Dass die Unternehmensbeihilfen neu organisiert werden, ist der EU-Kommission geschuldet. Sie ist es, die darauf achtet, dass keine Unternehmen in der EU durch staatliche Unterstützung einen unerlaubten Vorteil gegenüber der Konkurrenz erhalten, und sie hat die Spielregeln gerändert. Deshalb stellten vergangene Woche Wirtschaftsminister Etienne Schneider und Staatssekretärin Francine Closener (beide LSAP) eine Reform des nationalen Beihilferahmens vor, mit der sich Luxemburg den neuen Vorgaben aus Brüssel anpasst.
Die EU-Kommission in Brüssel hat unter anderem die Kriterien verändert, nach denen Beihilfen zur regionalen Entwicklung wirtschaftlich benachteiligter Gebiete ausgezahlt werden dürfen. Solche vom Strukturwandel gezeichnete Regionen weisen eine höhere Arbeitslosigkeit aus, und in ihnen dürfen nicht mehr als acht Prozent der nationalen Bevölkerung wohnen. Wenn die Reformentwürfe, die Ende Juli im Parlament hinterlegt wurden, in Kraft treten, gelten zwei Gemeinden in Luxemburg als wirtschaftlich benachteiligt, in denen 7,8 Prozent der Gebietsansässigen zu Hause sind: Düdelingen und Differdingen. Zurückzuführen ist das, wie Mario Grotz, Regierungsrat im Wirtschaftsministerium, erklärt, auch darauf, dass es dort noch Grundstücke gibt, auf denen neue Unternehmen, beziehungsweise neue Unternehmensaktivitäten angesiedelt werden könnten.
Bisher konnten große Unternehmen Investitionsbeihilfen unter Programmen der regionalen Förderung auch dann beantragen, wenn sie bestehende Aktivitäten ausbauen wollten. Das geht in Zukunft nicht mehr. Dann gibt es nur noch Fördergelder, wenn sie völlig neue Aktivitäten lancieren. „Sehr, sehr beschränkt“, schätzt Grotz den Handlungsspielraum unter den neuen Vorgaben ein. Er rechnet in Zukunft mit vielleicht noch einem Antrag pro Jahr. Unter dem bisherigen Regime waren es fünf bis sechs. Das ist auch nicht besonders viel. Aber es ist die Art von Projekten, die helfen, Industrie- beziehungsweise Herstellungsbetriebe in Luxemburg zu halten, obwohl die Löhne hier vergleichsweise hoch sind. Unter den fünf Betrieben, die 2014 eine „regionale“ Investitionsbeihilfe erhielten, waren, wie aus dem Jahresbericht des Wirtschaftsministeriums hervorgeht, Circuit Foil und Husky Injection Moulding. Erstere setzt ein mehrjähriges Investitionsprogramm zur Qualitätsverbesserung der Produkte um. Letztere investiert in die Modernisierung ihrer Produktionslinie. Solche Projekte sind in Zukunft nicht mehr förderfähig.
Rund 55 Millionen Euro werden die fünf Firmen, die vergangenes Jahr eine Beihilfe erhielten, investieren, um ihre Produktion wettbewerbsfähig zu halten. Zwischen 2009 und 2015 bezuschusste der Staat im Rahmen der regionalen Förderung Investitionen großer Unternehmen von insgesamt 454,04 Millionen Euro mit 46,2 Millionen Euro. Für den Zeitraum bis 2020 rechnet man im Wirtschaftsministerium noch mit Ausgaben von 1,5 bis zwei Millionen Euro Fördergelder. „Das bereitet uns große Sorgen“, sagt Grotz. Zwar werden auch in Zukunft kleine und mittlere Unternehmen (KMU) über ein separates Regime weiterhin Investitionsbeihilfen beantragen können. Doch auch wenn es nur wenige Herstellungsbetriebe geben dürfte, die in Luxemburg mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen – das ist EU-Richtwert –, werden die meisten von ihnen nicht als KMU gewertet werden, weil sie einer größeren Firmengruppe mit Sitz außerhalb Luxemburgs angehören. Grotz sieht die Vorgaben der EU-Kommission kritisch. Nicht nur aus dem nationalen Blickwinkel heraus, sondern auch aus einem europäischen. „Es wäre richtig, die Unternehmensbeihilfen herunterzusetzen, wenn sich der Handlungsrahmen auf die EU beschränkt. Aber viele Unternehmen, zum Beispiel in der Automobilindustrie, sind einer internationalen Konkurrenz über die europäischen Grenzen hinweg ausgesetzt.“ In China und den USA habe man weniger Skrupel mit Fördergeldern.
