Wirtschaftsminister Etienne Schneider erzählt davon seit Monaten: Solarstrom komme viel zu teuer zu stehen. Ein Megawatt „konventionellen“ Stroms koste 60 Euro und ein Megawatt Windstrom 82 Euro. Dagegen koste das Megawatt aus Fotovoltaik über 350 Euro. Und das, obwohl die Preise für die Solarmodule seit dem Jahr 2000 um den Faktor drei gesunken sind. Schneiders Schlussfolgerung: „Wir bremsen bei der Fotovoltaik und bauen vorrangig die Windkraft aus.“
Zuletzt machte der LSAP-Minister diese Rechnung vor zwei Wochen auf der Feier zum zehnjährigen Bestehen von Eurosolar Luxemburg auf. Die anwesenden Solarpioniere reagierten indigniert, kannten den Ansatz des Ministers aber schon. Denn Ende des Jahres treten die geltenden Förderregeln für erneuerbare Energien planmäßig außer Kraft. Was danach kommt, ist noch unbekannt; bis zu den Sommerferien will Schneider dem Regierungsrat einen Entwurf unterbreiten. Kund getan hat er aber schon so viel: Solarstromanlagen mit einer Spitzenleistung von mehr als 30 Kilowatt sollen künftig überhaupt nicht mehr gefördert werden.
Droht eine Neuauflage der Fotovoltaik-Skandaldiskurse aus dem Jahr 2004? Damals hatte Premier Jean-Claude Juncker (CSV) höchstpersönlich festgestellt, dass die Solarstromförderung viel zu hoch sei und „Missbrauch“ damit getrieben werde. Das aber hing weniger damit zusammen, dass das DP-geführte Umweltministerium unter Charles Goerens und Eugène Berger dem Großherzogtum zu einer Förderverordnung verholfen hatte, nach der Investitionen in Fotovoltaikanlagen zu 50 Prozent vom Staat bezuschusst wurden und für jede ins öffentliche Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde ein Vorzugpreis von 20 Franken garantiert war – und zwar für 20 Jahre. Die Regeln von damals hatten insbesondere auch für „Kollektivanlagen“ gegolten. Dabei konnten alle Mitglieder eines Haushalts, von den Eltern über die Kinder bis zu den Großeltern, jeweils für sich Förderleistungen geltend machen. Vor allem Landwirte mit großen Scheunendächern nutzten das. Allein zwischen 2001 und 2002, als die Regeln in Kraft traten, verzehnfachte sich die Solarstrom-Anschlussleistung. 2003 verzehnfachte sie sich ein weiteres Mal und stieg 2004 noch einmal um rund 50 Prozent. Damit war Luxemburg Solarstromweltmeister in der Pro-Kopf-Leistung geworden.
Heute sind die Umstände ganz ähnlich. So hoch wie damals ist die Förderung zwar nicht mehr, und die Kollektivanlagen-Klausel wurde schon 2004 aus dem Reglement gekippt. Aber wie damals geht es um größere Installationen. Dass die Förderung für Anlagen über 30 Kilowatt entfallen soll, muss den Besitzer eines Einfamilienhauses nicht unbedingt kümmern. Der hat auf seinem Dach allenfalls Platz, um es mit einer Handvoll Kilowatt zu bestücken. Nicht mal für jeden Bauernbetrieb müsste die Solarstromproduktion völlig uninteressant werden: Beim derzeitigen Wirkungsgrad der Anlagen, der für die preiswertesten Silizium-Module bei 15 Prozent liegt, müssen schon an die 200 Quadratmeter Dachfläche zur Verfügung stehen, um 30 Kilowatt zu installieren.
