Als Uni-Rektor Rolf Tarrach am Dienstag die Presse zu einem Gespräch eingeladen hatte, fand er viele schöne Worte für Marc Hansen. Zweieinhalb Stunden habe der Forschungsstaatssekretär von der DP sich vergangene Woche Zeit genommen, um mit dem Conseil universitaire über den neuen Vierjahresplan der Universität zu diskutieren, noch dazu an einem Samstag. „Zweieinhalb Stunden, so lange!“ Aus dem Munde des Rektors, der in der Vergangenheit selten um eine kernige Aussage verlegen war und gegenüber Ministern schon mal undiplomatisch werden konnte, klang das beinah unterwürfig.
Und noch um Ostern hatte Tarrach offen gegen die Sparpläne der Regierung Front gemacht, nach denen die Universität bis 2017 an die 140 Millionen Euro weniger an staatlichen Zuwendungen erhalten sollte, als sie sich in ihrem eigenen Strategieentwurf gewünscht hatte. Den hatte sie noch mit dem Forschungsministerium unter Martine Hansen von der CSV diskutiert, aber ehe die Strategie abgesegnet werden konnte, fanden die vorgezogenen Wahlen statt – und vieles ist seither anders.
Geändert hat sich vor allem der politische Rückhalt, den die Universität aus dem Hochschul- und Forschungsministerium erfährt. Gleichgültig ist uni.lu auch Marc Hansen und Minister Claude Meisch nicht. Aber die Zeiten des Wohlwollens sind vorbei, die zehn Jahre, in denen galt, dass sich die Universität „im Aufbau“ befände und Jahr für Jahr wachsende Dotationen aus der Staatskasse eine ausgemachte Sache zu sein schienen. Als Hansen sich vergangenen Samstag mit dem Uni-Rat traf, präsentierte er sich – und das zu erwähnen hütete Tarrach sich – als sehr kühler und zweckrationaler Rechner. Heute zeigt sich, in welch großem Ausmaß die Uni ein CSV-Projekt war. Daran kann auch ihr Rektor nicht vorbei und sagt jetzt, dass man in den nächsten Jahren halt „konsolidieren“ werde, was man hat.
Dabei ist die Universität auch mit dem neuen Finanzrahmen vom Staat so schlecht nicht dran. Dieses Jahr erhält sie mit knapp 129 Millionen Euro so viel wie 2013, und 2015 bis 2017 jeweils 145,5 Millionen. Wobei der Contrat d’établissement zwischen Uni und Staat überdies die Klausel enthält, das ganze Paket Ende 2015 neu zu verhandeln und für die danach verbleibenden zwei Jahre eventuell besser auszustatten. Noch vor zwei Monaten war das Tarrach weiter keine Erwähnung wert gewesen. Heute nennt er es ziemlich begeistert „eine Chance für gute Ideen“.
Doch welche Ideen am Ende für gut befunden werden – das ist die große Frage. Sicherlich erhielte die Universität mehr Geld, falls die Regierung der Einrichtung einer Medical school grünes Licht gäbe. In Insiderkreisen wird schon erzählt, die Entscheidung darüber werde womöglich nicht erst im zweiten Halbjahr 2015 fallen. Denn es gehe schließlich darum, dem Luxembourg Center for Systems Biomedicine Forschernachwuchs zu sichern, was wiederum der heimischen Wirtschaft zu einem Biotech-Standbein verhelfen soll. Bemerkenswert an dieser Argumentation ist, dass offenbar vor allem Wirtschaftserwägungen den Ausschlag geben und erst in zweiter Linie an die Ausbildung von Ärzten und einen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit gedacht wird.
Dahinter steckt ein politischer Richtungswechsel, der noch nicht klar ausgesprochen ist, sich aber abzeichnet. Die Zeiten christlich-sozialen Wohlwollens für uni.lu waren auch solche, in denen ein Minister François Biltgen erklärte: „Ich wehre mich gegen die pauschale Forderung nach Forschungsresultaten, die kurzfristig in der Industrie anwendbar sein sollen“ (d’Land, 26.10.2012). Heute werden die Stimmen aus der Handelskammer und der Fedil wieder lauter, die genau dies einfordern. Heute besteht die wesentliche Neuerung im Vierjahresplan der Universität in dem Bekenntnis, aktiver im Technologietransfer und bei der Verwertung von Forschungsresultaten zu werden. Wie sich rascher und systematischer Spin-off-Unternehmen gründen lassen und Wagniskapital zu deren Finanzierung aufgetrieben werden kann, will die Uni in einem Pilotprojekt testen. Der deutlichste Hinweis, dass uni.lu zu einer Forschungsuniversität mit ausgewählten, ökonomisch relevanten Bereichen konsolidiert werden soll, kommt vom nationalen Forschungsfonds: Postdoc-Wissenschaftler finanziert der FNR der Uni künftig nur noch, wenn dahinter ein Public-private partnership mit einem Unternehmen steht. Von purer Neugier getriebene Grundlagenforschung wird damit für die Uni etwas, was sie sich „leisten können“ muss, und für die Human- und Sozialwissenschaften wird die Abhängigkeit von Auftragsforschungsprojekten für den Staat zunehmen, bei denen man sich immer fragen kann, wie wissenschaftlich objektiv sie sein können.
