Wer sich für Verkehrspolitik interessiert, kann meinen, seit der Juncker-Polfer-Koalition komme keine Regierung daran vorbei, dem Land ein Mobilitätskonzept zu schenken. 2002 präsentierte der damalige DP-Transportminister Henri Grethen Mobilitéit.lu. 2007 folgte unter der Federführung von Grethens sozialistischem Nachfolger Lucien Lux Mobil 2020. Und gestern stellte Nachhaltigkeits- und Infrastrukturminister Claude Wisler (CSV) Modu vor, was für Mobilité durable steht.
Allerdings ist Modu weder eine Revi-sion, noch die Summe seiner Vorgängerwerke. Dass Wiseler gestern Vormittag eher eine Vorlesung denn eine Pressekonferenz zu dem auf 160 Seiten (www.modu.lu) resümierten Konzept gab, liegt daran, dass es darin tatsächlich um das komplexe Thema Mobilität geht und darum, wie man möglichst schnell und bequem von A nach B gelangen kann. Dagegen hatte Mobilitéit.lu und noch mehr Mobil 2020 vor allem neue Infrastrukturen beschrieben. Dass Wiseler weiter gehen kann, liegt schon daran, dass er seit der Schaffung seines „Superministeriums“ für Schienenwegs- wie für Straßenplanungen zuständig ist. Kein Minister vor ihm hatte so viel Planungskompetenz. Dass die Straßenbauverwaltung des Bautenministe-riums den Transportminister mit einem eigenen Verkehrskonzept düpiert, wie es Grethen seinerzeit erleben musste, war gestern.
Modu gibt einerseits bisherigen Infrastrukturentscheidungen nachträglich Sinn – auch dem Verzicht aus Kostengründen, den die Regierung zu den Bahn-Neubaustrecken nach Esch/Alzette oder zum Flughafen traf. Modu priorisiert daneben verschiedene Vorhaben: Am Ausbau der Autobahn zwischen Capellen und Düdelingen auf zweimal drei Spuren wird zwar weiterhin festgehalten, doch der Baubeginn wird über die aktuelle Legislaturperiode verschoben. Dagegen soll der Bau von Entlastungsstraßen voran getrieben werden: um Clerf und um Kehlen zum Beispiel, aber auch um Käerjheng und Bous, oder westlich der Hauptstadt mit dem Boulevard de Merl oder der Cessinger Umgehungsstraße.
Vor allem jedoch beschreibt Modu den Verkehr in „Ketten“ – von der Haustür zum Bestimmungsort sozusagen. Deren Verwirklichung, die wiederum an Infrastrukturen gebunden sein wird, ist zwar längerfristig angelegt – zum Teil bis 2030. Doch dabei werden bisweilen ganz neue Horizonte eröffnet. Zum Beispiel hält Modu es für machbar, dass eines Tages 13 Prozent aller Fortbewegungen zu Fuß oder per Fahrrad erledigt werden könnten – in den Ballungsräumen, wo heute schon fast die Hälfte aller Ortswechsel überhaupt stattfindet. Dazu sollen offensiv Radwege angelegt und gemeindeübergreifend vernetzt werden.
Der öffentliche Transport soll zum Teil reorganisiert werden: Wie Wiseler das schon vergangenen Herbst angedeutet hat, soll der Überland-Busverkehr stärker als bisher die so genannten zentralen Orte bedienen. Das heißt, es soll künftig weniger direkte Fahrten in Richtung Hauptstadt geben; stattdessen sollen Buslinien stärker in den regional größeren Gemeinden enden und von dort höherrangige Verbindungen zum nächstwichtigen Ort weiterfahren. Das kann Luxemburg-Stadt sein, aber auch Ettelbrück oder Redingen.
Für zügigeren Überland-Busverkehr verstärkt Busspuren und Bus-Vorrangschaltungen an Ampeln einrichten zu wollen, hatte der Infrastrukturminister ebenfalls schon beschrieben. Neu ist, dass RGTR-Busse so gut wie völlig aus den Straßen der Hauptstadt verschwinden und für die Buslinien in Richtung Luxemburg-Stadt neun Endhalte an der Peripherie angelegt werden sollen. Von dort würden die Passagiere feinverteilt; sei es mit städtischen Bussen, sei es mit der Tram.
Letztere nennt der Minister weiterhin „einen Teil des Ganzen“. Den innerstädtischen Verkehr hin zu den gro-ßen Entwicklungpolen wie dem Kirchberg, Howald oder später dem Ban de Gasperich und der Porte de Hollerich allein mit Bussen bewältigen zu wollen, ist laut Modu nicht machbar. Den Tram-Ausbau bis zur Cloche d’Or und dem Ban de Gasperich sowie über Hollerich nach Cessingen hält Modu allerdings mit „Horizont 2030“ fest.
Ob dieser Ansatz reicht, um zum Umstieg vom Auto aufs Fahrrad und den öffentlichen Transport anzureizen? Ein kritischer Punkt im Konzept besteht darin, dass es Umstiege, durchaus sogar mehrere Umstiege unterwegs für unvermeidlich deklariert. Gegengesteuert werden soll durch möglichst „sinnvolle“ und „effiziente Umsteigeplattformen“, auf denen der Wechsel des Verkehrsmittels möglichst nicht als unbequem empfunden werden soll. Was wiederum eine Infrastrukturaufgabe werden wird.
Ein zweiter wichtiger Punkt für mehr Nutzerfreundlichkeit heißt im Modu-Konzept „Telematik“: So, wie an den wichtigsten Haltestellen der Hauptstadtbuslinien Anzeigetafeln nicht nur über die Abfahrtzeit der nächsten Busse informieren, sondern auch via GPS über deren Verbleib im Verkehr, sollen nächstes Jahr alle CFL-Züge rückverfolgbar sein und darüber soll auf den Bahnhöfen informiert werden. Mittelfristig werden die RGTR-Busse eingebunden: Der Auftrag für die Überlandbus-Telematik wurde vor zwei Monaten ausgeschrieben.
Letzten Endes ist Modu ein pragmatisches Konzept. Es beklagt in der Einleitung, das Land erlebe eine „diffuse“ Urbanisierung, doch das Wohnungsbaupakt-Gesetz, das seit 2008 noch der kleinsten Gemeinde zu wachsen erlaubt, steht politisch nun mal nicht in Frage. Die Idee vem schienengebundenen Überland-Verkehrsmittel Train-Tram zu begraben, das flexibler wäre als die klassischen Züge und attraktiver als Busse, war 2006 ebenfalls eine politische Entscheidung. Nun liegt ein Ansatz vor, der umgesetzt werden kann. Was er bringt, wird sich zeigen.