Heute Nachmittag hält der neue Umweltminister Lucien Lux seine erste Festrede zur Eröffnung einer Oeko-Foire. Nicht nur Umweltschützer und über 100 Handwerksbetriebe, sondern wahrscheinlich auch die Energiewirtschaft und der Industriellenverband Fedil dürften gespannt sein, in welcher Deutlichkeit der LSAP-Minister dort Aussagen über die Zukunft der öffentlichen Förderung von Energiesparmaßnahmen und der Nutzung erneuerbarer Quellen machen wird. Treten doch am 31. Dezember zwei aus dem Jahr 2001 datierende großherzogliche Förderverordnungen außer Kraft. Die eine regelt staatliche Investbeihilfen: Zuschüsse zum Einbau energieeffizienter Heizungen, zum Bau von Niedrigenergie- und Passivhäusern, aber auch zur Installation von Biogas- oder Solarstromanlagen. In ihren Genuss können Privathaushalte, Gemeinden und Vereinigungen ohne Gewinnzweck kommen. Die zweite Verordnung garantiert bis zu einer gewissen Leistungsgrenze den Produzenten von Strom aus erneuerbaren Trägern eine „prime d’encouragement“ je produzierter Kilowattstunde.
Doch insbesondere die Förderung von Sonnenstrom aus Fotovoltaikanlagen ist seit Anfang des Jahres zum Synonym für fehlgeleitete Beihilfen, ausufernde Staatsausgaben und gar Missbrauch geworden. Hatte die CSV-DP-Regierung den Förderrahmen vor drei Jahren angesichts von Rekordüberschüssen im Staatshaushalt abgesteckt, fiel schon vor einem Jahr bei der Ausarbeitung des Budgetentwurfs 2004 auf, dass die Sonnenstromförderung alle Haushaltsprognosen sprengte: 50 000 Euro waren für das Jahr 2002 an Investzuschüssen vorgesehen, vier Millionen Euro wurden beansprucht. 2003 und 2004 wurden je zwei Millionen eingeplant, bis Ende 2003 insgesamt knapp elf Millionen ausgezahlt. Und so musste der damalige Umweltminister Charles Goerens schon bei der Eröffnung der Oeko-Foire 2003 zum Erschrecken seiner Zuhörer andeuten, das Beihilfenregime werde eventuell vorzeitig geändert. Was im Sommer geschah: Weil der Staat Investitionen in Sonnenstromanlagen mit bis zu 50 Prozent bezuschusst und während der im Schnitt 20-jährigen Lebensdauer der Anlagen je nach Baujahr jede produzierte Kilowattstunde mit 45 bis 55 Cents, konnten Betreiber, die sich zu Gruppen zusammenschlossen und Anlagen von mitunter über hundert Kilowatt bauen ließen, bereits nach sechs bis sieben Jahren den return on invest erreichen, so dass die Anlage in den verbleibenden wenigstens 13 Jahren Geld produzieren wird. Rund drei Viertel der bis Ende Januar genehmigten Anlagen waren große Kollektivanlagen (d’Land, 6.2.2004); seit 1. August gilt eine Beschränkung auf maximal 50 Kilowatt Spitzenleistung und Kollektivanlagen unterliegen Restriktionen.
Wie es ab 1. Januar 2005 weitergehen soll, ist nicht nur eine finanzpolitische Frage, sondern auch die einer klugen umwelt-, energie- und auch wirtschaftspolitischen Wahl. Absehbar ist, dass die Sonnenstrom-Last auf dem Staatsbudget so rasch nicht kleiner werden wird: allein Ende Juli entstanden eventuell riesige neue Kosten. Dabei ist Luxemburg im Rahmen der europäischen Erneuerbare-Energien-Direktive gehalten, bis 2010 mindestens 5,7 Prozent des nationalen Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Trägern zu decken. 2002, neuere Zahlen sind nicht verfügbar, hatten die erneuerbaren Träger laut der Energiedirektion im Wirtschaftsministerium einen Anteil von 4,18 Prozent an der nationalen Stromproduktionsstruktur, trugen wegen der fluktuierenden Einspeisung von Strom durch Windräder oder Solarmodule aber nur mit 2,26 Prozent zur Stromversorgung bei. Nach wie vor ist es Strom aus Wasserkraft, gewonnen am Stausee Obersauer, in den Moselkraftwerken der SEO S.A., am Stauwerk in Rosport und in zuletzt in Betrieb genommenen Kleinkraftwerken, der dabei mit über 70 Prozent den größten Anteil stellte. Zusatzpotenzial gibt es laut SEO nicht, höchstens im Kilowatt-Bereich. Und trotz des 2001 ausgelösten Fotovoltaikbooms wird der Anteil des Sonnenstroms auch in den nächsten Jahren prozentual eher im Hundertstel-Niveau der Versorgungsbilanz verbleiben.
