorgeworfen, die Zinsen künstlich niedrig zu halten, um im Interesse von Präsident Barack Obama einen „artificial stock market“ zu unterhalten. Doch selbst die Aussicht auf steigende Zinsen, die Investitionen verteuern, schrecken die Aktienkäufer nicht mehr ab.
Steigende Zinsen in den USA wirken sich auch auf das Zinsniveau in Europa aus, obwohl die Europäische Zentralbank unter dem Protest des Luxemburger Direktionsmitglieds Yves Mersch weiter gegenzusteuern versucht. Die Aussicht auf steigende Zinsen lassen enttäuschte Kleinsparer dann auch hierzulande neue Hoffnung schöpfen, dass ihre Termin- und Sparkonten nominal oder gar real wieder einmal besser verzinst werden – und die Banken, dass ihre Margen wieder zunehmen.
Donald Trump sieht nicht so aus, als ob er sich dafür entschuldigen würde, dass er alles – Austerität, ausgeglichene Staatsfinanzen, Freihandel – mit Verachtung straft, was der offiziellen Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union hoch und heilig ist, aber nur mäßigen Erfolg beschert. Und die Schmach könnte um so schmerzlicher sein, wenn der Wirtschaftsnobelpreisträger und gnadenloser Clinton-Wahlkämpfer Paul Krugman Recht behält, dass möglicherweise „economic growth actually accelerates for a couple of years“ (New York Times, 15.11.16) Natürlich warnen alle, dass Donald Trumps „Party“ einmal zu Ende gehen wird wie Ronald Raegans. Aber mittel- und langfristig vorauszuschauen, war nie die Stärke eines Wirtschaftssystems, das bestenfalls in Quartalen plant.