Er habe nicht vor, Weinkönigin zu werden, machte sich LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider vergangenen Freitag beim Bezirkskongress Osten über sich selbst lustig. Staatsminister will er hingegen auf jeden Fall werden. Daran, dass er auf Sieg spielt, ließ Schneider in den vergangenen Tagen keine Zweifel aufkommen. „Wir gehen nicht von vornherein in den Wahlkampf, um einen zweiten Platz zu machen“, so Schneider in Mertert. Um gegen Juncker anzutreten, brauche die LSAP dafür nicht viele, sondern nur einen Spitzenkandidaten, so Schneiders Seitenhieb gegen die Grünen und die DP. So kess, „gegen“ Juncker anzutreten, ist bisher nur er. Dass Schneider der LSAP – zumindest parteiintern – Auftrieb gibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Bei der Vorstellung des LSAP-Wahlslogans „Loscht op muer“ am Montag, berichtete Parteipräsident Alex Bodry von 500 Delegierten bei den Bezirkskongressen. Derartige Präsenzraten habe es zuletzt vor mehr als zehn Jahren gegeben. Nun müsse man dafür sorgen, dass der Funken von der Partei auch auf die Wählerschaft überspringe. Während die LSAP alles darauf setzt, die Wähler anzulocken, die von Jean-Claude Juncker und der CSV genughaben, erinnert Schneider selbst ein wenig an den jungen Jean-Claude Juncker. Denn findet die CSV den LSAP-Kandidaten heute etwas zu keck für sein Alter und die Erfahrung, die er aufzuweisen hat, kokettierte Juncker früher selbst gern damit, in jungen Jahren zu Regierungsweihen gekommen zu sein, und riskierte gerne mal eine dicke Lippe. Dass Schneider Juncker gut beobachtet hat, war spätestens bei der Aussage „wenn Luxemburg bleiben soll, was es ist, müssen wir uns ändern“ klar, die sehr eng an die Einleitung zu Junckers Rede zur Lage der Nation angelehnt ist. Wie Juncker macht Schneider gerne mal Ankündigungen, die mit den Parteikollegen nicht abgeklärt sind. Das erlaubt ihm diese Woche einen Vorgeschmack auf die inhaltlichen Schwerpunkte zu geben, noch bevor das LSAP-Wahlprogramm beschlossen ist. Weil ihm der bisherige Bürokratieabbau nicht ausreicht, versprach Etienne Schneider „eine Staatsreform“, die vom Bürokratieabbau, über einen Deontologiekodex für alle Politiker bis hin zur Reform des Wahlgesetzes zwecks Einbindung der Nicht-Luxemburger in den Entscheidungsprozess einerseits und der Verhinderung von politischen Doppelmandaten andererseits reicht. Zwei Jahre gibt sich Schneider für diese Staatsreform, die den Bürgern erlauben soll, neues Vertrauen in die Institutionen zu schöpfen. Es werde weder am Index „gedeckelt oder gefréckelt“ höchsten moduliert, legte sich Schneider mehr als andere Spitzenkandidaten fest. Die nächste Regierung, „seine Regierung“, müsse einige wenige Prioritäten setzen, nämlich Wirtschaftswachstum fördern, um Arbeitsplätze zu schaffen und Steuereinnahmen für den Sozialstaat zu generieren. Dass die LSAP wie eine Oppositionspartei in die Wahlen geht, ist kein Vorwurf von der CSV, sondern eine Realität. Nicht nur Schneider, auch andere LSAP-Mandatsträger traten bei den Bezirkskongressen wie befreit auf. Beim Zentrumskongress in Strassen ließ Lucien Lux die Gelegenheit nicht verstreichen, Infrastrukturminister Claude Wiseler anzugreifen, der es binnen vier Jahren weder geschafft habe, die Gesetzentwürfe über den Bau der Hauptstadttram oder für den Ausbau der Bahnstrecke Luxemburg-Bettemburg vorzulegen, noch die Sektorpläne in die Prozedur zu geben. Man habe im Zentrum nicht viel zu fürchten, meinte Lux, denn auch wenn Luc Frieden bis zu den Wahlen täglich drei Pressetermine absolviere, könne das nicht über die „mehr als beschädigten“ Staatsfinanzen hinwegtäuschen, die er hinterlasse oder über seine Rolle im Cargolux-Deal oder etwa sein „mehr als zweifelhaftes Rechtsverständnis“. In Mertert ging Nicolas Schmit lautstark in die Offensive. Er sei die schwierige Adem-Reform angegegangen, den Winzern an der Mosel ginge es nach vier Jahren unter einem sozialistischen Landwirtschaftsminister besser als in der Ära von Fernand Boden. Sozialminister Mars Di Bartolomeo habe die Rentenreform angepackt, zog Schmit Bilanz. Bei so viel Tatendrang und Aufbruchstimmung kann die LSAP nur hoffen, dass den Wählern nicht auffällt, dass die LSAP-Regierungsmitglieder sich bisher nicht in letzter Konsequenz von der CSV gelöst haben und bis Oktober mit Jean-Claude Juncker am Kabinettstisch sitzen.
Michèle Sinner
Catégories: Législatives 2013
Édition: 02.08.2013