Nicht recht vom Fleck kommt die EU-Politik im Bereich der Abgasnormen für Fahrzeuge. Ein zentraler Bestandteil der europäischen Klimaschutzpolitik ist in den letzten Jahren immer mehr unter die Räder gekommen. In den Kreisen der Umweltverbände herrscht mittlerweile blanker Zynismus: Auf keinem der drei Felder der Klimapolitik im Automobilbereich – technische Innovation, Umweltsteuer und Verbrauchslabels – wurden greifbare Fortschritte erreicht.
So herrscht bei den Verbrauchslabels, die den Kunden im Autohaus über die CO2-Emissionen eines Wagens informieren sollen, europaweit ein heilloses Wirrwarr an unterschiedlichen und teils schwer verständlichen Standards; die zugrunde liegende EU-Direktive hat sich als völlig unwirksam erwiesen und soll nun endlich überarbeitet werden. Bei der technischen Innovation drücken die europäischen Automobilhersteller immer stärker auf die Bremse: So soll die Euro-5-Norm, die ab 2008/2009 Grenzwerte für Stickoxidemissionen und Feinpartikelausstoß bei Neuwagen festlegt, mehr als doppelt so hoch bleiben wie der dann gültige US-Grenzwert.
Zudem drücken sich die Produzenten um strengere Treibstoffverbrauchsnormen und verpassen es damit, die Automobilindustrie aus der Falle der absehbaren Erdölkrise zu retten. Hatten die EU-Umweltminister Mitte der Neunzigerjahre noch gefordert, Neuwagen, die auf dem europäischem Markt zugelassen werden, müssten bis spätestens 2005 nur noch maximal 120 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen – das entspräche einem Verbrauch von fünf Litern Benzin oder 4,5 Litern Diesel auf 100 Kilometer –, so ist dieses Ziel mittlerweile in weite Ferne gerückt. Der Durchschnittswert bei Neuzulassungen lag europaweit im Jahre 2005 immer noch bei 160 g/km. Auch die Kontrollstation in Sandweiler ermittelte in den Jahren 2000 bis 2004 immer noch vergleichsweise hohe Werte: Im Jahre 2004 lag der Mittelwert bei Neuzulassungen immerhin bei 187 g/km für Benzin-Fahrzeuge und bei 161 g/km für Dieselwagen. Es wäre sinnvoll, wenn die Politik die hier anfallenden Daten konsequenter auswerten und bei ihren Entscheidungen berücksichtigen würde.
Wie reagiert die EU-Kommission angesichts dieses Stillstands? Sie kündigte kürzlich an, die obligatorische Einführung der neuen Treibstoffverbrauchsnorm auf 2012 verschieben zu wollen, und verschanzte sich dabei hinter freiwilligen Abkommen mit der Automobilindustrie, die nachweislich fehlgeschlagen sind. Eine „High Level Group“, die unter der Führung des Industriekommissars Günther Verheugen zwischen Kommission und Industrie klären soll, in welchen Bereichen in den nächsten zehn Jahren Regelungsbedarf besteht, hat sich erst einmal Nebenschauplätzen zugewandt.
Im Abschlussbericht des selektiven Kreises vom Dezember 2005 beschwört die Industrie – wie zuvor bei der drohenden Einführung der Katalysatoren – den Untergang der europäischen Automobilfirmen und entledigt sich weitgehend ihrer Verantwortung bei der Erreichung strenger Verbrauchsnormen. Stattdessen wird eine „integrative Politik“ gefordert, die von besseren Ampelschaltungen über verbrauchsarme Autoreifen bis zu den klimaschutzpolitisch teilweise fragwürdigen Biotreibstoffen reicht. Keine dieser Maßnahmen wurde bisher darauf abgeklopft, in welchem Maße sie die CO2-Bilanz der EU ernsthaft verbessern könnten.
Ende dieses Jahres möchte die EU-Kommission aufbauend auf den Kamingesprächen mit der Industrie – bei denen Umweltverbände durch den demokratisch zweifelhaften europäischen Verband der Automobilclubs vertreten waren – ihre Position festlegen. Das schöne Arrangement könnte vielleicht noch von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft angetastet werden. Sie kann im ersten Halbjahr 2006 Einfluss nehmen und hat in ihrem Arbeitsprogramm der EU-Kommission und den Autoherstellen schon mal die Zähne gezeigt und deutlich auf die Notwendigkeit technologischer Fortschritte hingewiesen: „Die EU-Umweltminister sollen der Kommission ein klares Signal geben, dass eine rechtlich verbindliche Strategie bis 2010 zu dem Ziel von 120g/km CO2-Emissionen führen muss, das nur durch Effizienzsteigerungen an Neuwagen erreicht werden kann. Mittelfristig sollte der Zielwert auf 80 g/km gesenkt werden“, erklärte die Regierung in Wien. Es bleibt abzuwarten, ob Kommissar Verheugen, der zugleich Vizepräsident der EU-Kommission ist und in Brüssel als der verlängerte Arm der deutschen Automobilhersteller gilt, seinen Kurs wird halten können.
Während der technologische Fortschritt somit lahmt, ist im Bereich der Autosteuer etwas Bewegung zu verzeichnen. Knapp zehn Jahre nach ihrer Ankündigung hat die EU-Kommission eine Direktive zur Reform und teilweisen Harmonisierung der europäischen Kfz-Steuern auf den Instanzenweg geschickt. Das relativ durchsichtige Ziel der Richtlinie ist es, gleichzeitig ökologische Elemente in die europäischen Autosteuern aufzunehmen und die Automobilindustrie von den einmaligen Kfz-Zulassungsabgaben zu befreien, die Autokäufer angeblich davon abschrecken, sich einen neuen Wagen anzuschaffen.
Die einmaligen Anmeldetaxen sollen laut Kommission längerfristig zugunsten einer jährlichen Autosteuer abgeschafft werden. Zudem sollen bis zum Jahre 2010 in allen EU-Ländern die Autosteuern teilweise oder vollständig auf Basis der CO2-Emissionen eines Pkw berechnet werden.
Die Direktive untergräbt teilweise ihr eigentliches Anliegen: Einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz wird der Vorschlag nur dann leisten können, wenn es beim Autokauf zu einem deutlichen Lenkungseffekt kommt. Eine Steuer, die nicht bei der Anschaffung gilt und zudem Käufer von verbrauchsarmen Autos nicht deutlich bevorzugt, leistet weder einen Beitrag zum Klimaschutz, noch wird sie der europäische Automobilindustrie einen ernsthaften Innovationsanreiz geben. Sie wird zur reinen Dekoration und – hoffentlich wie absehbar – von den europäischen Finanzministern abgeändert. Die einmaligen Zulassungsgebühren, die für einige EU-Länder eine regelrechte Finanzquelle sind, sollten auf jeden Fall beibehalten werden.
Die Reform setzt auch Luxemburg endlich unter Zugzwang. Doch allein die Tatsache, dass die Regierung endlich darauf kommt, die aus den Dreißigerjahren stammende Steuer müsste eigentlich an den Ressourcenverbrauch gekoppelt werden, ist noch kein grandioser Fortschritt. Konkret wird die Debatte erst dann werden, wenn die Regierung die Höhe der Steuer ankündigt und auch durch Expertisen belegen kann, dass sie einen klimapolitischen Effekt hat. Beispiele für geglückte Reformen gibt es in Großbritannien und Dänemark. Beispiele für politische Entscheidungen, die nur einen rein dekorativen Effekt haben, gibt es in Luxemburg zuhauf.