Bei Wasser, O-Saft und Sekt stellten Déi Gréng vergangenen Donnerstag im Nachtclub Melusina locker flockig ihre Kandidaten für die vorgezogenen Kammerwahlen am 20. Oktober vor. Dafür hatten Déi Gréng extra Showmaster Fred Neuen engagiert, der die Spitzenkandidaten-Challenge moderierte. Die Challenge bei der Challenge: binnen 60 Sekunden sich selbst und die eigenen Prioritäten vorstellen. Dass déi Gréng den eigenen Spitzen-Kandidaten die Zeit rationierten, lag wohl auch daran, dass es deren ganze acht gibt – jeweils eine Frau und ein Mann pro Wahlbezirk. Oben auf der Liste stehen im Osten Henri Kox (Abgeordneter und Bürgermeister in Remich) und Carole Dieschbourg (Mühlenbetreiberin aus Echternach); im Norden Camille Gira (Abgeordneter und Bürgermeister in Beckerich) und Christiane Wickler (Unternehmerin aus Angeldorf); im Zentrum François Bausch und Viviane Loschetter (beide Abgeordnete und Schöffen in der Hauptstadt) sowie im Süden Felix Braz (Abgeordneter, Esch) und Josée Lorsché (Abgeordnete und Schöffin in Bettemburg). Ob es daran lag, dass déi Gréng ihr Wahlprogramm noch nicht festgelegt hatten? Dass die Redezeit so knapp war? Oder daran, dass die Grünen möglichen Koalitionspartnern nicht schon in dieser frühen Phase des Wahlkampfs auf die Füße treten wollen? Kontroverse Themen wurden jedenfalls kaum ins Feld geführt. Wer ist schon offen gegen die Anti-Atomkraftbewegung; gegen erneuerbare Energien, von denen Henri Kox und Camille Gira sprachen? Wer ist gegen die Schaffung und die Absicherung von Arbeitsplätzen auf lokaler und regionaler Ebene (Carole Dieschbourg) oder dagegen, dass der Rechtsrahmen eine ökologische Wirtschaftsentwicklung fördert (Christiane Wickler)? Oder gegen frühkindliche Förderung (Josée Lorschée) und eine bessere Berufsausbildung (Viviane Loschetter)? Dass sich die Grünen alle Optionen offen lassen, wurde auch durch den behutsamen Umgang mit Staatsminister Jean-Claude Juncker (CSV) beziehungsweise der Srel-Affäre deutlich. Die sprach Felix Braz – Stichwort: Gouvernance – zwar an, allerdings mit betont positiven Botschaften: „Das Parlament hat seine Rolle wahrgenommen.“ Und wenn François Bausch heutzutage „unser Modell“ in Frage stellt, das auf den Dienstleistungssektor aufbaut und „uns schnell reich gemacht hat“, ist das angesichts der Konjunkturdaten kaum noch schockierend. Die Grünen-Forderung nach moderaterem Wachstum ist durch die Konjunkturlage überholt. Von sozialen Einschnitten, wie sie der Unternehmerverein 5vir12 verlangt, dem sowohl Christiane Wickler wie Zentrumskandidatin Françoise Folmer angehören, wollte man die Kundschaft aus der bürgerlichen Mittelschicht, den Lehrern, Erziehern, Beamten, von denen es auf der Kandidatenliste viele gibt, nicht verprellen. Denn auch diese Wanderfreunde, Mittel- und Langstreckenläufer, Imker und Fischer hängen wahrscheinlich am Index. Auf den Punkt bringt der Wahlslogan „Méi Gréng. Méi Verantwortung“ bei diesem Wohlfühlprogramm wahrscheinlich vor allem eins: dass die Grünen Regierungsverantwortung wollen.
Michèle Sinner
Catégories: Législatives 2013
Édition: 02.08.2013