Woher nehmen? – Es ist diese Frage, die in den letzten Jahren viel zu wenig gestellt wurde. Seit 1994 der Lëtzebuerger Wandatlas 30 potenziell nutzbare Windkraftstandorte beschrieben hatte, dauerte es bis zum Jahr 2002, ehe der damalige Umweltminister Goerens zu einem Aspekt der Biomasse-Nutzung – Heizen und Stromgewinnung durch Verbrennen von Holz – eine Potenzialstudie in Auftrag gab. Luxemburg könne das Richtziel von 5,7 Prozent nur erreichen, ließ das für die allgemeine Energiepolitik zuständige Wirtschaftsministerium als Zusatz in die EU-Direktive einfügen, wenn bis zum Jahr 2010 sich die Stromerzeugung aus Windkraft verfünfzehnfachen ließe, die aus Biogas um den Faktor 208 stiege und die Sonnenstromerzeugung auf 80 Gigawattstunden erhöht würde. Doch dahinter stehen allenfalls Schätzungen, keine nutzbaren Potenziale – mit ihrer Ermittlung ist die Agence de l’énergie S.A. erst gegenwärtig beschäftigt.
Dass die theoretischen Potenziale weitaus höher lägen, als vom Wirtschaftsministerium veranschlagt, meint Eurosolar, eine Vereinigung zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien. Während etwa die Cegedel den Windkraftbeitrag zur Deckung des Stromverbrauchs auf maximal erreichbare zwei Prozent schätzt (2003: rund 0,4 Prozent), sei vier Mal mehr realistisch. Denn in den letzten Jahren vervierfachte sich die Leistung der Windräder, eine Umrüstung älterer 500 kW-Anlagen auf 1,8 bis zwei Megawatt sei möglich. Doch diese älteren Anlagen gingen Ende der 90-er in Betrieb und haben eine Abschreibungsdauer von zehn Jahren, betriebwirtschaftlich machte ein „Repowering“ erst dann Sinn. Zumal eine höhere Anlagenleistung auch einen Anschluss an eine 65-Kilovolt- anstelle einer 22-Kilovolt-Netzleitung erfordert. Je mehr Windkraftanlagen in der letzten Zeit aber errichtet wurden, desto deutlicher zeigt sich, wie knapp 65-kV-Anschlüsse des Netzbetreibers Cegedel sind. „Wir werden von uns aus sicherlich keine Leitungen zu günstigen Windstandorten legen“, sagt Cegedel-Generaldirektor Romain Becker. Daraus folgt: Einen solchen Netzausbau müsste der Staat im Rahmen einer Erneuerbare-Energien-Politik zumindest mitfinanzieren.
Doch dafür fehlt ein äußerer Anlass: Druck aus den Klimaschutzverpflichtungen. Die Methode des Kioto-Protokolls zur Erfassung der CO2-Emissionen lässt die territoriale Stromproduktion in die Bilanz eingehen. In Luxemburg aber wäre das – an sich umweltfreundliche – Escher GUD-Kraftwerk der einzige fossile Träger nutzende Stromproduzent, den emissionsfreie Wind- oder Fotovoltaikanlagen ersetzen könnten; der Löwenanteil des hier zu Lande verbrauchten Stroms kommt von der RWE und schlägt auf die deutsche Klimabilanz zurück. Pragmatisch gesehen, ist die Förderung erneuerbarer Energieträger vor allem dort besonders sinnvoll, wo sie den Verbrauch von Heizöl oder Erdgas, der auch in die Luxemburger Kioto-Bilanz eingeht, senken hilft: beim Heizen.
Der Koalitionsvertrag von CSV und LSAP enthält Ansätze in diese Richtung: Auf thermischen Solarkollektoren zur Heizung und Warmwasserbereitung soll künftig ein Förderschwerpunkt liegen. Auch die Bestimmungen über die Gebäudeisolation sollen „rasch“ überarbeitet werden. Immerhin schätzte schon Lucien Lux’ Vorgänger, die Sanierung des Altbaubestands könne bis zu 40 Prozent CO2 einsparen. Kein Wunder, wenn in den nach der noch geltenden Wärmeschutzverordnung errichteten Gebäuden bis zu 80 Prozent der eingesetzten Energie zum Heizen verbraucht werden, weil es Wärmeverluste durch Fenster, Türen und schlecht isolierte Außenwände gibt. Dort müsste staatliche Förderung ansetzen.
„Wir haben in Luxemburg ein allgemeines Energieeffizienzproblem“, sagt Eurosolar-Präsident Henri Kox. „Damit steht und fällt auch das Ziel, soundsoviel Prozent erneuerbarer Träger zu nutzen.“ Das stimmt auch für den Stromverbrauch: Das Richtziel 5,7 Prozent „grüner Strom“ bis 2010 sei in Luxemburg nur zu erreichen, wenn bis dahin der Bruttostromkonsum auf dem Niveau von 1997 stabilisiert werden könnte, meinte das Wirtschaftsministerium 2001 in der Fußnote der EU-Direktive. Doch während dieser Verbrauch 1997 knapp 5 000 Gigawattstunden betragen hatte, waren es schon 2001 zehn Prozent mehr. Diese Tendenz ist ungebrochen, und allein die Cegedel prognostiziert für ihren Kundenkreis bis zum Jahr 2020 eine Verdoppelung des Stromkonsums gegenüber dem Jahr 1990.
