8 Zimmer Küche Bad

d'Lëtzebuerger Land du 29.11.2024

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Und was könnte sich dazu besser anbieten als das Innendesign der teuersten Immobilien in Luxemburg? Jede Woche schickt der hiesige traditionsreiche Luxusanbieter Sotheby’s in Form einer Newsletter eine Art Hinter-die-Kulissen dieser Häuser. Zwar keine Youtube-Videos, wie jene von Architectural Design (AD), wo Stars in ihren meist austauschbaren Hollywood-Villen besucht werden, auch kein Cribs wie in den Nullerjahren auf MTV, aber immerhin. Wenn auch die Anwesen stilistisch nicht immer ein Augenschmaus sind, so sind sie soziologisch höchst interessant – von Omas Tapete zu gnadenlosem Kitsch hin zur minimalistischer Beton-Ästhetik wird Mensch gewahr, wie die Oberschicht im Ländchen wohnt.

Nehmen wir zum Beispiel ein 890 Quadratmeter Anwesen im Südwesten, Kostenpunkt knapp 10 Millionen Euro. Auf dem 5,5 Hektar-Gelände kann der potenzielle Käufer auch der Pilzsuche oder der Jagd nachgehen, denn ein privater Wald ist freilich Teil des package. Vielleicht lockt auch das Kloster St François mit Blick über den Grund und die Alzette, 5,9 Millionen Euro für 250 Quadratmeter. Sonnendurchströmte Fenster, modernes Badezimmer und zeitgenössische Küche. Die oberen Zehntausend verweilen eklektisch: Manche haben Yuval Noah Hararis Bücher im Wohnzimmer rumliegen, andere haben sich im Kinderzimmer völlig der Disney-Franchise Frozen verschrieben oder echte Bäume in der Loft-artigen Wohnung stehen. Es gibt Eigentümer von Joseph-Kutter-Originalen, obsessive Vinylplatten-Sammler, Menschen, die Bettwäsche im Stil von Louis XIV bevorzugen – und jene, die jahrhundertalte Bauernhäuser und ihre urig-gemütlichen Kaminzimmer mit Hunderten von Büchern schmücken. Bei anderen Häusern fragt man sich, ob das Hauptziel des Eigentümers ist, sich selbst so wenig wie möglich zu stimulieren: Durch Kunst, die derart dezent und minimalistisch ist, dass eigentlich auch gar nichts an der Wand hängen könnte – und durch klinische Aufgeräumtheit, die wahrscheinlich auch der Inszenierung für den Verkauf geschuldet ist. Die nichts aussagende Grau-Weiß-Schwarz-Marmor-Ästhetik ist dabei weit verbreitet – und auswechselbar.

Das sogenannte Home Staging bezeichnet die Vorgehensweise, leere Immobilien mit Möbeln zu füllen, damit sie schick aussehen und so potenzielle Käufer/innen anlocken; sie soll einen positiven Einfluss auf den Verkaufspreis haben. Die Prozedur ist in den Vereinigten Staaten gang und gebe. „Hierzulande hat das Home Staging sich noch nicht etabliert. Das liegt zum einen am Kostenpunkt, aber auch an einem Mangel an Anbietern“, erklärt Philippe Vermast, Managing Director bei Sotheby’s. Was die Dekoration und das Design angeht, mischt sich der Anbieter nicht ein. „Was ein Mensch als kitschig empfindet, gefällt einer anderen Person. Es gibt Interessenten für praktisch jede Art von Stil.“ Dabei seien Nationalität, Bildungsgrad und Alter entscheidend. Wenn jedoch eine Wand rosa, eine gelb und eine orange sei, werde dem Verkäufer ein Weißanstrich vorgeschlagen, „um Form reinzubringen“, was meist angenommen werde.

Wie wird entschieden, welche Immobilien wie auszusehen haben, um verkauft zu werden? Den Klienten wird erklärt, wie die Wohnung hergerichtet werden soll. „Wir wollen keine Zahnbürsten oder Toiletten fotografieren.“ Was die privaten Objekte angeht, sei man stets im Austausch mit dem Verkäufer. Manche Menschen hätten nichts dagegen, wenn ihre Kinder auf gerahmten Fotos in der Anzeige zu sehen sind. Andere wünschen sich mehr Privatsphäre: Dabei können Familienbilder auf einem Foto zu sehen sein, doch aus dem nächsten sind sie entfernt worden, weil die Personen zu erkennbar sind.

Da manche Bauprojekte noch nicht existieren, werden dank 3D-Visualisierungen mitunter auch Innenräume imaginiert. Auf diesen fiktiven Bildern liegen neben den lila gepolsterten Höckern und Backstein-Innenwänden etwa Bücher über den Architekten Schinkel oder „Scandinavian design“ auf dem Beistelltisch – und übermäßig große Birnen im Obstkorb. Wenn eine Immobilie völlig leer steht, greift Sotheby’s gelegentlich auf KI zurück, um die Fantasie zu beflügeln. Allerdings eher ungern, da man eher nach dem Prinzip „what you see is what you get“ funktioniere, sagt Vermast. KI hat die Innenarchitektur verändert: Mit Online-Tools lassen sich leere Räume im Nu im „modernen“, „skandinavischen“, „farmhouse“, „industrial“, „coastal“ oder dem enigmatischen „Standard“-Stil befüllen. KI geht auf Nummer sicher: An diesen diversen Einrichtungen kann sich fast niemand ernsthaft stören. Dafür sind sie zu uninteressant.

Sarah Pepin
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