„Es ist mit nichts vergleichbar, was Sie bisher probiert haben“, sagt die Mitarbeiterin von Mobilboard. Samstagnachmittag, Remich, Esplanade, vor dem Kai der Marie-Astrid. Ausgangspunkt für Segway-Spazierfahrten durch die Moselstadt, welche die Agentur Mobilboard seit dem Osterwochenende anbietet. „Sie werden sehen, es ist ein bisschen wie ein fliegender Teppich, aber den hat ja auch noch niemand probiert.“ Was erst einmal nach einem ziemlich einfältigen Werbespruch klingt, soll sich bewahrheiten. Segway-Fahren ist tatsächlich nur schwierig mit anderen Fortbewegungsmöglichkeiten vergleichbar. Weil der Roller mit Seitenrädern und Elektroantrieb wie durch Magie das Gleichgewicht hält, sobald man draufsteigt – wenn man denn selbst stillhalten kann. Und man allein durch Verlagerung des Körpergewichts beschleunigt, bremst und abbiegt – was sich ein bisschen so anfühlt, als ob man das Ding durch Gedankenübertragung steuern würde.
Nachdem Helm – obligatorisch – und Funkkopfhörer – damit man den Instrukteur hören kann – aufgesetzt sind, gibt es erstmal eine kurze Einführung ins Segway-Fahren. Denn ein wenig Üben, wie weit genau man sich nach vorne lehnen muss, um zu beschleunigen, beziehungsweise wie weit man sich nach hinten legen muss, um wie geplant zum Stehen zu kommen, bevor man sich durch die Touristenmenge am Kai schlängelt, ist erstens sinnvoll, zweitens Pflicht bei Mobilboard.
Dann geht’s los in einer Reihe, immer dem Instrukteur hinterher, entlang der Uferpromenade, vorbei an der Mini-Karting- und der Minigolf-Anlage. Bruno Pinto gibt sein Bestes, die Attraktionen Remichs feil zu bieten, während die Segway-Neulinge noch ein wenig die Gewichtsverlagerung adjustieren. Pinto hat zusammen mit anderen Partnern, darunter die Agentur Brain[&]More, die Franchising-Rechte für Mobilboard in Luxemburg erworben, was ihnen die Exklusiv-Rechte für die Vermarktung der Wunderroller im Land sichert, wie auch für Dienstleistungen, die sich ans breite Publikum richten. Denn hinter der Franchise steht niemand anders als Segway Inc selbst, die Firma, welche die Elektroroller in Bedford, New Hampshire, USA produziert. So kommt an Mobilboard auch nicht einmal wirklich vorbei, wer ein Segway kaufen möchte.
Dafür mussten Pinto und seine Partner nicht nur Geld für die Franchising-Rechte berappen – wie viel will er nicht sagen. Sondern auch eine mehrtägige Ausbildung absolvieren, in der man sowohl Vermarktungstechniken, Sicherheitsvorkehrungen wie auch pädagogische Konzepte für die Einführung der Kunden erlernt. Das System erlaubt es dem Hersteller, die Vermarktung und den Einsatz seines Produktes streng zu kontrollieren. Auch die Instrukteure, die für Mobilboard Luxembourg Spazierfahrten anführen – Studenten oder andere freie Mitarbeiter –, müssen alle einen Kurs bei Pinto absolvieren und einen Segway-Führerschein machen. Die strenge Kontrolle trägt wahrscheinlich auch dazu bei, dass wenige Unfälle passieren. „Dass ein Unfall durch einen technischen Mangel am Segway verur-sacht wurde, konnte bisher noch nie belegt werden“, sagt Pinto. Nicht mal der tödliche Unfall des Hauptinvestors Jimi Heselden, der 2010 mit seinem Segway an einer Klippe abstürzte, unterstreicht Pinto. Der Mann habe einen Herzinfarkt gehabt. Ob vor oder nach dem Absturz, sei nicht geklärt, räumt er ein.
Mobilboard Luxembourg, eine Agentur des französisches Netzwerks, hat 16 Segways zur Verfügung und plant, nicht nur Spazierfahrten in Remich anzubieten, sondern will dies künftig auch in Echternach, dem Minett und der Hauptstadt tun. Und zwar schon bald. Noch wartet man auf eine Antwort der Stadt Luxemburg, die entscheiden muss, wo die Segway-City-Touren abfahren sollen, bei der Gëlle Frau oder am Knuedler. Es ist eine Frage von Tagen, hofft Pinto, bis die Entscheidung vorliegt. Denn in der Hauptstadt will man nicht nur Spazierfahrten anbieten, bei denen die Hauptattraktion wahrscheinlich das Segway-Fahren selbst ist, sondern auch Segway-Führungen mit ausgebildeten Stadtführern anbieten, zu buchen beim Luxembourg City Tourist Office.
