Montagmorgen, 10.30 Uhr. Ortstermin: Nogemerbierg. Rund 20 Interessierte sind gekommen. Die Landwirtschaftskammer führt die Streifenfräse Ökosem IV in einem Maisfeld vor. Nach „Feld“ sieht es noch nicht aus. Die Acker wurden zuvor begrünt und gemäht. Das Laienauge sieht Grünland, Weiden. Darüber zieht der Traktor mit der Fräse seine Bahnen. Oder besser gesagt, Streifen. Der Boden, das ist die Besonderheit bei der Frässaat, wird nicht ganzflächig bearbeitet, sondern jeweils nur auf ungefähr 30 Zentimetern aufgebrochen und zerkleinert, das Maiskorn sofort abgelegt. So bleibt der Stickstoff im Boden und der Boden bei Starkregen dort, wo er ist. Die Bodenerosion wird verringert, erklärt Gilles Parisot von der Landwirtschaftskammer, und weil die Erde nicht ganz aufgebrochen wird, verdunste weniger Feuchtigkeit. Von Regen, Schwemme oder Dunst kann aber derzeit keine Rede sein. Der Boden ist staubtrocken, wirbelt hinter der Fräse in Wolken empor.
Nicht erst in den letzten Wochen, sondern seit Monaten hat es nicht ausreichend geregnet, sagt Marc Krier vom Service météorologique in Findel. Schon seit Januar liegt die Niederschlagsmenge deutlich unter dem historischen Durchschnitt. Die Temperatur liegt deutlich drüber. Im März fielen beispielsweise nur 15 Liter pro Quadratmeter, während in den vergangenen 30 Jahren im gleichen Monat im Durchschnitt 66,7 Liter Regen gemessen wurden. Die Durchschnittstemperatur betrug 7,1 Grad im Vergleich zum historischen Wert von 4,7 Grad.
Das macht der Landwirtschaft und dem Gartenbau arg zu schaffen. Die ersten irreparablen wetterbedingten Schäden sind diagnostiziert. Wenn es nicht bald andauernden Regen gibt, wird es schlimmer werden. Bei den Winterkulturen droht sich das Korn in der Ähre nicht zu entwickeln, bei den Sommerkulturen könnten die Nebentriebe ausbleiben. Dann würde es deutlich weniger Ähren pro Quadratmeter geben als sonst, und damit auch weniger Korn, erläutert Parisot. Im Lëtzebuerger Bauer rechnet man mit Ernteausfällen von zehn bis 15 Prozent. Von „substanziellen Einbußen“ spricht Marc Weyland von der Administration technique de l’Agriculture (Asta).
Für großflächige Bewässerungen, wie man sie auf den Anbauflächen im Süden Europas beobachten kann, sei man in Luxemburg nicht ausgestattet, sagt er. Vielerorts sei der Einsatz solcher Bewässerungsanlagen wegen der Hanglagen gar nicht erst möglich. Und anders als im Süden seien die Kulturen meist nicht so wertvoll, dass sich das Bewässern finanziell lohne, fügt er hinzu. Doch zu dramatischen finanziellen Einbußen müsse die aktuelle Trockenheit nicht notwendigerweise führen, meint Jeanne Hennicot von der Landwirtschaftskammer. „Wenn der Preis nachher stimmt“, wirft sie ein, „hat der Bauer am Jahresende die Kosten gedeckt.“
„Futtertechnisch“, gibt Hennicot zu bedenken, sei die Situation schon bedenklicher. „Schon vergangenes Jahr hatten wir keine großen Mengen im Grassilo. Jetzt sind die Reserven aufgebraucht.“ Und der erste Grasschnitt ist in der Menge sehr variabel ausgefallen. „Bis zu 50 Prozent“ betrügen mancherorts die Ausfälle, meint Weyland. In anderen Lagen wiederum sei alles normal. Ohnehin ist auch diese Rechnung noch nicht endgültig gemacht. „Beim zweiten und beim dritten Schnitt könnten eventuell größere Mengen anfallen“, sagt Berater Parisot. Wenn es vorher Regen gibt.