Es kann ein wenig widersprüchlich wirken, was die Regierung mit der Reform der Forschungsförderung vorhat. Denn einerseits sollen die Beihilfen in Zukunft gezielter eingesetzt werden, um die privaten Forschungsausgaben über eine verstärkte Zusammenarbeit mit den öffentlichen Forschungszentren (CRP) in die Höhe zu schrauben, nach dem Motto: Es gibt mehr Geld, wenn ihr mit uns zusammenarbeitet. Andererseits sieht der Reformentwurf für den Zeitrahmen bis 2020 Ausgaben für Fördergelder von 200 Millionen Euro vor, während von 2009 bis Ende 2014 304 Millionen Euro an Forschungs- und Innovationssubventionen ausgezahlt wurden. Hinzu kommt, dass in Zukunft die Forschungs- und Innovationsbeihilfen für KMU nicht mehr über ein Sondergesetz geregelt sind, sondern auch sie unter ein Regime mit den „großen“ Unternehmen fallen.
Die Ansage im Reformentwurf ist deutlich. Die privaten Forschungsausgaben sollen von 0,71 Prozent 2013 bis 2020 auf mindestens 1,4 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ansteigen. Das Zwischenziel lautet: 1,1 Prozent bis 2017. Das Mittel zum Zweck: öffentlich-private Partnerschaften (PPP). Von aktuell zehn jährlich soll die Anzahl solcher PPPs laut Reformentwurf auf 20 hochgeschraubt werden. Dabei sollen strengere Kriterien als in der Vergangenheit gelten, erklärt Grotz. Bis jetzt erhielt eine Firma, die eine zehnprozentige öffentliche Beteiligung belegen konnte, bis zu 15 Prozent mehr Fördergelder. „Viele“ der Projekte hätten eine Beteiligung der CRP von um die elf Prozent ausgewiesen, so der Regierungsrat. Solche „Alibi-Kollaborationen“ soll es in Zukunft nicht mehr geben. Wenn Unternehmen die zusätzlichen Fördergelder wollen, muss die Zusammenarbeit mit den öffentlichen Forschungsinstituten mehr Substanz haben als bisher.
Neu ist außerdem, dass Projekte künftig ausgewertet werden sollen, ihr Impakt erstmals gemessen werden soll. Dass das bisher nicht passiert ist, mag überraschen, sei aber kein Luxemburg-spezifisches Problem, sondern eine europaweites, so Grotz, weil es dafür bisher keine vereinheitlichten wissenschaftlichen Methoden gegeben hätte. „Zumindest stichprobenartig“ wolle man bezuschusste Forschungsprojekte evaluieren.
Mit ihrem Entwurf will die Regierung einerseits den in der EU-2020-Strategie festgelegten Forschungszielen näher kommen. Andererseits versucht sie auf die Kritik und die Empfehlungen von OECD und Wirtschafts- und Sozialrat zu reagieren, die in ihren jeweiligen Auswertungen der nationalen Forschungsbestrebungen zum Schluss gekommen waren, dass in zu viele Richtungen geforscht werde und die private Forschung ausgebaut werden müsste. Die OECD hatte eine gezieltere Ausrichtung auf bestimmte Forschungsfelder und auf größere Projekte gefordert. Der Reformentwurf hält immerhin noch sieben prioritäre Forschungsbereiche fest: Materialforschung, nachhaltige Technologien, Life sciences, Logistik, Raumfahrttechnologien, Automobiltechnik sowie Informations- und Kommunikationstechnologien. Das soll nicht heißen, unterstreicht Grotz, dass ausschließlich Projekte in diesen Gebieten unterstützt werden. Erstklassige Akteure aus anderen Sparten will man nicht verprellen.
