Bitcoins

Währung ohne Staat, Geld ohne Vertrauen

d'Lëtzebuerger Land du 12.06.2015

Vor 14 Tagen verurteilte ein US-Gericht den 31-jährigen Ross W. Ulbricht, den Gründer von Silk Road, zu lebenslanger Haft. Ulbricht hatte drei Jahre lang unter dem Pseudonym Dread Pirate Roberts eine abgeschirmte Internet-Seite namens Silk Road betrieben, über die mehrere tausend Drogenhändler Heroin, Kokain und LSD an weltweit über 100 000 anonyme Kunden verkauften, die mit Bitcoins bezahlten.

Zur gleichen Zeit schlugen der norwegische Kybernetikprofessor Trond Andresen und der US-Ökonom Robert W. Parenteau in einem Beitrag für die Real-World Economics Review der griechischen Regierung vor, eine elektronische Parallel-Währung einzuführen, um die griechische Volkswirtschaft zu stabilisieren, ohne dass sie die Euro-Zone verlassen müsste.

Seit dem vergangenem Jahr ist es etwas stiller um Bitcoins geworden. Als die Spekulationsblase 2014 platzte und der Preis eines Bitcoin um 60 Prozent fiel, wurden Zweifel am Gebrauchswert eines privaten Zahlungsmittels laut, das an die Weimarer Republik erinnernden Kursschwankungen ausgesetzt ist. War ein Bitcoin vor einem Jahr bis zu 800 Euro wert, sind es derzeit noch 200 Euro.

Ebenso spektakulär verfiel die Rentabilität des eingesetzten Kapitals: Je mehr Firmen, einige davon auch in Luxemburg als Pioniere gefeiert, in gigantische Rechenkapazitäten investierten, um die dadurch systembedingt immer selteneren Bitcoins zu generieren, um so geringer wurde der Ertrag. Dagegen wächst das Interesse an der dabei eingesetzten Block-chain-Technik zur Schöpfung von Bitcoins und an ihrer möglichen Verwendung für andere Bereichen der gewerblichen Verschlüsselung.

Trotzdem hatte die für Innovation und Zahlungsmittel Verantwortliche der Bankenaufsicht CSSF, Nadia Manzari, einen Monat zuvor auf der ICT-Spring-Tagung angekündigt, dass Unternehmer hierzulande theoretisch „binnen 24 Stunden“ und praktisch binnen sechs Monaten eine Lizenz für Bankgeschäfte mit Bitcoins erhalten, wenn sie die für den Finanzsektor vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen.

Damit versucht Luxemburg wieder, als einer der ersten Staaten eine neue Marktnische für den Finanzplatz zu erschließen. Vor einer Woche kündigte der scheidende Vorsitzende der New Yorker Bankenaufsicht, Benjamin M. Lawsky, ebenfalls Regeln an, nach denen in New York Lizenzen für Geschäfte mit Bitcoins erteilt werden sollen. Zu den Regeln, mit denen die Kunden geschützt und das Weißwaschen von Geld illegalen Ursprungs verhindert werden sollen, gehört die Anlage von Kapitalreserven.

Doch so viel über Bitcoins geredet und geschrieben wird, so weit gehen die Meinungen auseinander, was diese über viele Computer verteilten und verschlüsselten Dateisysteme sind, ob es sich um ein Zahlungsmittel, um Geld oder um eine Währung handelt. Diese Unsicherheit im Umgang mit der 2008 gemachten Erfindung drückt selbstverständlich zuerst die Schwäche der vorherrschenden neuklassischen und neukeynesianischen Geldtheorien aus.

Die CSSF hatte vor einem Jahr in Anlehnung an die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in einer Presseerklärung beschlossen, dass Bitcoins ihrer Meinung nach Geld sind. Denn Geld sei Geld, wenn es von einer ausreichend großen Gruppe von Leuten als Zahlungsmittel für Güter und Dienstleitungen anerkannt werde. Als Geld seien Bitcoins Buchgeld, wie Schecks, Wechsel und Kreditkarten, also kein Bargeld. Doch vielleicht drückt diese Darstellung auch weniger eine Definition als die Hoffnung der CSSF aus.

Aber die Erleichterung der Warenzirkula­tion zwischen unterschiedlichen Währungsgebieten ist nur ein Aspekt von Bitcoins. Auch wenn es die von Internet-Händlern und Finanzinstituten versuchte Nutzanwendung ist, wie sie auch mit der Definition der CSSF gefördert wird.

Der Bitcoin-Preis wird jedoch alleine von der Spekulation festgesetzt. Damit scheinen Bitcoins zwar perfekter als alle anderen Zahlungsmittel die klassische Theorie von der Dichotomie von Geld und „Realwirtschaft“ zu erfüllen. Aber sie versagen in der ebenfalls zu Geld gehörenden Rolle des Wertmaßstabs. Die extremen Schwankungen im Vergleich zum Wert der mit Bitcoin bezahlten Waren und damit auch der amtlichen Zahlungsmittel stellen das größte Hindernis für ihre Verwendung als Zahlungsmittel dar und ermutigen nicht gerade zur Wettaufbewahrung in Bitcoins.

Die anonymen Gründer von Bitcoin wollen aber nicht bloß mit einem weiteren Zahlungsmittel Visa und Paypal Konkurrenz machen. Sie wollen eine libertäre Weltwährung gründen, eine private Esperanto-Währung, die sich jeder staatlichen Regulierung entzieht und deren für die Gründerväter anfallende Seigniorage nebenbei diejenige von Papiergeld übertrifft. Nun wurde mit der legendären Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank schon ein kräftiger Schritt in Richtung Privatsierung der Geldpolitik in der Eurozone unternommen, und Luxemburg hat mit der Banque internationale, die bis Ende 2001 ihre eigenen Geldscheine in Umlauf bringen durfte, eine lange Tradition mit der Abtretung seiner Münzhoheit an ein Privatunternehmen. Doch gerade ein Zahlungsmittel, dessen Kurs extremen Schwankungen unterliegt, und dessen Schöpfung so anonym ist, dass beim Bankrott einer Wechselstube oder dem Angriff von Computer-Hackern digitale Vermögen verschwinden, ohne einen Fetzen Quittung zu hinterlassen, bräuchte nicht weniger, sondern mehr staatliche Regulierung, um akzeptiert zu werden.

Romain Hilgert
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