Wenn auf dem Glacis schon Wochen vor der Eröffnungszeremonie emsig gewerkelt wird und das Eingangstor, auf dem sich jedes Jahr kitischigere Fabelwesen in Rosa und Türkis unter greller Beleuchtung tummeln, Form annimmt, dann weiß jeder: Das Unheil naht in zügigen Schritten. Am 22. August um 17 Uhr ist es dieses Jahr schließlich soweit: Mit viel Tamtam und Trara wird die Schueberfouer eingeweiht. Sie ist laut, sie platzt aus allen Nähten, sie zieht einem den letzten Geldschein aus dem Portemonnaie und sie stinkt zum Himmel. Alle finden sie toll, ist sie doch Tradition und Kulturgut, der Stolz einer Nation. Jedes Jahr kommt sie wieder, dieses Jahr schon zum 668. Mal. Das ist das Gesetz der Serie.
Der Historiker Steve Kayser hat sich eine kindliche Begeisterung für das traditionsreiche Ungetüm bewahrt. In seinem bei Éditions Schortgen erschienenen Bildband Schueberfouer zënter 1340 liefert er daher nicht nur einen kurzen geschichtlichen Abriss über die beliebte Kirmes, sondern verleiht dem Buch vor allem durch seine unverhohlene Bewunderung für die Schausteller eine persönliche Note. Auch ein Großteil der Fotos stammt von ihm.
Die historische Perspektive in seinem Buch über die Schueberfouer steht allerdings weit hinter dem Interesse für die „Fouer“ von heute zurück: Die Gründung der „Schadebergmesse“ durch Johann den Blinden und ihre Entwicklung von einer überregionalen Handelsmesse zum technisch ausgeklügelten Vergnügungspark nimmt vergleichsweise wenig Raum ein, während die Einzelporträts heutiger Beschicker nahezu die Hälfte der Seiten für sich beanspruchen. Ein Grund für diese Gewichtung mag die Verfügbarkeit des Bildmaterials gewesen sein: Nur rund ein Dutzend der Fotos stammen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.Steve Kayser ist mit vielen der von ihm vorgestellten Schausteller befreundet. Er kennt sowohl ihre Familiengeschichten als auch zahlreiche Anekdoten aus ihrem Arbeitsalltag, weiß, wie sie zu ihrem Beruf und zu ihren Fahrgeschäften gefunden haben und welche Sorgen sie antreiben. In zahlreichen Unterkapiteln erfährt der Leser, wer wem welches Geschäft abgekauft hat, wie die Namen für bekannte Attraktionen gefunden wurden und wie die Schausteller untereinander verwandt und verschwägert sind. Auch die luxemburgischen Veranstalter kommen namentlich zu Ehren, werden für ihr unablässiges Engagement und ihre Unterstützung der Schaustellerfamilien gelobt.
Der Spagat zwischen historischer Darstellung (die er zumindest im Titel des Buches beansprucht) und Porträt des Schaustellerdaseins gelingt Steve Kayser jedoch nur bedingt. Zum ernst zu nehmenden historischen Beitrag, den der Historiker durchaus hätte liefern können, fehlt es dem Buch einerseits an Ausführlichkeit. Selbst die Urkunde, mit der Johann der Blinde 1340 die Veranstaltung der Messe besiegelte, ist so klein abgedruckt, dass man den Wortlaut mit bloßem Auge nicht entziffern kann. Zu einem Bericht über das Leben der Beschicker der Schueberfouer im 21. Jahrhundert würden andererseits Aspekte gehören, die der Historiker kaum berücksichtigt: ihr Leben vor und nach dem täglichen Trubel während der Kirmes und die Konzeption neuer Geschäfte etwa, die Arbeitsschritte von der Planung, über die Gestaltung bis zur Vermarktung. Lediglich die Betreuung der Schaustellerkinder während der Schueberfouer findet Erwähnung. Zwar sind Steve Kaysers Beschreibungen ausgewählter Geschäfte so detailfreudig wie akkurat, durch das Einstreuen von Anekdoten und persönlichen Belangen auch kurzweilig und durchaus nicht uninteressant. Er vermittelt glaubhaft die Faszination für einen schwierigen und außergewöhnlichen Beruf und erweckt Sympathie für diejenigen, die der luxemburgischen Schueberfouer ihren Status als eine der größten Vergnügungsmessen Europas verleihen. Indem das Buch jedoch vor allem die Geschichte einzelner beliebter Fahrgeschäfte in den Mittelpunkt stellt und sie mehrheitlich als „Erfolgsstories“ verpackt, gleicht es einem überdimensionierten Werbeprospekt. Daran trägt in gewissem Maße zwar der Autor, nicht zuletzt aber auch der Verlag Schuld. Bei einem grellbunten Durcheinander, wie es die Schueberfouer alljährlich bietet, hätte man sich überlegen können, statt einer halbherzigen Nebeneinanderstellung von Text und Bild dem Kitsch und der Farbenfreude der Kirmes grafisch zu entsprechen. Außerdem kann man sich fragen, ob man dem Käufer des Buches bei einem Preis von 49 Euro ungefähr einen Fehler pro zehn Seiten zumuten darf. Die editorischen Mängel von Schueberfouer zënter 1340 sind angesichts der bisherigen Verdienste des Verlags im Bereich „Beaux Livres“ besonders bedauerlich. Das Thema wäre für die Reihe Lëtzebuerg am Zäitvergläich geradezu prädestiniert gewesen.
Steve Kayser: Déi Lëtzebuerger Traditioun - Schueberfouer zënter 1340. Éditions Schortgen, Esch-sur-Alzette 2007.