Damit das mit der besseren Zusammenarbeit nicht nur zwischen öffentlichen und privaten Forschungszentren, sondern auch zwischen unterschiedlichen privaten Akteuren besser klappt, sieht der Entwurf als neues Förderinstrument die Bezuschussung gemeinsamer Forschungsinfrastrukturen vor. Wenn sich mehrere Firmen ein Labor teilen wollen, damit ein Leistungszentrum bilden, kann der Staat in Zukunft die Einrichtung bezuschussen.
Weil auch die Forschungsausgaben dem Spardiktat der Regierung unterliegen, baut der Reformentwurf für die Zukunft vor und sieht neue Hilfsinstrumente vor. Dadurch wird es künftig möglich sein, statt Beihilfen auch Vorschüsse zu geben, die zumindest teilweise zurückgezahlt werden müssten. „Der Staat würde weiterhin helfen, das technologische Risiko eines Projektes zu tragen. Doch wenn daraus ein kommerzieller Erfolg entsteht, könnte ein Teil des Vorschusses zurückverlangt werden“, erklärt Grotz. Außerdem sieht der Entwurf vor, dass Steuervergünstigungen als Förderinstrument eingesetzt werden könnten. Dazu wären aber noch weitere Reglements mit den genauen Bedingungen notwendig.
Apropos Geld. Um die Hände für die Analyse großer Projekte frei zu haben, will man die kleineren Anträge, in denen es um weniger als 200 000 Euro geht, in Zukunft an Luxinnovation auslagern. Der Entwurf sieht diese Möglichkeit vor, wie das genau funktionieren soll, müsste allerdings noch in einer Konvention mit dem Groupement d’intérêt économique (GIE) aus Staat, Handels-, Handwerkskammer und Industriellenverband Fedil geklärt werden. Ob Luxinnovation staatliche Gelder auszahlen darf? „Wenn es eine klare Prozedur und Kriterien gibt, ist das unserer Meinung nach nicht problematisch“, so der Regierungsrat im Wirtschaftsministerium. „Wir hoffen, dass der Staatsrat das ähnlich sieht.“
Auch für die Beihilfen im Umweltbereich gilt: KMU werden in Zukunft unter das gleiche Förderregime fallen wie Großunternehmen. Die Reform soll außerdem helfen, die Klimaziele zu erreichen, mit denen sich Luxemburg gegenüber der EU engagiert hat: elf Prozent vom Endverbrauch sollen bis 2020 aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Letzteres wird voraussichtlich mehr ins Geld gehen, als die Bemühungen, die Wirtschaft Richtung Umwelttechnologien und nachhaltiges Bauen umzuorientieren – das sind, wie die Kreislaufwirtschaft, ebenfalls Ziele der Reform.
Von den fünf neuen Förderinstrumenten ist deshalb das zum Bau von Energieinfrastrukturen wohl das wichtigste. Damit könnten kostenintensive Windstromanlagen mitfinanziert werden. Ein Indiz dafür ist die fiche financière, die dem Entwurf beiliegt: Dort sind bis 2020 Förderausgaben von 125 Millionen Euro vorgesehen, während von Anfang 2010 bis Mitte 2015 nur 52,4 Millionen Euro Subventionen gezahlt wurden. Die geplante Ausgabensteigerung liegt bei über 70 Prozent. Fast 100 der insgesamt 125 Millionen Euro sind für die Industrie vorgesehen, die KMU sollen sich etwas mehr als 25 Millionen Euro teilen.
Waren Blockheizkraftwerke auch unter dem alten Regime schon förderfähig, soll ab jetzt auch das Netz, mit dem die Anlieger an das Kraftwerk angeschlossen werden, bezuschusst werden können. Neu ist auch, dass Firmen, die beim Bau ihrer Verwaltungsgebäude besonders hohe Umweltnormen erreichen, Beihilfen beanspruchen können. Und: Dass der Staat künftig explizit die Dekontaminierung verschmutzter Grundstücke mitfinanzieren kann. „Das richtet sich nicht an Arcelor-Mittal“, unterstreicht Mario Grotz, „sondern ist für Fälle gedacht, in denen verlassene Grundstücke, beispielsweise im Fall einer Insolvenz, wieder nutzbar gemacht werden sollen.“
Abfälle wieder nutzbar machen – darum geht es in der Kreislaufwirtschaft, die ins Rollen gebracht werden soll. Deshalb sollen Unternehmen, die den Abfall anderer recyceln und weiterverarbeiten, besonders unterstützt werden.