Christine Hansen, Anfang 30, Mutter eines Kleinkinds, sieht morgens um neun noch vor der ersten Tasse Kaffee aus wie das blühende Leben. Ihre Augen funkeln, wenn sie lacht, was sie oft und gerne tut. Der Lidstrich unterstreicht das Funkeln, von Augenringen keine Spur. Kein Zweifel, die Frau hat gut geschlafen. Das unterscheidet sie von vielen anderen jungen und nicht mehr ganz so jungen Eltern.
Dass Christine Hansen ausgeschlafen hat, sie als berufstätige Mutter die Nägel perfekt türkis lackiert hat, liegt auch daran, dass ihre Tochter durchschläft. Das tut sie, seit sie zehn Wochen alt ist. Und das ist laut Mutter kein Zufall, sondern das Ergebnis einer sorgfältigen Planung. Die Aussicht auf anhaltenden Schlafentzug hat ihr während der eigenen Schwangerschaft große Sorgen bereitet, sagt Christine. „Ich weiß, wie ich bin, wenn ich nicht geschlafen habe.“ Wahrscheinlich schlecht gelaunt und unkonzentriert wie die meisten Menschen, die an Schlafmangel leiden. Deshalb hat sie sich noch vor der Geburt über verschiedene Programme und Methoden informiert. Sleep Sense heißt das amerikanische Programm, für das sie sich entschieden hat. „Weil es mir logisch erschien und das einzige war, das für mich Sinn ergab.“
Vor einer Woche hat sie sich als Sleep Coach, als Schlaftrainerin, selbstständig gemacht – Sleep like a baby, heißt ihre Firma. Sie will nun anderen Kindern und ihren Eltern zu erholsamem Schlaf verhelfen, nach der gleichen Methode, die sie bei ihrer eigenen Tochter angewandt hat. Dafür hat sie den sicheren und gut bezahlten Posten als Sekundarschullehrerin aufgegeben. Bis Mitte Juli unterrichtete sie Englisch in Echternach. Der Kurswechsel ist enorm. In ihrer neuen beruflichen Situation, der neuen Unabhängigkeit, geht sie auf. Sie strahlt, wenn sie von Buchhaltungskursen und Firmengründermeetings erzählt.
„Nicht noch mehr Baby-Kram!“ dürfte mancher innerlich aufstöhnen. Nicht noch jemand, der an Nestbausyndrom leidend glaubt, zwei Millionen Jahren Menschheitsgeschichte, die das Gegenteil beweisen, zum Trotz, die erste zu sein, die ein Kind bekommt und ihre Erfahrungen via Blog oder Sozialnetzwerken allen mitteilen muss. Und das obwohl sie nun aus Erfahrung wissen müsste, dass sich die meisten Leute doch nur für ihre eigenen Kinder interessieren. Nicht noch eine Supermama, die allen anderen ein schlechtes Gewissen macht, weil sie während der Schwangerschaft irgendetwas Unerlaubtes gegessen und bei der Geburt nicht genug gelitten haben, weil sie die falschen Windeln benutzen, das Tragetuch verkehrt gewickelt, nicht den richtigen Autositz oder Kinderwagen haben, nicht lange genug oder zu lange stillen, ...
„Es gibt eine solche Flut von widersprüchlichen Informationen während der Schwangerschaft, dass man gar nicht weiß, was man tun soll“, sagt Christine Hansen. „Und für jede Theorie findet man Artikel, die einen bestätigen.“ Sie führt keinen Glaubenskrieg. Dass ihre Methode nicht für jeden etwas ist – beispielsweise für leidenschaftliche Verfechter der Bindungstheorie – , weiß sie. „Die Eltern, die zu mir kommen, wissen, was sie wollen“, erzählt sie, „Ich gebe ihnen die Bestätigung, die sie brauchen, um es durchzuführen. Ich stelle einen Plan auf und sage: So machen wir es.“ Und: „Ich rate ihnen, niemandem davon zu erzählen, dass sie das Schlaftraining mit mir machen. Sonst hat sofort wieder jede eine Meinung dazu.“
Wer mit Christine Hansens Hilfe seinem Kind das Durchschlafen sowie das Einschlafen ohne stundenlange Rituale beibringen will, hat während einer Woche intensiv mit ihr zu tun, danach schon deutlich weniger. Sie kommt vor Ort, lässt sich alles erklären, schaut sich alles an, erstellt einen Schritt-für-Schritt-Plan, durch den das Kind seinen Schlafrhythmus finden soll. Falls gewünscht, bleibt sie die erste Nacht auch selbst zur Hälfte da, um zu helfen. In den folgenden Tagen müssen die Eltern detailliert Bericht erstatten, wie die Nacht verlaufen ist, wie sich das Kind verhalten hat. Und wie sie darauf reagiert haben. „Nach zwei Tagen ist es oft schon besser. Aber dann müssen die Eltern weitermachen, nicht aufhören“, erklärt die Schlaftrainerin. Im Grunde trainiert sie auch die Eltern. Das größte Problem dabei? „Wenn die Kinder weinen. Das können die meisten Eltern nicht aushalten“, weiß sie aus eigener Erfahrung. „Der Druck ist so hoch. Wir arbeiten, bringen die Kinder in die Krippe, haben ein schlechtes Gewissen, dabei will man alles richtig machen und natürlich nicht, dass das Baby weint.“
Als Schlaftrainerin berät sie werdende Eltern, wie sie mit ihren Neugeborenen den richtigen Rhythmus finden, damit überhaupt erst kein Schlafproblem entsteht. Sind die Kinder schon da und schlafen nicht durch, unterscheidet sie zwischen „Kleinen“ und „Großen“ – bis zu einem Jahr und älter. Ihre Dienste kosten je nach Paket, zwischen 350 und 1 500 Euro. „Im Schnitt sind es zwischen 400 und 500 Euro“, sagt Christine Hansen. Geld, das Eltern, die ein halbes Dutzend Mal pro Nacht aufstehen, sicher bereitwillig ausgeben werden, wenn sie dafür wieder durchschlafen können.