Land: Auf Ihrem Instagram-Account Mood Luxembourg teilen Sie hauptsächlich Videos, die in der Unterhaltungsbranche zu verorten sind. Ab und zu äußern Sie sich aber auch zu politischen Themen. Über die letzten zwei Jahre haben Sie Videos über den Krieg in Gaza, den Genozid in Srebrenica oder die Nationalwahlen 2023 geteilt. Wie ist es dazu gekommen?
Almin Hrkic: Politik hat mich schon immer interessiert. Vor allem, weil ich aus einem Land komme, dessen Geschichte durch politische Konflikte geprägt ist. Ich bin mit diesen Konflikten aufgewachsen und wurde zuhause von jungem Alter an damit konfrontiert. Ich habe als größter Influencer Luxemburgs eine große Reichweite und will die auch nutzen. Ich will Leute sensibilisieren und informieren über Themen, die mir wichtig sind.
Eine Woche vor den Europawahlen 2024 haben Sie ein Video veröffentlicht, in dem Sie die luxemburgischen Parteien fragen, ob Israel in Palästina einen Genozid begeht und ob man Israel Sanktionen auflegen sollte. Wie kam es zu dem Video und was war Ihr Ziel?
Ich habe mehr Reichweite als die Politiker hierzulande und wollte den Leuten die Augen aufmachen mit meinem Video. Ich wollte nicht gegen nur eine spezifische Partei gehen oder eine Wahlempfehlung aussprechen. Ich habe darlegt, was eine gewisse Partei macht, und die Leute konnten aufgrund dessen ihre eigene Meinung bilden. Darum ging es mir. Das Video vor der Europawahl ist immer noch das meist gesehene auf meinem Instagram-Account – ich habe mir dadurch indirekt einen Namen in der politischen Sphäre gemacht. Die, die mich bis dahin noch nicht kannten, wussten durch das Video, wer ich bin.
Haben Sie erreicht, was Sie erreichen wollten?
Ich bin mir sicher, dass das Video einen Impakt hatte und seine Früchte getragen hat. Schließlich hat die DP bei den Europawahlen Prozentpunkte verloren.
Nehmen Sie aufgrund ihrer Reichweite eine gewisse Verantwortung wahr, politische Themen aufzugreifen?
Zu 100 Prozent, ja. Hinzu kommt, dass mein Publikum relativ jung ist und insbesondere damit geht Verantwortung einher. Ich produziere keine fragwürdigen Inhalte. Ich stehe hinter meinen Werten und versuche Leute auf verschiedene Themen zu sensibilisieren. Ob das nun Kriege sind oder andere Ungerechtigkeiten auf der Welt. Natürlich versuche ich dann auch etwas für den guten Zweck zu machen wie Spendenaufrufe. So zum Beispiel nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien Anfangs 2023 gemacht. Ich will damit etwas bewegen.
Welche Werte wären das?
Gerechtigkeit. Ich will gegen Diskriminierung vorgehen und ich stehe hinter Menschen, die ehrlich sind.
Hatten Ihre politischen Äußerungen bisher Einfluss auf Ihre anderen Tätigkeiten als Mood Luxembourg? Gab es Kooperationen, die deswegen nicht zu Stande gekommen sind?
Schwer zu sagen. Bisher wurde mir mit dieser Begründung noch keine Kooperation abgesagt. Bei manchen bin ich mir unsicher, wenn ich etwa mit Leuten im Gespräch war, aber im Endeffekt nichts draus geworden ist. Anfang 2024 wurde entschieden, dass Tali Luxemburg bei der Eurovision in Malmö repräsentieren soll. . Hinter ihr stand eine israelische Produzentin und ich habe darüber recherchiert. Da gab es ein zwei Firmen, die später mit Tali zusammengearbeitet haben, mit denen eine Kooperation nicht zustande gekommen ist. Aber ich finde das auch verständlich, viele Firmen wollen sich in Sachen Politik zurückhalten. Ich will nicht mit dem täglichen Brot dieser Menschen spielen. Ich möchte niemandem schaden.
