TV-Serie

25 years on...

d'Lëtzebuerger Land du 15.09.2017

Laura Palmer hat es FBI Special Agent Dale Bartholomew Cooper im Black Lodge prophezeit – „I‘ll see you in 25 years“ – und David Lynch hat die Gebete der Fans, die ihm gefährlich nahe an den Lippen hingen, erhört. Wenn es schlussendlich dann doch fast 27 Jahre wurden, so tat dies der Vorfreude der devoten Gemeinde auf eine neue Staffel Twin Peaks jedoch keinen Abbruch. Einzige Voraussetzung: Man musste, je nachdem wann man die ersten zwei Staffeln inklusive Film gesehen hat, die verstrichenen Jahre überleben. Diesen Gefallen haben Lynch nicht alle Beteiligten getan. Die Überlebenden standen bis auf wenige Ausnahmen aber allesamt vor Lynchs Kamera. Allen voran natürlich Kyle MacLachlan.

Seine Figur, FBI-Agent Cooper, steckt in der neuen, dritten Staffel fest. Im wahrsten Sinne des Wortes. Erstmals und scheinbar 25 Jahre lang in der Black Lodge – diesem überirdischen rot ausstaffierten Wohnzimmer –, später dann in Las Vegas im Körper des Versicherungsangestellten Dougie Jones. Nebenher treibt Bad Coop/Mister C, der von Bob parasitär besetzte Doppelgänger Dales, sein Unwesen. Leichen pflastern seinen Weg. In Buckhorn, Süd-Dakota wird ein schwer verstümmelter Körper entdeckt. Eventuell ein Werk Bad Coops. Der Kriminalfall ruft zwei bekannte Gesetzeshüter auf den Plan, Dale Coopers ehemaligen Vorgesetzten Gordon Cole und den Kollegen Albert Rosenfield, gespielt von Lynch und dem kürzlich verstorbenen Fernseh-Veteranen Miguel Ferrer. Derweil übermittelt Margaret Lanterman, die Log Lady, in Twin Peaks eine Stammes-Nachricht an Hawk, dass dieser etwas vergessen hat und dass Dale Cooper in direkter Verbindung dazu stünde.

Die 18-Stunden-lange Rückkehr zu der Serie, die den Verlauf der Fernsehgeschichte vor über einem Vierteljahrhundert nachträglich veränderte, noch weiter plot-technisch auszubreiten, sprengt den redaktionellen Rahmen und stellt zudem mehr Fragen, als dieser Artikel beantworten kann; wir überlassen jenes übereifrigen Media-DoktorandInnen. Dale Cooper – die Blaupause des perfekten Mannes, der an Kirschkuchen und koffeinhaltigen Heißgetränken stellvertretend seine bedingungslose Liebe zu Mensch und Welt offenbart –, ist böse und mit ihm die ganze Welt. Und dieses Böse transzendiert den räumlichen Rahmen der Kleinstadt Twin Peaks. Die geografischen Parameter dehnen sich aus von der Ostküste New Yorks in den mittleren Westen Süd-Dakotas bis fast nach Kalifornien, zudem in die Casinostadt Las Vegas und dank einem erheblichen Zeitsprung zurück sogar ins Neu-Mexiko der 40-er und 50-er des vergangenen Jahrhunderts.

Diese dritte Staffel speist weniger aus den ersten beiden oder Twin Peaks: Fire Walk with Me als aus dem gesamten Lynch-Werk dazwischen. Seine Filme, von Lost Highway bis Inland Empire, sind von imminenter Wichtigkeit. David Lynch als Auteur ist der Schlüssel zur Serie geworden. So haben die Cahiers du cinéma in ihrer Sommerausgabe Lynchs Serie fast 30 Seiten gewidmet. Außerdem werden im Vorspann keine Spielernamen aufgelistet, um so das Lynchsche Universum hermeneutisch abzugrenzen. Die Gefahr besteht, dass die Figuren bei so viel Autorenschaft auf der Strecke bleiben. Lynch tritt nach all den Jahren in eine Fernsehlandschaft, in der mittlerweile auch andere ihre Fußstapfen hinterlassen und das Medium weitergedacht haben. Lynchs Narrative Anno 2017 wird mit neuen Figuren aufgemotzt, von den früheren bleiben zum Teil nur Kurzauftritte übrig, zeitgenössische Videokunst trifft auf Seifenoper. Mit filmischen Stilmitteln aller Art – Montage, Spiel und Drehbuch – werden Szenen systematisch überspielt, in die Länge gezogen und jegliche Genre-Konventionen entweder ignoriert oder aufgebrochen. Nichts Neues im Lynch-Land also. Das ist alles post-„füge-Adjektiv-deiner-Wahl-ein“, dass es je nach Auge und Auffassung des Betrachters entweder funktioniert oder nicht. Im Namen der Verfremdung scheint alles erlaubt zu sein. Didaktisch, ja, manchmal regelrecht studentisch, muten Lynchs Versuche an, mit dem Serienformat zu brechen und es auf neue Wege zu führen. Ganz emblematisch ist das System, mit Konzertmitschnitten im Roadhouse am Ende einer fast jeden Folge, den für eine Serie überlebenswichtigen Cliffhanger zu vermeiden. Jedoch wird auch der treue Zuschauer – Episode und Stunde 18 – doch noch die Klippe runtergeschmissen. Frust und Freude geben sich die Hand.

Fühlen tut man auf alle Fälle nichts. Nicht wenn Dougie/Dale sich am Kaffee verbrennt, nicht wenn sich nach Blue Velvet vor 30 Jahren Laura Dern und MacLachlan endlich wieder gegenüberstehen, nicht wenn die Log Lady verabschiedet wird und schon gar nicht bei den neuen Figuren, vor denen es in der Serie nur so wimmelt. Wenn jedoch Räumlichkeit, Figuren und Handlungsstränge nur noch als leerer und emotionsloser Abklatsch existieren, spendet auch der beste damn good coffee keine Wärme mehr.

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Tom Dockal
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