Die Fotografie um, von und mit Luxemburgern ist aktuell zu Ehren in der Hauptstadt. So widmet nach dem City Museum (Leit an der Stad) auch der Ratskeller im Cercle Cité der Fotografie in Luxemburg eine Ausstellung: Flux Feelings. Ausgehend von der Initiative Lët’z Arles und in Folge der luxemburgischen Beteiligung an den Rencontres de la photographie, Arles 2017 wird im Ratskeller noch bis zum 24. Juni eine auf den Raum zugeschnittene Auswahl an Werken gezeigt.
Im Fokus von Flux Feelings steht das Thema des Territoriums, wie nationale und internationale Fotografen Luxemburg, seine Identität, seine Landschaften und Grenzen wahrnehmen und in ihren Werken festhalten. Hierbei sollen unterschiedliche Perspektiven und Blickwinkel das vielfältige Spektrum des Landes aufzeigen. Die Ausstellung setzt sich ebenso mit dem fotografischen Medium selbst auseinander, das auf der einen Seite rein künstlerisch eingesetzt wird und auf der anderen dokumentarisch, um einen gewissen Zustand und somit auch die sich über Jahrzehnte operierende Veränderung des Stadtbildes oder der Landschaft aufzuzeichnen.
Die Serie Les Pompes à essence (1980-90) von Michel Medinger beispielsweise erweckt eine nostalgische Erinnerung an frühere Zeiten; jene alten von ihm festgehaltenen Benzinpumpen sind heute durch moderne, an strikte Standards angepasst Pumpen ersetzt. Ebenso lenkt Christian Aschman mit seinen Werken Avenue de la Liberté (2012) und Centre des Capucins (2012) den Blick auf Orte, die vergessen scheinen oder die man im Alltag nicht mehr beachtete, wie eine Treppe mit einem Wandbild oder gar eine Überwachungskamera. Beide Fotografen arbeiten aber nicht auf einer reinen Dokumentationsebene; es geht vielmehr auf eine ästhetische Übersetzung der Realität.
Die Ausstellung verweist auch auf den Wandel der regionalen Industriekultur, wie mit Romain Urhausens Arbeiten Sans titre, Arbed aus der 1960-er Jahren oder den 18 Schwarz-Weiß-Fotografien von Hochöfen von Bernd und Hilla Becher (18 Hauts-fourneaux, 1969-86). Nach bewährter Manier hat das Ehepaar Becher die Hochöfen in u.a. Differdingen, Esch/Alzette, Rombas und La Louvière auf Papier gebannt, als ob sie Skulpturen wären, mit einem neutralen Blickwinkel, ohne Menschen und ohne große Licht- und Schattenspiele.
Für einen neutralen, ja fast banalisierten Blick auf architektonische Bauten optiert ebenfalls der US-amerikanische Künstler Lewis Baltz. In seiner Serie Banques au Luxembourg, die im Rahmen der europäischen Kulturhauptstadt 1995 entstand, hat er die großen, in Luxemburg ansässigen Banken fotografiert und nach der Art eines Videostills gedruckt. Von der Banque de Luxembourg beauftragt, schaffte Sébastien Cuvelier 2016 nach dem Prinzip des Storytelling die Serie Kuck Elei; hierbei steht jedes exakt konstruierte Bild für sich und gibt Aufschluss auf eine Geschichte oder wirft Fragen auf – wie ein einsames Flugzeug, das auf einer Stahlkonstruktion hoch oben im Himmel schwebt. Jedes Bild kann aber auch mit den Counterparts aus der Serie korrespondieren und neue Bezüge schaffen.
Flux Feelings legt Wert auf die ganze Dimension des Mediums Fotografie. So werden neben großen und raumgreifenden Formaten auch Bücher, digitale Slideshows, ein Video von Marco Godhino und kleinformatigere Arbeiten, wie M (2017) von Laurianne Bixhaine, gezeigt. Zu den kleinformatigeren, dafür aber wirkungsvollsten Fotografien zählt die Serie Mateneen (2016–17) von Patrick Galbats, die die Situation von geflüchteten Menschen in Luxemburg dokumentiert. Auch die Fotografien der beiden Installationen von Arman Quetsch entstanden im Rahmen einer Recherche zu Menschen mit Fluchterfahrung. Die beiden Installationen bestehen aus mehreren hintereinander gelagerten fotografischen Abzügen, die u.a. Häuserlandschaften, eine Satellitenschüssel, Porträts oder geometrische Konstruktionen zeigen. Sind die Fotografien durch die Recherche emotional geladen, ist der Betrachter dennoch eingeladen, die sich in der Komposition neu ergebenden Sinnesbezüge für sich zu entdecken und zu entschlüsseln (Serie dystopian circles / fragments… all along, 2017).
Im Ausstellungsraum stellt man sich unweigerlich die Frage, ob der Blick eines nationalen Künstlers auf sein eigenes Land ein anderer ist als der eines Gast- oder Residenzkünstlers, oder eben nicht. Welche Aspekte heben die jeweiligen Positionen in ihren Arbeiten hervor? Der britische Künstler Martin Parr legt zum Beispiel den Fokus auf das Unscheinbare in seiner Serie Assorted cocktail und hält unverblümt auch hässliche Seiten des Alltagslebens fest. So hängen verschiedene Würste wie eine moderne Vanitas trostlos an einer kahlen Wand. Auf einer Fotografie stellt er weibliche Hände mit fein bemalten Nägeln, teuren Ringen und Pelzmantel dar. Blickt man genauer hin, entdeckt man ein Pflaster, das sich um einen der Finger windet. Der spanische und in Luxemburg lebende Künstler Andrés Lejona spürt in seiner Serie Vitrine (2008) Porträtfotografien der großherzoglichen Familie nach, die um den Nationaltag herum in Geschäftsvitrinen aufgestellt werden. Auch die Französin Valérie Belin beschäftigt sich auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit mit dem Motiv des Fensters, das eine Schnittstelle zwischen Stadtraum und Innenleben symbolisiert (Vitrines Luxembourg, 2003).
Streift man unbeirrt durch die Ausstellung und liest die Bildbeschriftungen (Aufträge an die Künstler und Sammlungen), schleicht sich mitunter der Eindruck eines klischeehaften Luxemburgs ein. Auch wenn die (ehemaligen) ökonomischen Faktoren – Stahlindustrie, Banken und Konsumläden – ein wichtiger Bestandteil des Landes sind, kann eine solche Reduktion natürlich nur oberflächlich sein. Der erprobte Museumsgänger wird viele der Arbeiten erkennen, da sie sich in den Sammlungen des Mudam, des CNA oder der Fotothek befinden. Dennoch lohnt sich ein Besuch.