Diplomatischer Dienst der EU

Geschichte(n)

d'Lëtzebuerger Land du 18.03.2010

Europas Diplomaten sind überall auf der Welt gefragte Gesprächspartner, die Europäische Union spricht mit einer Stimme, sie ist der mächtigste Soft-Power-Spieler der Welt. Als größter Geld­geber von Entwicklungsländern, als größter Unterstützer von UN-Friedensmissionen, als schneller Katastrophenhelfer ist die EU international unentbehrlich. Im UN-Sicherheitsrat haben England und Frankreich ihre Stimmrechte fusioniert und anschließend der Europäischen Union übertragen. Gemeinsam mit den USA, Indien und Brasilien bildet die EU seit 2030 den so genannten demokratischen Block im Weltsicherheitsrat.

Science oder Political Fiction sind nicht gerade in Mode. Man blickt zurück oder übt sich im Klein-Klein der Gegenwart. Die Europäische Union legt gerade die Grundlage für revolutionäre Veränderungen ihrer Außendarstellung und ihrer Rolle in der Welt. Langfristig wird sie in der Außenpolitik wichtiger sein als die einzelnen Mitgliedstaaten. Egal, ob das Frankreich oder Großbritannien nicht passt und heute noch unvorstellbar erscheint. Kurzfristig geht es darum, wer über welche Politikbereich bestimmt und den Schlüssel zur Kasse verwahrt.

Die Kommission ist bisher stark in Handelspolitik und Entwicklungshil­fe und sie will die EU auch in ­allen zukünftigen Klimaverhandlun­gen ver­treten. Diese Bereiche gehören logisch auch zu den Aufgaben des neuen diplomatischen Dienstes (EDD). Die Kommission möchte sie aber nur ungern weggeben. José Manuel Barroso hat zudem die EU-Nachbarschaftspolitik aus Ashtons Ressort herausgelöst und ihr damit auch viele Gelder entzogen. Den Mitgliedstaaten ist das alles nicht recht geheuer, sie fordern Kompetenzen zurück. Der Rat wird als letzter über den Dienst entscheiden. Er will die bisherige Vorherrschaft der Einzelstaaten in der Außenpolitik verteidigen und sitzt am längsten Hebel. Eine Aufteilung der Themen (Handelspolitik Kommission, Entwicklungshilfe Rat oder beide Amerikas für den Rat und Afrika für die Kommission), wie es auch diskutiert wird, wäre allerdings fatal und könnte nicht mehr Bestand haben als die Teilung der Welt durch Papst Alexander VI. zwischen Portugal und Spanien im Jahre 1494.

Catherine Ashton ist der Diener zweier Herren und das ist noch selten gut gegangen. Als Vizepräsidentin der EU-Kommission muss sie die Interessen dieses Kollegiums vertreten, will sie eine einflussreiche Rolle unter ihren Mit-Kommissaren spielen. Das zeigt jede Gruppendynamik. Als Präsidentin des Rats der eu­ropäischen Außenminister ist sie die oberste Repräsentantin der Mitgliedstaaten. In ihrem speziellen Fall ist die angelegte Schizophrenie jedoch vielleicht nicht nur ein Segen, sondern sogar conditio sine qua non für einen erfolgreichen Start ihrer mission impossible.

In ihren bisherigen Thesenpapieren zur Gründung des EDD neigt sich Ashton mehr dem Rat zu. Der Dienst soll unter dessen Verantwortung stehen. Als Boss hat sich Ashton selber eingesetzt. Wenn sie nicht gerade eine Rastsitzung der Außenminister leitet oder einer Sitzung der Kommission beiwohnt, wird man ihr nur schwer ansehen, in welcher Funk-tion sie gerade auftritt. In der Praxis wird es darauf hinauslaufen, dass der Rat bestimmt, aber die Kommission die Arbeit vor Ort erledigt. Anders wäre es auch gar nicht möglich. Nur die Kommission hat einen ausreichend großen – und gut eingespielten – Beamtenapparat, um etwa die Arbeit von 136 EU-Auslandsdelega-tionen zu koordinieren. Und das ist nur ein Beispiel aus dem Aufgabenkatalog. Der Rat kann also strampeln, wie er will, er mag sich sogar als großer Sieger und Bestimmer fühlen – langfristig wird die Kommission mit der Macht des Faktischen den Sieg davon tragen und den diplomatischen Dienst integrieren.

Für Catherine Ashton wäre das dann lediglich noch eine Frage der Hutmode. Noch wenig diskutiert wird im Moment die Machtfülle, die Catherine Ashton mit ihrer Sandwichposition automatisch erhält. Vielleicht auch deshalb, weil man dieser unverbindlich lächelnden Frau eine dominierende Rolle in der Konzeption europäischer Außenpolitik nicht zutraut. Dass sie als Präsidentin des EU-Außenministerrates gar die Zügel weitgehend selbst in die Hand nehmen könnte, weil sie Interessen der Mitgliedstaaten gegeneinander ausspielen könnte, liegt noch außerhalb der Wahrnehmung der Mitgliedstaaten.

Gegensätze gibt es nicht nur zwischen Kommission und Rat. Die Interessen der Mitgliedstaaten sind ebenfalls unterschiedlich. Kleinere EU-Staaten, die sich einen eigenen weltumspannenden Diplomatischen Dienst nicht leisten können, wollen einen stärker von der Kommission geprägten Dienst. Frankreich möchte mit dem EDD seine eigenen Interessen weltweit besser zur Geltung bringen und Großbritannien weiterhin die Fäden selbst in der Hand halten. Mit der Berufung von Ashton ist ihm das scheinbar zunächst geglückt, aber eine Dominanz britischen Denkens in der europäischen Außenpolitik ist nirgends in Sicht.

Die diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten werden in den nächsten Jahren das Gros der europäischen Diplomaten stellen. Der Europäische Rat will im April über den diplomatischen Dienst entscheiden. Danach wird darum gerungen, wer welche Position besetzen wird. Hier würde das Europäische Parlament gerne mitreden. Das liegt wohl daran, dass es ansonsten nicht viel zu sagen hat. Allenfalls den Haushalt des EDD kann es ablehnen – oder eben genehmigen. Wie sinnvoll aber die Mitsprache des Parlaments bei Botschafterbesetzungen ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Barroso hat derweil mit Ashtons Zustimmung den EU-Botschafterposten in Washington mit einem langjährigen Vertrauten besetzt. Die Mitgliedstaaten waren „not amused“.

Ein Generalsekretär mit zwei Stellvertretern und sechs Generaldirektoren soll den Dienst für Catherine Ashton führen. Der Generalssekretär soll nicht nur die einzelnen Politikfelder koordinieren, sondern auch das Militär für die EU-Überseeeinsätze und den Informationsdienst der EU. Die Generaldirektoren teilen sich die Aufgaben Personal und Budget, globale Fragen wie Klimawandel, Menschenrechte und Demokratie, die Beziehungen der EU zu multinationalen Organisationen. Die restlichen drei dürfen die Welt unter sich aufteilen: einer kümmert sich um die EU-Nachbarstaaten, Beitrittsländer, Russland und Zentralasien, einer um die Industriestaaten und einer um die Entwicklungs­länder. Großbritannien, Frankreich und Deutschland streiten um die Besetzung dieses Gremiums. Kleinere Staaten haben zurzeit nur wenige Chancen, eigene Leute in Schlüsselstellungen zu hieven. Sie werden sich noch gedulden müssen.

Christoph Nick
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