„Wenn es nicht genug Futter gibt, werden die Fleischproduzenten Tiere abstoßen“, warnt Weyland. Also schlachten lassen. Die höheren Kosten an die Verbraucher weiterreichen, könnten sie nicht, sagt er. Eher werden die Preise sinken, wenn viele Produzenten ihr Vieh gleichzeitig zum Schlachthof fahren. Eine Option, die Milchproduzenten mit ihren teuren Leistungstieren nicht in gleichem Maße offensteht. „Die müssen Futter herbeischaffen“, sagt Weyland. Auch wenn es teuer wird. Dabei steigen neben den Futterpreisen, sobald das Rohöl teurer wird, auch die Kosten für Diesel und Dünger. Wie sich das alles auf das landwirtschaftliche Einkommen auswirkt? „Konkrete Zahlen werden wir erst Ende des Jahres vorlegen können, wenn die Abrechnungen gemacht sind“, so Weyland.
Wie hoch die witterungsbedingten Ausfälle der Winzer an der Mosel sind, auch das wird sich mit Sicherheit erst nach der Lese im Herbst sagen lassen. „Man muss zwischen direkten und indirekten Schäden unterscheiden“, erklärt Robert Mannes vom Remicher Weinbauinstitut. „Die direkten Schäden sind durch den Frost entstanden, den es Mitte April und Anfang Mai gab.“ Vom 3. auf den 4. Mai fiel die Temperatur fast auf -3 Grad Celsius. Weil die Reben wegen des sonnigen Wetters 14 Tage Vorsprung in ihrer Entwicklung haben und die jungen Triebe schon weiter ausgeschossen waren als sonst um diese Jahreszeit, ist der Schaden in den so genannten Spätfrostlagen besonders hoch.
In den Senken und Tälern, aus denen die Kälte nicht entweichen kann, sind die Triebe erfroren. Die Rebstöcke selbst sind unversehrt. Früchte werden sie dieses Jahr aber keine tragen. Der Schaden ist an manchem Weinberg mit bloßem Auge erkennbar – wie die Baumgrenze im Hochgebirge. Oben, wo sich die Pflanzen normal entwickeln und Blätter gebildet haben, ist es grün. Unterhalb der Linie, wo sich die Kälte staut und die jungen Triebe abgestorben sind, überwiegen Grau und Braun.
Zwischen 30 und 80 Prozent beträgt der Schaden, den Fred Moos, Winzer aus Stadtbredimus, in manchen seiner Lagen festgestellt hat. Je nachdem, ob nur ein paar, oder wirklich alle Triebe eines Rebstocks erfroren sind. Zwei der 15 Hektar, die er bewirtschaftet, sind betroffen. Er nimmt es eher gelassen. Einerseits, weil es solchen Spätfrost „früher ungefähr alle zwei Jahre gab“, wie er sagt. Und zweitens: Gegen Frost und Hagel ist er versichert. Den Ausfall schätzt er auf zehn bis 15 Prozent seines Einkommens. Die Versicherung zahlt ihm 18 000 Euro pro Hektar beschädigter Rebfläche. Die Versicherungsprämie wird zur Hälfte bezuschusst. Trotzdem sparen sich viele Winzer die Kosten. Nur ein Drittel der Anbaufläche an der Luxemburger Mosel sei gegen Frost und Hagel versichert, schätzt Winzer Moos. Diese Winzer müssen eventuelle Schäden nun selbst tragen.
Die indirekten Schäden, wie sie Mannes nennt, die durch die anhaltende Trockenperiode entstehen, machen Moos mehr zu schaffen. „Älteren Rebstöcken, die tief verwurzelt sind, macht das derzeit wenig aus“, erklärt der Diplom-Ingenieur für Weinbau Mannes. „Nur die jüngeren Stöcke, deren Wurzeln noch nicht so tief reichen, leiden darunter.“
In Stadtbredimus und Remerschen wurden dieses Jahr nach einem Remembrement 15 Hektar neue Rebstöcke gepflanzt, erklärt Moos. Auf zwei Hektar hat er über 20 000 Euro in Stöcke investiert. Die muss er jetzt bewässern, „sonst waren Arbeit und Investition umsonst – dagegen kann man sich nicht versichern“. 50 Fuder Wasser hat er schon zulaufen lassen. Dass das so früh im Jahr notwendig wird, habe er noch nicht oft gesehen.