Es sind die Installationen von bis zu einem Megawatt, die Schneider „bremsen“ will. Eine solche Anlage würde an die 6 700 Quadratmeter Fläche benötigen und müsste vielleicht auf mehrere Hallendächer verteilt werden. Aus ihr ließe sich der Jahresstrombedarf von 225 Vierpersonenhaushalten decken. Doch: Als die aktuellen Förderregeln 2008 in Kraft traten, hielt im Grunde niemand so große Anlagen für rentabel. Das scheint heute anders zu sein, obwohl schon seit 2008 keinerlei Investbeihilfe vom Staat mehr erhält, wer mehr als 30 Kilowatt installiert. Allerdings sind die Solarmodulpreise allein in den letzten beiden Jahren um über 60 Prozent gefallen. Und während die Statistik der Regulierungsbehörde ILR nur bis 2010 verfügbar ist und einen Zuwachs andeutet, aber noch keinen Boom, berichten Handwerksbetriebe: Die Auftragslage für Solarstrom im großen Stil werde immer besser.
Der Wirtschaftsminister sieht das deshalb als Problem, weil im Moment auch für die großen Anlagen mit bis zu einem Megawatt Spitzenleistung ein Einspeisepreis garantiert ist. Der liegt zwar zwölf Prozent unter dem für die Kategorie bis 30 Kilowatt, und überdies fällt der garantierte Tarif in beiden Kategorien mit jedem Jahr. Eine kleine Anlage, die 2008 ans Netz ging, erhielt 42 Cent pro Kilowattstunde garantiert; für eine dieses Jahr angeschlossene sind es nur noch 37 Cent. Bei den großen waren es 37 Cent im Jahr 2008 und sind es 32,6 Cent heute.
Ob das zu viel sei, ist nicht mal ein Streitpunkt zwischen Schneider und Eurosolar: „Wir haben dem Minister gesagt, man könne diesen Tarif noch weiter senken und für mehr Degressivität sorgen“, sagt Eurosolar-Präsident Henri Kox dem Land. „Wir haben auch vorgeschlagen, dass man ein Gremium schaffen könnte, das die Preisentwicklung der Solarmodule überwacht und die Einspeisetarife regelmäßig anpasst.“ Da der Preisverfall der Module so dramatisch war, könne man ohne weiteres für die kleinen Anlagen die staatliche Investbeihilfe streichen, meint Kox.
In eine ähnliche Richtung argumentiert die Handwerkskammer. „Man sollte den garantierten Einspeisetarif für die großen Anlagen der Marktentwicklung anpassen“, sagt Christian Reding, Berater bei der Handwerkskammer. Die Garantie abzuschaffen, wie Schneider es angekündigt hat, hätte zwangsläufig Auswirkungen auf die Betriebe. Verschiedene Firmen hätten Projekte von 500 Kilowatt und mehr in der Pipeline. Und wenngleich nach einer Abschaffung der Einspeiseprämie für die großen Anlagen noch das Segment der kleinen bliebe, könne ein totaler Schnitt bei den großen womöglich Jobs kosten.
Doch die garantierten Einspeisepreise werden aus dem „Kompensationsfonds“ finanziert. Über ihn legen die Stromversorger, die laut EU-Recht verpflichtet sind, Strom aus erneuerbaren Quellen aufzukaufen, die dafür entstandenen Mehrkosten gegenüber dem Marktpreis auf die Verbraucher um. Gegenwärtig zahlt jeder Haushalt pro Kilowattstunde Strom 0,12 Cent in den Kompensationsfonds ein. Für einen Vierpersonenhaushalt mit einem Verbrauch von 4 000 Kilowattstunden im Jahr wächst die Jahresstromrechnung dadurch um 48 Euro.
Den Kompensationsfonds nicht zu stark anwachsen lassen zu wollen, ist für Etienne Schneider wie für seine beiden Vorgänger das Hauptargument, die Solarstromerzeugung im Land zu bremsen. Allerdings lag im Jahr 2010 – so weit reicht die Statistik des ILR zurück – der Solar-Anteil im Kompensationsfonds noch immer klein: Von den 25,5 Millionen Euro, die der Fonds 2010 bei den Verbrauchern einnahm, gingen nur knapp 1,9 Millionen auf die Solarstromproduktion zurück – das Gros mit 19,5 Millionen wurde für Blockheizkraftwerke fällig, die Strom und Wärme produzieren. Damit entfiel weniger als ein Prozent im Fonds auf Fotovoltaik, rechnete Eurosolar auf seiner Geburtstagsfeier dem Minister vor.
