Für eine bis zwei Generationen LSAP-Mitglieder war die Koalition mit der DP von 1974 bis 1979 das Goldene Zeitalter ihrer Partei und ihr schillerndster Minister Robert Krieps. Der oft bärbeißige Krieps lieferte der LSAP nach Mai ’68 und der Parteispaltung eine linke, auch im liberalen Bürgertum gern gesehene idealistische Identität. Er zählte nicht zum Gewerkschaftsflügel aus dem Süd-bezirk, sondern war ein Zentrumsnotabel aus dem Parteiadel, der dennoch, ganz im Zeitgeist, als „unangepasst“ galt, weil er mit dem Fahrrad zur Kabinettsitzung fuhr.
Krieps kämpfte lautstark gegen das autoritäre Justiz- und Kultur-wesen des CSV-Staats an, rief zur Solidarität mit Salvador Allende auf und half die Lokalsektion von Amnesty International gründen. Als Regierungsmitglied ist sein Name mit der Abschaffung der Todesstrafe, der „Demokratisierung der Kultur“ und dem Tronc commun verbunden. Sein Lebensweg, sein oft provokatives Auftreten und die maßlosen Anfeindungen durch den rechten CSV-Flügel und dessen Luxemburger Wort machten ihn zu einer moralischen Instanz, die selbst seine damaligen politischen Gegner heute nicht mehr in Frage zu stellen wagen.
Zu seinem 20. Todestag veröffentlicht eine nach ihm benannte LSAP-Stiftung eine umfangreiche Gedenkschrift, Démocratie, justice, culture, éducation, Robert Krieps (1922-1990), um die Erinnerung an den sozialistischen Humanisten wach zu halten. Herausgeber des Buches sind nicht Krieps‘ politische Weggefährten, sondern zwei junge Sozialisten, Franz Fayot und Marc Limpach, die keine persönlichen Erinnerungen mit ihm verbinden, aber dennoch keinen Hehl aus ihrer Bewunderung für ihn machen.
In einer weit ausholenden Einführung erzählt Marc Limpach, wie Robert Krieps, Sohn des Abgeordneten und Gewerkschafters Adolphe Krieps, als Einzelkind in Dalheim und Luxemburg aufwuchs und sein Leben dann durch den deutschen Überfall aus der Bahn geworfen wurde: Binnen weniger Monate wurde der 19-Jährige im Mai 1941 von der Schule verwiesen, im Oktober trat er der Resistenzorganisation Lëtzebuerger Vollekslegioun bei und bei der Großrazzia im November wurde er verhaftet. Am Ende eines jahrelangen Leidenswegs durch Gefängnisse und Lager begegnete er 1944 seinem Vater im Konzentrationslager Dachau wieder. Nach der Befreiung machte Krieps sein Abitur, studierte Jura, wollte einen Augenblick Diplomat werden und entschied sich dann für den Beruf des Rechtsanwalts. 1948 trat er der LSAP bei, 1963 wurde er in den hauptstädtischen Gemeinderat und 1964 ins Parlament gewählt.
Um an den Politiker zu erinnern, verzichten die Herausgeber auf eine historische Bewertung. Stattdessen lassen sie zwei Dutzend Weggefährten und Zeitzeugen aufmarschieren, die sich über Parteigrenzen hinweg mit Ehrerbietungen und Lobesworten überbieten. Alles säuberlich in die Kapitel Demokratie, Justiz, Kultur und Erziehung unterteilt, letztere die drei Ressorts des Ministers während der linksliberalen Koalition. Der Hagiographie-Test ist schnell gemacht: Sterblichen vorbehaltene Vokabel wie „Fehler“ oder „Irrtum“ kommen nicht vor. Den Abschluss des Buches stellen 20 Reden und Artikel des Politikers Krieps dar, wiederum nach seinen Regierungsressorts unterteilt. So als ob sich Humanisten nicht für Mindestlohnerhöhungen interessierten.