Bewässern steht derzeit auch für die Gemüsebauern Kirsch auf der Tagesordnung. Vater Niki und Sohn Claude bewirtschaften mit acht Mitarbeitern viereinhalb Hektar Freilandfläche und 3 000 Quadratmeter im Gewächshaus, sind damit die größten Gemüsebauern in Luxemburg. 80 bis 90 Prozent ihrer Ernte verkaufen sie direkt an Einzelkunden, am eigenen Stand auf dem Wochenmarkt. Die Firma gehört zum Netzwerk der fermes pédagogiques, und so führen die Kirschs nebenher, nach Termin, Schulklassen und Vereine durch den Betrieb.
„Hier ist fast nichts gewachsen“, sagt Caude Kirsch und zeigt auf die dünn bestückten Reihen. „Beim Rhabarber haben wir 90 Prozent Ausfall.“ Er schreitet zur nächsten Kultur. „Den Kerbel kann ich normalerweise dreimal abschneiden, bevor er blüht.“ Dieses Jahr kam die Blüte nach dem ersten Schnitt. Auf dem Feld, auf dem ungefähr alle zwei Wochen neuer Salat gesät wird, welkt der erste Satz bereits, hat braune Stellen. „Die Ware ist unverkäuflich“, sagt Gemüsebauer Kirsch. Satz Nummer fünf hat wegen Feuchtigkeitsmangel gar nicht erst gekeimt. Und weil der Winter zwar reich an Schnee, dafür aber relativ warm war, gibt es einerseits viele Mäuse. Andererseits sind die Kartoffeln, die nach der Ernte letztes Jahr im Boden blieben, nicht abgestorben, entziehen der Erde weitere Feuchtigkeit. Wer sie rausnehmen muss, hat Mehrarbeit.
„Theoretisch sind wir so ausgestattet, dass wir die ganze Anbaufläche bewässern können“, erklärt Claude Kirsch. „Doch wenn wir morgens gießen, kocht das Gemüse tagsüber im Boden. Wenn wir abends gießen, ist es die ganze Nacht über nass.“ Der Betrieb fängt das Regenwasser auf, das auf den Dächern der Gewächshäuser zusammenläuft, und hat zum gleichen Zweck erst kürzlich das Auffangbecken vergrößern lassen. „Aber wenn es nicht regnet, können wir nichts auffangen“, sagt Niki Kirsch. In einem normalen Jahr verbraucht der Betrieb 600 bis 700 Kubikmeter Leitungswasser zur Bewässerung. Dieses Jahr sind schon 2 000 bis 3 000 Kubikmeter Trinkwasser durch das Bewässerungssystem geflossen. Dass das die Kosten treibt, kann sich jeder selbst ausrechnen.
Kosten, welche die Gemüsebauern nicht an die Kunden weitergeben können. „Die Konkurrenz verkauft Ware aus Südeuropa. Die bestimmen den Preis“, erklärt Niki Kirsch. „Dort setzen die Betriebe billigste Arbeitskräfte ein, illegale Einwanderer. Welche Löhne wir hier zahlen, ist ja bekannt“, fährt er fort. Eigentlich müsste jetzt der erste Blumenkohl und Kopfsellerie in den Boden. „Doch dafür ist es zu warm.“ Genau beziffern auch die Kirschs ihre Ausfälle derzeit nicht. Doch dass sich verschiedene Kulturen dieses Jahr als Verlustgeschäft erweisen werden, steht außer Frage. „Dass wir so diversifiziert sind, so viele verschiedene Kulturen anbauen, ist unsere Chance“, sagt Kirsch. So gleiche meistens eine gute Ernte bei einer Kultur die schlechte Ernte einer anderen aus. „Was wir brauchen, ist endlich richtigen Regen.“