TTip

Großkatze im Sack

d'Lëtzebuerger Land du 18.07.2014

Es war ein lustiges Schauspiel, was sich da am Freitag vergangene Woche in der Chamber darbot. Vertreter der Zivilgesellschaft – Umweltorganisationen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände –, aber auch EU-Parlamentarier und nationale Deputierte waren gekommen, um mit der EU-Kommission und der Regierung über das umstrittene transatlantische Handelsabkommen TTip zu diskutieren, das die EU derzeit mit den USA verhandelt.

Schon zu Beginn erbat sich der EU-Kommissionsvertreter konkrete Fragen und bitte bloß keine Grundsatzdiskussion. Das war geschickt eingefädelt, ist doch das genau das Problem: Bisher sind nur wenige Details über das Abkommen an die Öffentlichkeit gedrungen, das durch den Abbau und die Harmonisierung so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse, also Importquoten, technische und rechtliche Vorschriften, mehr Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung bringen soll. Meistens als Leak oder wenn der Druck so groß wurde, dass die Kommission in Brüssel gar nicht anders konnte, als Auszüge zu veröffentlichen. Die USA wollten das so und die Kommission folgt– aus „Respekt vor dem Partner“. Selbst EU-Beamte und EU-Regierungen müssen sich in eigens in Brüssel eingerichtete geschützte Leseräume begeben, wenn sie mehr über das weltgrößte Handelsabkommen wissen wollen. Inzwischen kursieren Kopien des EU-Verhandlungsmandats, aber die Beratungen gehen in die sechste Runde und wie weit die Gespräche vorangeschritten sind, da hält die Kommission eisern den Deckel drauf.

Was durchsickert, ist auch nicht unbedingt geeignet, mehr Vertrauen in die Prozedur und ihre Inhalte zu haben. Denn neben dem TTip hat die EU mit Kanada über ein ganz ähnliches Abkommen (Ceta) verhandelt. Das umfasst beispielsweise auch die umstrittenen Investoren-Staat-Klagerechte. Zudem veröffentlichte die Enthüllungsplattform Wikileaks kürzlich einen Anhang zum Handelsabkommen Tisa, das die USA mit 50 anderen Ländern, darunter die EU-Länder, verhandelt und in dem die Finanzdienstleistungen enthalten sind. Die Luxemburger Gewerkschaften wollen nun wissen, wie TTip, Ceta, Tisa und Co. zusammenhängen, denn sie sorgen sich um die Auswirkungen für den Sozialstaat. Unklar ist nämlich, welche öffentlichen Dienste schlussendlich ausgeklammert bleiben und ob nicht doch Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge für Privatunternehmen liberalisiert werden. Ob mit einer fortschreitenden Öffnung das Luxemburger Sozialsystem zusammenbricht, das auf staatlichen Konventionen mit externen Trägern aufbaut, wie der OGBL warnte, ist vielleicht etwas alarmistisch, dennoch könnte das die Struktur des Luxemburger Wohlfahrtssystems gegebenenfalls nachhaltig verändern.

Aber nicht nur die Umweltorganisationen und die Arbeitnehmervertreter sehen Gefahren, auch Wirtschaftsverbände sind nicht frei von Bedenken. Einerseits wird versucht, den Klein- und Mittelunternehmen TTip mit Kostenersparungen durch Bürokratieabbau und mit dem Zugang zum billigeren US-Energiemarkt schmackhaft zu machen. Andererseits fürchten Unternehmen, im beschleunigten Wettbewerb Opfer weiterer Konzentrationsprozesse zu werden sowie unfaire Vorteile für multinationale Konzerne. Dass die EU-Kommission bei internen Anhörungen vor allem Groß-Lobbyisten aus der Wirtschaft ihr Ohr leiht, trägt nicht dazu bei, das Vertrauen zu stärken.

Und dann ist da noch der Spionageskandal. Über den spricht in Luxemburg zwar kaum jemand mehr, aber immerhin ist das Wort NSA beim Chamber-Hearing gleich mehrfach gefallen: Wenn die US-Geheimdienste nicht davor zurückschrecken, EU-Vertretungen mit Wanzen auszuhorchen, wer garantiert dann, dass die Verhandlungen auf Augenhöhe ablaufen? Selbst EU-Handelskommissar Karel de Gucht hat zugegeben, die Verhandlungen seien durch die Spionageaffäre belastet. Statt Respekt einzufordern und auf mehr Transparenz zu drängen, macht sich die EU klein. Da hat die Zivilgesellschaft wahrlich gute Gründe, alarmiert und skeptisch zu bleiben.

Ines Kurschat
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