Wie entscheiden Sie, welche politischen Themen Sie aufgreifen? Inwiefern spielen Ihre bosnischen Wurzeln dabei eine Rolle?
Die spielen eine wichtige Rolle. Ich bin mit der Geschichte Bosniens aufgewachsen und wusste bereits im Alter von neun oder zehn Jahren, was ein Massaker ist. Themen wie Srebrenica sind zuhause sehr präsent gewesen. Das sind Themen, die traurig machen. Man denkt, dass sich eine solche Tragödie nicht wiederholen kann und auf einmal wiederholt es sich dann doch, aber an einem anderen Ort auf der Welt. Da fühlt man sich sehr betroffen und dieses eigene Trauma kommt wieder auf. Der Krieg in Palästina hat mich lange Tag und Nacht beschäftigt. Ich finde es besonders dramatisch zu sehen, dass ein Jahr nach Beginn des Krieges die Menschen so abgestumpft sind, dass das Thema den Leuten egal wird.
Haben Sie das Gefühl, dass es innerhalb der luxemburgischen Balkan-Community eine einheitliche Meinung zu dem Thema gibt?
Ja, ich denke schon. Unsere Balkan-Gemeinschaft ist sehr eng. Es gibt wenige Orte in Europa, wo man eine solche multikulti Balkan-Erfahrung hat wie hier. Ich habe viele Freunde aus Serbien, Montenegro, Kroatien oder Bosnien, doch die Spannungen, die im Balkan bestehen, existieren hier nicht. Wir sind zusammen aufgewachsen und sind das perfekte Beispiel dafür, dass das Zusammenleben funktionieren kann, trotz unterschiedlicher Religionen und Ansichten.
2023 haben Sie vor den nationalen Wahlen einen Aufruf an Menschen mit Migrationshintergrund gemacht, sich mit luxemburgischer Politik auseinander zu setzen und ihren Interessen entsprechend zu wählen. Was hat Sie dazu motiviert?
Es ist wichtig, die Leute darauf zu sensibilisieren, was sie wählen. Dass sie nicht einfach das wählen, was der Nachbar wählt, was bei Menschen mit Migrationshintergrund oft vorkommt. Ich finde es wichtig, dass die Kinder ihren Eltern, die die Sprache nicht sprechen, erklären, was in den Wahlprogrammen steht. Man sollte sich dann als Familie damit beschäftigen und überlegen, welche Partei die Interessen der Familie am besten vertritt. Eigentlich ist das die Aufgabe der Politik oder der Regierung, aber die machen das nicht. Ich fühle mich dann auch durch meine Reichweite und meine eigene Geschichte verantwortlich, das aufzugreifen und einen solchen Aufruf zu teilen.
Beabsichtigen Sie selbst, parteipolitisch aktiv zu werden?
Ich denke schon. Ich warte aber auf den richtigen Zeitpunkt. Wenn ich etwas mache, dann will ich das zu 100 Prozent und mit ganzem Herzen machen.
Gibt es die Partei schon, die Sie anspricht?
Ja, aber es sind weniger die Parteien an sich, sondern eher die Politiker, die mich anziehen. Natürlich gibt es in jeder Partei Menschen, mit dessen Ansichten man sich nicht identifizieren kann, denen muss man sich dann innerhalb der Partei auseinandersetzen. Das ist halt Demokratie.
Haben Sie eine spezifische Partei im Kopf?
Das sage ich nicht. Noch nicht.
In einem Interview mit dem damaligen Premierminister Xavier Bettel, das auf Ihrem Instagram-Profil aufzufinden ist, haben Sie zum Schluss gesagt, Sie seien „mega Fan“ von Xavier Bettel. Würden Sie das heute auch noch sagen?
Ja, aber ich würde mich heute nicht mehr unbedingt als Fan bezeichnen. Ich sehe den Herrn Bettel in vielen Hinsichten als guten Politiker. Wir haben zwar Meinungsverschiedenheiten, was verschiedene Themen angeht, trotzdem finde ich ihn als charismatisch. Man merkt, dass er sich für die Menschen interessiert.