Dieser Umstand führt zur politisch wohl heikelsten Frage, die sich mit der Zukunft der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen stellt: Welchen Beitrag sollen die Endverbraucher leisten?
Sie wird sich nicht nur stellen, weil auch weiterhin erneuerbarer Strom produziert werden wird und im Handwerk dafür eine ganze Branche enstand, sondern auch, weil Luxemburg mit seinem hohen Umfang staatlicher Subventionierung „grüner“ Stromproduktion schon vor der Einführung der beiden Förderverordnungen die Aufmerksamkeit der EU-Wettbewerbshüter erregte. Sie stimmten dem Fördersystem nur zu, wenn es zeitlich befristet würde, und erkannten in ihm potenziell unzulässige Beihilfen.
Dieser Verdacht stand auch im Zusammenhang mit dem 2001 eingerichteten Kompensationsfonds, einer vom Staatshaushalt unabhängigen Förderquelle für erneuerbare Energien und die Stromproduktion aus Kraft-Wärme-gekoppelten Blockheizkraftwerken: Wer Strom aus einer erneuerbaren Quelle oder aus BHKW in die Netze der Luxemburger Verteiler einspeist, muss von ihnen diese Einspeisung zum Marktpreis „gewöhnlichen Stroms“ plus einen Zuschlag vergütet bekommen. Die Preisdifferenz erhalten die Verteilunternehmen aus dem Kompensationsfonds rückerstattet und erheben dafür auf den Stromrechnungen der Endkunden einen Beitrag zum Fonds. Das Besondere daran: Nur Klein- und Mittelspannungskunden zahlen in den Kompensationsfonds ein – die stromintensive Industrie ist befreit. Dass dieses System, das es so ähnlich nur noch in Frankreich gibt, in Brüssel für wettberwerbsverzerrend gehalten wird, gab der damalige Wirtschaftsminister Grethen Ende Januar in der Chamber bekannt, als ein fragmentarisches Gesetz verabschiedet wurde, das technische Details der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie umsetzte, aber keine Bestimmungen zum Erreichen des 5,7-Prozent-Ziels enthielt: Das sollte Umweltminister Goerens erledigen, tat es vor den Wahlen aber nicht mehr.
Nun müssten Lucien Lux und Jeannot Krecké sich über eine eventuelle Anwendung des Prinzips „polluyeur-payeur“, also eine Umlage der Einspeisevergütung erneuerbaren Stroms auf den Strompreis, einigen. Die Unterstützung von Organisationen wie Eurosolar oder des Mouvement écologique wäre ihnen sicher. „Wir wollten das ja schon vor vier Jahren“, sagt Méco-Vizepräsident Paul Ruppert. Das stimmt: Die großzügige Einspeiseförderung – nicht die hohe Investbeihilfe – für Fotovoltaik war im Jahr 2000 eine Méco-Forderung gewesen, der Charles Goerens sich anschloss. Doch mit seinem Versuch, den Zuschuss pro Kilowattstunde Sonnenstrom auf den Preis für alle umzulegen, scheiterte er am Wirtschaftsminister.
Beziehungsweise am Einspruch der Fedil, den Henri Grethen mittrug. Auch diesmal wird die Haltung des Industriellenverbands von großer Bedeutung sein. Offizielle Schätzungen, was 5,7 Prozent „grünen Stroms“ kosten würden, gibt es nicht; nur Eurosolar stellte vor einem Jahr ein Verbrauchsszenario auf, nach dem ein Privathaushalt rund elf Euro mehr pro Jahr zu zahlen hätte.
Für einen stromintensiven Betrieb kann diese Rechnung freilich ganz anders aussehen. Von 45 Millionen Euro wettbewerbsgefährdender jährlicher Extraausgaben für die stromintensive Industrie und allein 15 Millionen für die Arcelor sprach Henri Grethen im Januar im Parlament. Für Fedil-Energieberater René Winkin müssen die stromintensiven Branchen auf jeden Fall auch weiterhin von Zuzahlungen für erneuerbaren Strom befreit bleiben.
Solche Regelungen gibt es, mit Zustimmung der EU-Kommission, etwa in Deutschland, wo ansonsten die Umlage auf den Strompreis gilt. Wahrscheinlich ist aber, dass die Fedil auch für die heute zur Einzahlung in den Kompensationsfonds verpflichteten Unternehmen eine Entlastung verlangen wird. Dann würde die Aushandlung eines neuen Förderrahmens viel schwieriger als im Jahr 2000, als zumindest die Staatskasse noch gut gefüllt war.
Martin Ebner
Kategorien: Energie
Ausgabe: 16.09.2004