Ganz selbstverständlich war es nicht, dass die Abgeordneten-kammer im Plenum über die zweite Auflage des nationalen Nachhaltigkeitsplans diskutieren würde, wie am Mittwoch geschehen. Im zuständigen parlamentarischen Ausschuss war eine solche öffentliche Debatte umstritten. Im Nachhin-ein wird diese Zurückhaltung plausibel.
Bisher existiert nur ein Vorentwurf zum Plan. Noch die vorige Regierung hieß ihn acht Wochen vor den Wahlen gut. Ein Regierungsdokument aber ist er nicht wirklich, sondern ein Konsenspapier aus zwei Jahre langen Beratungen mit den forces vives de la nation. Und so konnten die Abgeordneten am Mittwoch kaum anders, als die Konsequenz zu würdigen, mit der auf beinah der Hälfte des 78 Seiten langen Papiers 14 „nicht nachhaltige Tendenzen“ diagnostiziert werden: Die Naturressourcen Boden, Wasser und Luft seien „übernutzt“. Das Artensterben wachse, Energieverbrauch und Autoverkehr auch. Gleichzeitig nehme die Armutsgefährdung in der Gesellschaft nicht ab, fremdenfeindliche Tendenzen kämen auf. Die öffent-liche Gesundheit sei durch „Wohlstandskrankheiten“ gefährdet, der Sozialschutz durch die Alterung der Gesellschaft. Die Volkswirtschaft sei, wie die Staatsfinanzen, nicht krisenresistent genug, das Bildungs-system „eine Herausforderung“. Die Lebenschancen von Männern und Frauen seien noch immer „ungleich“, und alles in allem gebe es „Defizite an kohärenter Governance“.
Doch weil das Papier ein Konsenspapier ist, das zudem noch vor Ausbruch der Krise beschlossen wurde, fiel es den Abgeordneten ähnlich schwer wie der damaligen Regierung, unter den 155 vorgeschlagenen Maßnahmen „für mehr Lebensqualität“ in Teil zwei des Vorentwurfs Prioritäten festzulegen. Von Klimaschutz, erneuerbaren Energien und Ökotechnologien wurde gesprochen, aber irgendwie war den meisten Rednern klar, dass es Luxemburg derzeit an sein Wachstumsmodell geht: Als Fernand Boden (CSV) einen „Green New Deal“ verlangte, Eugène Berger (DP) und Roger Negri (LSAP) sich fragten, ob das geplante Partenariat pour le climat et l‘environnement zur Nachhaltigkeit im Herbst mehr zu sagen haben werde als die Fortsetzung der Tripartite, der Grüne Camille Gira polemisierte, um besser zu leben, brauche man nicht „17 Garniturë Gaardestill“, und André Hoffmann (déi Lénk) fand, eine Nachhaltigkeitsfrage wie das Verhältnis von ökonomischer Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Gerechtigkeit sei kaum „im seichten Konsens“ zu beantworten. Die Minister Claude Wiseler und Marco Schank wohnten der Debatte bei und müssen nun in der Koalition die Kontroverse auslösen.