Das aber will Etienne Schneider ändern. Denn noch schleppt der Staatshaushalt die „Altlast“ aus der Solar-Gründerzeit mit sich, als Luxemburg im Geld schwamm, die Regierung eine allgemeine Steuersenkung spendierte und es nicht schlimm fand, die Einspeisepreisgarantie nicht über einen Kompensationsfonds bezahlen zu lassen, sondern aus dem Staatshaushalt. Da diese Garantie für 20 Jahre gegeben wurde, sind noch heute im Budget 12 Millionen Euro für die Prime d’encouragement von damals vorgesehen, und dabei dürfte es bis 2022 bleiben – würde nicht, wie der Wirtschaftsminister sich das vorstellt, auch diese Ausgabe dem Kompensationsfonds übertragen. Hätte das schon 2010 gegolten, wäre der Fonds um rund die Hälfte teurer gewesen und der Solaranteil sieben Mal höher.
So dass das angekündigte Bremsmanöver wohl in erster Linie eine fiskalische Maßnahme ist und weniger eine energiepolitische. Zumal der Wirtschaftsminister auch erklärt, „später“ werde Luxemburg wieder „groß“ in die Fotovoltaik einsteigen. Ab 2018 etwa, wenn hierzulande neu gebaute Häuser „Positivenergiebauten“ sein und mehr Energie produzieren sollen, als in ihnen verbraucht wird. Dass man dann nicht nur auf jedem Dach thermische Solarkollektoren zur Warmwasserbereitung braucht, sondern auch Solarstrompanels, sieht auch Etienne Schneider so. Weshalb auch nicht: „Die Behauptung, das Solarpotenzial in Luxemburg sei zu klein, stimmt so nicht“, sagt Susanne Siebentritt, Inhaberin des TDK-Fotovoltaiklehrstuhls an der Universität Luxemburg. Die Internationale Energieagentur habe schon vor Jahren in einer Studie gezeigt, dass in Deutschland und den Niederlanden 30 Prozent des Stromverbrauchs durch Solaranlagen gedeckt werden könnten. „Das kann man auch für Luxemburg annehmen. Und damals war der Wirkungsgrad der Anlagen wesentlich kleiner als heute.“
Aber der Preis für den Solarboom? 2010 bezahlte der Endverbraucher für die Fotovoltaikförderung 0,13 Cent auf seiner verbrauchten Kilowattstunde; das war weniger als ein Promille zusätzlich zum Strompreis. Wäre schon damals die Ausgabe aus dem Staatshaushalt auf den Kompensationsfonds umgelegt worden, wären es sechs Promille mehr gewesen.
Mehr zu nehmen, ist natürlich eine politische Frage. Dabei sieht der Wirtschaftsminister sich auch der Industrie gegenüber, von der nur die größten Verbraucher einen gedeckelten Beitrag zum Fonds zu zahlen haben. Aber andererseits fragt sich auch, ob Luxemburg tatsächlich mit vor allem mehr Windkraft, wie Etienne Schneider meint, seine EU-verbindlichen Ziele für erneuerbare Energien wird erreichen können. Noch steht die große Debatte um die Windkraft und welche „Ärgernisse“ sie verursachen könnte, aus. Das ist es, was Eurosolar dem Wirtschaftsminister am meisten vorwirft: „Etienne Schneider diskutiert die erneuerbaren Energien nicht im Zusammenhang“, sagt Henri Kox. Er habe seine neuen Ideen zur Förderung nie mit den Akteuren aus allen Branchen von Solar über Wind bis Bioenergie gemeinsam diskutiert, habe ihre Vertreter stets einzeln empfangen. Schneider handle, findet Kox, „im Grunde noch immer wie der Chairman von Enovos und der SEO“.