Gehört seine Position zu Palästina zu diesen Meinungsverschiedenheiten? Bisher hat Herr Bettel sich gegen eine Anerkennung Palästinas positioniert, mit der Begründung, man warte auf Momentum.
Damit bin ich zum Beispiel nicht einverstanden. Die Menschen dort haben schon lange Recht auf Anerkennung. So viele Länder haben Palästina bereits als Staat anerkannt. Wenn, dann haben wir das Momentum verpasst.
Setting the mood
Auf Instagram und Tiktok ist Almin Hrkic hauptsächlich dafür bekannt, Restaurants zu testen. Unter dem Namen Mood Luxembourg teilt der 28-jährige Videos über die verschiedensten Themen und ist mittlerweile mit 34 000 Instagram-Followern einer der bekanntesten Influencer Luxemburgs. Der Name Mood soll „die unterschiedlichen Stimmungen oder Facetten Luxemburgs aufgreifen, da wir ein multikulturelles Land sind“, erzählt er im Gespräch mit dem Land. Es passe aber auch zu seinen Inhalten, da er sich „nicht auf eine Branche festlegen“ wolle und sich „immer weiterentwickle“.
Hrkic wurde 1997 als jüngstes von drei Kindern in Luxemburg geboren. Seine Eltern sind Bosnier und flüchteten 1993 während dem Krieg in Jugoslawien. Seine Mutter arbeitet in einem Altersheim, sein Vater ist Dachdecker. Hrkic besuchte die Ecole de Commerce et Gestion (ECG) in Luxemburg Stadt und hat danach einen Job bei einer Bank begonnen. 2020 hat er die Plattform Mood Luxemburg gegründet und ist seitdem parallel zu seinem Job in den sozialen Medien aktiv. Im Laufe des Gesprächs betont er mehrmals, er sei mittlerweile „der größte Influencer Luxemburgs“. Seinen Monatsumsatz wollte er nicht mitteilen.
Vor den Europawahlen 2024 veröffentliche Hrkic ein achtminütiges Video, das ihm in der politischen Sphäre Luxemburgs Bekanntheit verschaffte. Mit den Worten „meng léif Regierung, heimadder hudd der net gerechent“ begann besagtes Video, in dem er luxemburgische Parteien und deren Position zu Israel und Palästina thematisierte. Er wollte von den Parteien im Voraus Stellungnahmen zu zwei Fragen haben: Ob Israel einen Genozid in Palästina begeht und ob man Israel Sanktionen auferlegen sollte. Im Hintergrund des Videos läuft dramatische Musik, Bilder von einstürzenden Häusern und verletzten Kindern werden gezeigt. Dass ein Influencer sich in nationale Politik einmischt und Parteien um Stellungnahmen bittet, ist ein Novum.
Die CSV gab keine Stellungnahme ab, déi Lénk, die Grünen und die LSAP haben kurze Videos eingereicht. Amela Skenderovic, eine der beiden Spitzenkandidaten der DP für die Europawahl, habe sich äußern wollen, ihre Partei habe es ihr aber nicht erlaubt, sagt Hrkic. Insbesondere Xavier Bettel und Corinne Cahen kritisierte er stark.
In einem weiteren Video filmt Hrkic sich, wie er mit einer Palästina-Flagge über den Schultern den ING Halbmarathon läuft. Im Hintergrund läuft das Lied The Hanging Tree von James Howard aus dem Spielfilm Hunger Games. Dann wechselt die Musik zu dem Lied Hinds Hall des Rappers Macklemore, das seine Unterstützung gegenüber der pro-palästinensischen Protesten an US-amerikanischen Universitäten ausdrückt. Man sieht abwechselnd Hrkic beim Laufen und Bilder von schwer verletzten Kindern und kaputten Gebäuden in Gaza.
Bisher ist in der Politik hierzulande noch kein Influencer vertreten. Der Einstieg Hrkics in eine etablierte Partei wäre somit eine Premiere für die luxemburgische Politik, sollte dieser gelingen.