In Remich führt Pinto seine Gruppe an den Weinhängen vorbei zurück ins Dorf, dann einen steilen Anstieg hinauf, den die Segways ohne Problem und bei konstanter Geschwindigkeit schaffen. „Einfach ganz nach vorne aufs Trittbrett stellen und ganz nach vorne lehnen“, instruiert Pinto über sein Funk-Mikrofon, fährt aber doch einen Zacken schneller als die Remich-Besucher. Kein Wunder. Deren Maschinen sind auf acht Stundenkilometer gedrosselt – „anders wäre es zu gefährlich“ –, während sein ungedrosseltes Gerät mit maximal 20 Stundenkilometern braust. Weil der Segway eine Reichweite von 40 Kilometern hat und als Elektorgerät wenig Co2-Emissionen verbucht und keine Schadstoffe freisetzt, bewerben ihn die Hersteller auch als alternatives Verkehrsmittel für den Individualverkehr. „Wir tun etwas für die Umwelt“, gibt Pinto an der Mosel durchs Mikrofon durch. Das Segway sei eine neue Technologie, sagt der Informatiker. Das sei es, was sein Interesse geweckt habe.
Dass es für solche Segway-Fahrten eine Nachfrage und einen Markt gibt, daran glaubt Pinto fest, obwohl Segways auf Luxemburgs Straßen in den vergangenen Jahren eine Ausnahme waren. Dafür gibt es zweierlei Ursachen. Dass sich die Segways nicht verbreitet haben, liegt daran, dass sich die von Dean Kamen erfundenen und ab 2001 in Serie hergestellten Elektroroller nicht mehr bei der Kontrollstation in Sandweiler anmelden ließen, weil sie den Bestimmungen als Elektro-Fahrrad – als solches gelten sie – nicht entsprachen. Deswegen musste sich Mobilboard erst mal um die Homologation der Roller kümmern, was „relativ schnell“ ging, wie Pinto betont, also drei Monate dauerte und den Zeitplan für den Start der Fahrten etwas zurückwarf. Andererseits müssen Pinto und seine Mobilboard-Partner ganz einfach daran glauben, dass es eine Nachfrage gibt. Sie haben, vom Franchising-Deal abgesehen, viel investiert, über 150 000 Euro. Ein Segway kostet nahe 8 000 Euro, die Batterien, die es antreiben, um die 3 000 Euro. Da muss, wer eine Flotte haben will, tief in die Tasche greifen.
Dass müssen diejenigen, die das Segway-Fahren ausprobieren wollen auch. Im Monat April bietet Mobilboard Luxembourg seine 90-minütige Segway-Spazierfahrt noch zum Probierpreis von 35 Euro pro Person an. Danach wird der Ausflug 45 Euro pro Person kosten. Die zweistündige Stadtführung mit den Stadtführer,n die per Pedes neun Euro für einen Erwachsenen kostet, wird mit dem Segway 50 Euro für eine Stunde und 90 Euro für zwei Stunden kosten. Etwas zu teuer, um zum Publikumsrenner zu werden? „Das ist der Preis“, sagt Pinto, „auch in anderen Städten, wie Hamburg oder Wien.“ Der rechtfertige sich dadurch, dass man auf dem Segway in der gleichen Zeit weitaus mehr als zu Fuß erledigen könne.
Für Familien mit Kindern fällt der Segway-Spaß ohnehin aus. Auf jeden Fall für die Kinder, denn damit der Segway rollt, muss man mindestens 45 Kilogramm aufs Trittbrett bringen und, so wollen es die Mobilboard-Bestimmungen, mindestens 14 Jahre alt sein. Dass aber sei den Leuten klar, sagt Pinto, und deswegen kein Problem. Er plant am Ausbau seines Freizeit-Tourismus-Angebots, will künftig auch themengebundene Fahrten anbieten. Zum Beispiel eine gastronomische Fahrt im Dreiländer-Eck um Schengen, mit Essen und Weinverköstigung (nach der Fahrt) sowie Erklärungen zum Weinbau an der Mosel inklusive. Eine Idee, die beispielsweise auch das Fremdenverkehrsamt Trier für 99 Euro pro Teilnehmer zu verkaufen versucht.
Daneben vermietet die Franchise die Fahrzeuge auch zu Werbezwecken an andere Firmen – unter der Bedingung, dass die eingesetzten Mitarbeiter einen Segway-Führerschein gemacht haben – und bietet Firmen-events an. Bis zu 60 Leuten können an Segway-Schnitzeljagden, Parcours-Fahrten und anderen Team-Building-Aktivitäten teilnehmen. Für den Mai sind die ersten Kunden-Events ge-plant, die, wenn das Wetter schlecht sein sollte, beispielsweise auch in der Luxexpo stattfinden können. Kostenpunkt pro Kopf: Zwischen 30 und 40 Euro. Ein wettbewerbsfähiges Angebot, wie Pinto meint. „Wenn Sie Kart fahren, sind Sie ganz schnell bei zwischen 50 und 60 Euro pro Person.“ Solche Dienstleistungen, die sich an Firmen richten, dürfen trotz der Mobilboard-Exklusiv-Rechte auch Konkurrenten anbieten. So hat beispielsweise auch die Event-Agentur Meetincs einige Segways der Cross-Country-Variante angeschafft und wirbt mit ganz ähnlichen Angeboten.
In Remich hat Pinto zum Abschluss der Rundfahrt einen kleinen Slalom-Parcours angelegt, den die Teilnehmer schnellstmöglich durchfahren sollen, was die Geschicklichkeit der Teilnehmer dermaßen verbessert, dass er seine ungedrosselte Maschine für eine kurze Probefahrt hergibt. Wwwwrm! Flugs flitzt der Segway an der Mosel entlang, der Wind weht um die Nase, der Spieltrieb ist maximal stimuliert. Spätestens da lacht das große „Kind“ auf dem Trittbrett.