Es geschah ohne große öffentliche Debatten, und es brauchte auch keine zweite Regierungsratssitzung: Nach der Kabinettsrunde vom vergangenen Freitag ging der Entwurf für ein Psychotherapeutengesetz auf den Instanzenweg. Tritt es in Kraft, erhält der Beruf „Psychotherapeut“ einen Titelschutz, und es wird festgelegt, wie der Ausbildungsweg dorthin auszusehen hat.
In den ungeordneten und undurchsichtigen Psycho-Markt, auf den immer neue Anbieter treten, wie allein ein Vergleich der Giel Säiten von diesem und dem vergangenen Jahr zeigt, hielte dann ein Qualitätskrite-rium Einzug: Psychotherapeut würde sich nur nennen dürfen, wer ein Psychologie- oder ein Medizinstu-dium abgeschlossen und sich in einer anerkannten Weiterbildung zum Therapeuten qualifiziert hat. Was „anerkannte Weiterbildung“ heißt, soll ein noch zu gründender Wissenschaftsbeirat klären. Dem Vernehmen nach soll er sich an den Leitlinien orientieren, die die European Federation of Psychologists’ Associations (Efpa) herausgegeben hat, und die sind anspruchsvoll.
Dem Beirat soll es auch obliegen, die therapeutischen Schulen zu definieren, die mit dem Beruf geschützt werden sollen, und die Liste gegebenenfalls anzupassen. Wie ein Blick in Länder zeigt, wo der Titelschutz schon existiert, berechtigen auch ein Psychologendiplom oder die Approba-tion zum Arzt sowie eine anschließende Therapeutenausbildung nicht unbedingt dazu, den geschützten Titel am Türschild seiner Praxis anbringen zu dürfen: In Deutschland etwa galten bis vor kurzem nur Psychoanalyse und Tiefenpsychologie sowie die kognitive Verhaltenstherapie als „wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische Verfahren“. Erst neulich erhielt auch die systemische Familientherapie diese Aufwertung.
Doch ganz gleich, welche Schulen am Ende den Ehrenschlag erhielten: der Beruf bliebe allein Psychologen und Ärzten – und unter ihnen nicht nur Psychiatern – vorbehalten. In einer dreijährigen Übergangsphase soll sich klären, wer sich tatsächlich Psychotherapeut wird nennen dürfen. Anschließend müsste das große Umbenennen einsetzen: Nicht nur selbst ernannte Therapeuten wären gezwungen, ihren Titel zu ändern. Absolventen von hierzulande schon bestehenden, bisweilen durchaus langen Therapeutenlehrgängen müssten es ebenfalls, sofern sie nicht Psychologe oder Arzt, sondern vielleicht Pädagoge oder Sozialarbeiter sind.
Der Gesetzentwurf schafft keine Hierarchien zwischen Psychotherapeuten mit Grundberuf Psychologe und solchen mit Grundberuf Arzt. Bei früheren Anläufen zum Titelschutz hielt die Fachgesellschaft der Psychiater darauf, dass Behandlungen durch nichtärztliche Therapeuten der Überweisung durch einen Psychiater bedürfen sollten. Dagegen erklärt der Gesetzentwurf der Regierung den Psychotherapeuten zu einem „autonomen“ Gesundheitsberuf, mag der Therapeut Arzt oder Psychologe sein. Bei der Diskussion des Vorentwurfs in den letzten Monaten schälte sich allerdings ein deontologischer Konsens zwischen Psychologen und Psychiatern heraus: Sollte ein Psychotherapeut, der kein Arzt ist, mit einem Klienten konfrontiert werden, bei dem eine Störung vorliegt, die eventuell nicht psychisch bedingt sein könnte, müsste er dies ärztlich abklären lassen.
Eine Rolle bei der Therapeutenausbildung in Luxemburg will die Universität spielen. Das Fach Psychologie an ihrer Humanwissenschaftlichen Fakultät, wo Psychologie in einem Bachelor- und einem Masterstudiengang belegt werden kann, ist schon seit 2008 die treibende Kraft hin zum Therapeuten-Titelschutz. Die Weiterqualifizierung wollen die Uni-Psychologen auch bei sich anbieten. Vorgesehen sind Lehrgänge mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen und systemisch-familientherapeutischen Inhalten. Im laufenden Vierjahresplan der Uni steht das Vorhaben schon. Die Curricula sind geschrieben, der Fakultätsrat hat dem Aufbaustudiengang zugestimmt, der Hochschulminister unterstützt ihn. Grünes Licht von der Uni-Leitung und dem Aufsichtsrat vorausgesetzt, könnte er demnächst starten – aber wohl noch nicht zum kommenden Wintersemester.
Abgesehen von der Uni haben auch andere Therapeutenlehrgänge signalisiert, neue Ausbildungen anbieten zu wollen. Für die Uni aber soll das auch Auswirkungen auf den Masterstudiengang haben: Er soll so angepasst werden, dass seine Absolventen besonders gut für eine spätere Tätigkeit im klinischen oder im schulischen Bereich befähigt werden. Weitergeführt zum Psychotherapeuten soll ein Beruf entstehen, der die Schulen hinter sich lässt. Er soll aus allen Therapiezweigen aufgreift, was sich als besonders wirksam erwiesen hat.
Ob das Psychotherapeutengesetz schnell verabschiedet werden wird, bleibt allerdings abzuwarten. Möglich ist nicht nur, dass die verschiedenen Psychotherapeutenverbände sich noch zu Wort melden. Denkbar ist ebenfalls, dass ein Aspekt der Problematik auf den Tisch kommt, den die Diskussion bisher ausgeklammert hat: inwieweit die Psychotherapie zur Leistung der Gesundheitskasse werden soll. Wie die Dinge derzeit liegen, bliebe die psychologische Psychotherapie „liberal“, und für die eines zum Therapeuten weiterqualifizierten Psychiaters gälten dieselben Kassentarife wie für alle anderen Psychiater. Ganz plausibel ist das nicht. Doch Fragen, die die Gebührenordnung der Ärzte betreffen, sind stets heikel. Und nicht alle Psychologen mit therapeutischer Zusatzqualifikation sind interessiert an einer Preisbindung durch eine Konventionierung mit der CNS.