Ob es dazu Alternativen gibt? Wahrscheinlich bestünde die einzige in der Fusion der vier öffentlichen Forschungszentren mit der Universität. So, wie es vor elf Jahren ihr Gründungsrektor François Tavenas erkannt und der damaligen CSV-Hochschulministerin Erna Hennicot-Schoepges versprochen hatte, diesen Kraftakt innerhalb nur eines halben Jahres zu vollziehen. Ob das hätte gelingen können, ist zwar nicht sicher. Aber mehr als Konsolidierung wären in der öffentlichen Forschungslandschaft Luxemburgs Umbau und Klärung der Fronten nötig.
Die Forschungsmission der Uni bestehe in der Grundlagenforschung und nur „punktuell“ in der anwendungsbezogenen Forschung. Die Forschungszentren hätten eine „recherche appliquée en faveur du développement socio-économique du pays“ zu betreiben und lediglich „punktuell“ eine „orientierte“ Grundlagenforschung: So hielt es der parlamentarische Forschungsausschuss erst kürzlich in einem erneut überarbeiteten Text zur Reform des 27 Jahre alten „CRP-Gesetzes“ fest. So ungefähr lautet die politische Orientierung seit Jahren – sie hat aber wenig mit der Wirklichkeit gemein. Salopp gesprochen: Anwendungsforschung und Technologietransfer sollten die Forschungszentren schon immer betreiben, doch wenn sie es tun, bescheinigen externe Gutachter ihnen mangelndes wissenschaftliches Niveau. Also verbessern die CRP ihre Wissenschaftsbasis und begeben sich auf ein Terrain, das eigentlich der Uni reserviert sein soll. Dagegen erhält die Universität in Evaluationen zumindest in manchen Bereichen ein hohes Niveau attestiert, doch ausgerechnet dort wird oft auch sehr einträgliche Anwendungsforschung betrieben. Bestes Beispiel ist das interdisziplinäre Zentrum für IT-Sicherheit (SnT), scharfer Konkurrent für das CRP Henri Tudor. Dass man bei Tudor alle vornehme Zurückhaltung schon lange hat fahren lassen und dem SnT unlauteren Wettbewerb vorwirft, liegt daran, dass es in Industrieforschungsprojekte Professoren einbinden kann, die dann aus dem Budget der Uni bezahlt werden, aber nicht aus dem Projekt selbst – wie es der Fall wäre, wenn ein CRP das tun wollte und dem Auftraggeber dann höhere Kosten in Rechnung stellen müsste.
Es ist deshalb keine schlechte Idee, dass der Forschungsstaatssekretär in den Vierjahresvertrag mit der Uni die Verpflichtung aufnehmen ließ, in den Bereichen IT, Biomedizin, nachhaltige Entwicklung und Materialwissenschaft eine gemeinsame Forschungsstrategie mit den CRP auszuhandeln. Noch besser wäre, alle Beteiligten fänden in Belval in der Cité des sciences in jenen thematischen Maisons zueinander, deren Bau seit Jahren versprochen ist – damit die große Fusion, ohne dass einer es merkt, einfach so im Alltag stattfindet.
Doch mangels Geld wurden beim staatlichen Fonds Belval sechs der vierzehn für die Wissenschaftsstadt geplanten Gebäude in die zweite Ausbauphase verlagert, von der unklar ist, wann sie beginnen wird. Alle sechs sind für Ingenieur- und Naturwissenschaften gedacht, die Belval eines Tages als Technologiestandort prägen sollen. Nur wann? 2015, wenn die Uni voraussichtlich ihren Umzug beginnt, werden vorerst nur Verwaltung und Humanwissenschaften verlagert, ab 2018 die Ingenieure vom Campus Kirchberg. Dagegen bleiben, weil die Gebäude fehlen, die Materialwissenschaftler der Uni in Limpertsberg und die IT-Spezialisten vom SnT am liebsten in ihrem aktuellen Domizil auf dem Kirchberg, wo man den Kunden vom Finanzplatz schön nahe ist. Die CRP Henri Tudor und Gabriel Lippmann verlagern ebenfalls keine Labors, denn wo sollten die hin? Klar scheint aber, dass das aus der bevorstehenden Verschmelzung beider CRP hervorgehende Luxembourg Institute of Science and Technology (List) ein gegenüber der Universität noch potenterer Konkurrent um Industrieaufträge werden wird. Inwieweit diese Konkurrenz sich wegverhandeln lässt, bleibt abzuwarten, denn immerhin sind Uni wie List juristisch autonom. Wie die Dinge liegen, sehen sie nicht gut aus für die Universität, und wer weiß, ob sie im elften Jahr ihres Bestehens nicht ihrer ersten ernsthaften Krise entgegengeht.