Lene ist Krankenpflegeschülerin. Sie hat schmerzhaft Schluss mit ihrem Freund gemacht und verbringt einige Tage bei einem ganz netten Schwulen in Berlin, um auf andere Gedanken zu kommen.
So beginnt Cathy Clements neuer Roman Lene. Im Laufe der Geschichte ist eher beiläufig zu erfahren, dass die junge Lene bereits ein Kind hat. Sie schläft ab und zu mit Frauen und ärgert sich über ihre Unbelehrbarkeit im Umgang mit Männern, die sie stets möglichst fies und egozentrisch auswählt. In der Schwangerschaftsgymnastik freundet sie sich mit einer anderen jungen Mutter an, dem Opfer einer Vergewaltigung, "unter Druck gesetzt, von ihren eigenen Eltern und allen Besserwisser-Arschkriechern des Dorfes" (S. 92). Fast ist das Buch zu Ende, da lernt Lene noch schnell wieder einen "Süßen" kennen. Aber als Happy end entscheidet sie sich gegen die Männerwelt und für eine Geliebte.
Cathy Clement ist eine der Entdeckungen von Gollo Steffens Verlag Op der Lay, der bescheiden in Esch-Sauer vielleicht mehr für die Literatur macht als all die großspurigen Herausgeber von Kochbüchern, Reiseführern, Ministerialbeamtenlyrik und rumänischen Gefälligkeiten.
Als Fünfzehnjährige war Clement über Nacht eine nationale Literatur-Monika geworden mit ihrem inzwischen in vierter Auflage erschienen Aleng. Roman fir Jonker und ihrer Abrechung mit der Enge und Heuchelei einer Mittelschichtenfamilie.
Seit Aleng sind sechs Jahre vergangen, samt einer Fortsetzung, Sinus Cosinus (1998) und einem dieses Jahr auf dem Merscher Stückemarkt gelesenen Theaterstück, Schreiet still, ihr Weiber.
Auch Lene bleibt autobiographisch inspirierte Selbstfindungsliteratur. Doch gegenüber ihren Anfängen hat die Autorin an Radikalität eingebüßt, ohne an Distanz gewonnen zu haben, die zur literarischen Verarbeitung eines Stoffs nötig ist.
Die erste Seite von Lene liest sich wie eine Persiflage auf Illustriertenromane für Teenager: "Lene war halt nicht zum Strahlen zumute. Das redete sie sich meist selber ein. Sie fand einfach keinen Grund zum Fröhlichsein." Bis klar wird, dass Clement Ernst macht.
Ihr Deutsch ist eher unbekümmert umgangssprachlich und klingt nur manchmal etwas sperrig. Für die Leser unangenehmer ist, dass Clement zuerst für sich selbst schreibt, die persönliche Aufarbeitung von Ereignissen ihr wichtiger ist als genaue Beobachtung und Beschreibung. Die Figuren sind stereotypiert, statt eine Atmosphäre zu schaffen, durch die die Großstadt toll und die Provinz doof erscheinen, schreibt Clement einfach, dass die Großstadt toll und die Provinz doof sind.
Und wenn sie voller guter Absichten für Toleranz und Aufgeschlossenheit plädiert, macht sie keinen Roman daraus, sondern schreibt das mit erhobenem Zeigefinger eins zu eins hin: "Obwohl alle total aufgeklärt und tolerant tun, ist die Mehrheit der Menschen noch immer von Vorurteilen geprägt und kann durch blödes Verhalten sehr verletzend gegenüber den so genannten Randgruppen sein." (S. 107).
Cathy Clement: Lene. Op der Lay, Esch-Sauer 2002, 125 S., 8,90 Euro