Außenminister Jean Asselborn (LSAP) hatte vor 14 Tagen fast die Fassung verloren. Denn kurz zuvor hatte CGFP-Generalsekretär Romain Wolff vorgeschlagen, statt beim Gehälterabkommen der Staatsbeamten doch lieber bei der „millionenteueren“ Kampagne für einen Luxemburger Sitz im UN-Sicherheitsrat zu sparen. Denn „was bringt das?“ Auf dem Parteikongress der LSAP hatte Asselborn deshalb gekontert, dass die Kampagne 150 000 Euro jährlich koste, und gedroht, im Regierungsrat sein Einverständnis zum Gehälterabkommen davon abhängig zu machen, dass die Gewerkschaft ihre „kleinlichen Kritiken“ an seiner Politik einstellt.
Dass Vize-Premier Asselborn wenig staatsmännisch einen solchen politischen Kuhhandel vorschlägt, zeigt, wie sensibel die Kandidatur für den Weltsicherheitsrat ist. Ihr Erfolg entscheidet sich in wenigen Monaten, wenn die Ende September eröffnete Sitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen fünf neue Mitglieder des Sicherheitsrats wählen soll. Immerhin geht es um ein Kernstück der außenpolitischen Wende, die Luxemburg genommen hat, seit der Kalte Krieg zu Ende ist und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts zum obersten Staatsauftrag geworden ist.
Statt bloß der kleine Trittbrettfahrer in den großen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bündnissen zu sein, bemüht sich die Regierung, in einer globalisierten Welt auch außerhalb Europas diplomatisch sichtbar zu sein – sei es durch einen hohen Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt, sei es durch die Teilnahme an militärischen Auslands[-]einsätzen oder eben durch den erhofften Sitz im Weltsicherheitsrat. Denn nur wenn das Land nicht bloß als Steuer[-]oase gilt, sondern als winziger, aber doch vollwertiger Staat mit allen Hoheitsattributen ernst genommen wird, kann es auch seine wirtschaftlichen Interessen verteidigen.
Das bisher ranghöchste Amt bei den Vereinten Nationen hatte Staats- und Außenminister Gaston Thorn (DP) inne, der 1975 die 30. Sitzung der Vollversammlung präsidierte. Doch das entscheidende Gremium der Vereinten Nationen ist der Weltsicherheitsrat, da sich alle Mitgliedsstaaten in der UN-Charta verpflichten, seine Beschlüsse auszuführen. Ihm gehören fünf ständige, über ein Vetorecht verfügende Mitglieder an, die Atommächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA, sowie zehn Mitglieder, die jeweils von der Vollversammlung für zwei Jahre gewählt werden.
Von den 193 UN-Mitgliedstaaten gehörten 71 noch nie dem Sicherheitsrat an. Dazu zählen viele pazifische Mikrostaaten, zahlreiche erst vor kurzem unabhängige Staaten und einige angebliche Schurkenstaaten. Unter den 51 Gründungsstaaten der Vereinten Nationen von 1945 saßen aber lediglich fünf noch nie im Weltsicherheitsrat: die Dominikanische Republik, El Salvador, Haiti, Saudi-Arabien und Luxemburg. Belgien, die Niederlande und Deutschland gehörten dagegen dem Weltsicherheitsrat jeweils schon fünfmal an, Frankreich ununterbrochen.
Die Regierung versteht den Sitz im Weltsicherheitsrat nicht bloß als politisches Prestigeprojekt, sondern als Investition. Außenminister Jean Asselborn hatte die nun beanstandeten Kosten im November gegenüber dem Lëtzebuerger Land auf insgesamt „weniger als eine Million Euro“ geschätzt und erzählt: „Als ich 2004 Außenminister wurde, lernte ich im Rahmen des europäischen Ratsvorsitzes über 100 Außenminister persönlich kennen und wir begannen, Abmachungen zur gegenseitigen Unterstützung zu treffen. Ich habe auch viele ermutigende Worte von afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Staaten gehört. Denn in den Vereinten Nationen gibt es viel mehr kleine als große Länder. Wir konnten so auch schon Kontakte zu Gegenden knüpfen, in denen wir bisher kaum präsent waren.”
Dabei ist die Kampagne für den Sitz in New York nicht einmal eine Entscheidung des amtierenden Außenministers, sondern bloß ein Erbstück. Denn es war die liberale Außenministerin Lydie Polfer, die vor mehr als einem Jahrzehnt, in ihrer außenpolitischen Erklärung am 20. März 2001, vor dem Parlament bedauert hatte, dass Luxemburg noch nie Mitglied des Weltsicherheitsrats gewesen sei, und ankündigte, dass die damalige CSV/DP-Koalition sich um einen Sitz für die Periode 2013-2014 bewerbe.
Allerdings hatte Lydie Polfer schon vor einem Jahrzehnt eingeräumt, dass ein Sitz im Weltsicherheitsrat die Bereitstellung umfangreicher Mittel, vor allem an diplomatischen Mitarbeitern, verlange. Deshalb gab CGFP-Generalsekretär Romain Wolff vor zwei Wochen nur die Bedenken einer Anzahl Mitarbeiter des Außenministeriums wieder, die ihrem Minister vorwerfen, die Ressourcen falsch einzusetzen, und Luxemburg im Sicherheitsrat zu zwingen, zu allen Kon[-]flikten dieser Welt Stellung zu beziehen und sich dadurch nicht nur neue Freunde, sondern auch neue Feinde zu machen. Solche Kritiken hatte bisher nur der Directeur du budget im Außenministerium, Fernand Kartheiser, öffentlich geäußert, seit er Abgeordneter der ADR wurde.