Zu den am wenigsten genutzten, aber spektakulärsten Vorrechten des Parlaments gehört die Einsetzung von Ermittlungsausschüssen. Wenn die dafür vorgesehenen Institutionen nicht in der Lage scheinen, die Wahrheit ans Licht zu bringen und dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen, können die Abgeordneten sich selbst um Aufklärung bemühen. Dazu verfügen sie über die sehr weit reichenden Befugnisse von Untersuchungsrichtern. In den bald zwei Jahrhunderten, in denen das Großherzogtum besteht, beschloss die Kammer insgesamt 17 Ermittlungsausschüsse. Die bekanntesten befassten sich mit dem Krach der Nationalbank, der Spekulation gegen den belgisch-luxemburgischen Franken in den Dreißigerjahren, der Jahrhundertaffäre, der Valissenaffär und dem Kralowetz-Skandal.
In nächster Zeit will das Parlament einen Gesetzentwurf des LSAP-Abgeordneten Alex Bodry stimmen, mit dem das Gesetz von 1911 über die parlamentarischen Ermittlungsausschüsse reformiert werden soll. Mit der Novelle soll das Parlament sich selbst das Recht nehmen, Ermittlungsausschüsse in Angelegenheiten einzusetzen, die Gegenstand laufender gerichtlicher Ermittlungen sind. Auch sollen Ermittlungsausschüsse sofort ihre Arbeit einstellen, wenn eine Strafverfolgungsbehörde in derselben Angelegenheit aktiv wird.
Damit will die Kammer wiederholt aufgeflammte Debatten über die Gewaltentrennung zwischen Legislative und Judikative beenden. Aber selbst der sich sonst als Hüter der Rechtsprinzipien und der Verfassung verstehende Staatsrat zeigte sich am Dienstag in seinem Gutachten leicht erstaunt darüber, wie das Parlament seine Vorrechte aufgibt, und weist darauf hin, dass beispielsweise in Belgien Parlament und Justiz ihre Ermittlungsrechte gleichzeitig ausüben können.
In einem Änderungsantrag zu Bodrys ursprünglichem Text will der parlamentarische Ausschuss der Institutionen und für die Verfassungsrevision zudem das Recht eines Ermittlungsausschusses abschaffen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen anzuordnen. Was erstaunlich ist, weil derselbe Ausschuss im Entwurf seiner großen Verfassungsrevision den parlamentarischen Ermittlungsausschüssen weiterhin die Rechte eines Ermittlungsrichters ausdrücklich zuerkennt.
Die etwas abstrakte Diskussion lässt sich an einem einfachen Beispiel illustrieren: Wenn der Staatsanwalt Behörden und Beamten öffentlich vorwirft, jahrelang die Justiz bei der Aufklärung der von Beamten gegen den Staat verübten Terroranschläge der Achtzigerjahre zu behindern, wäre es die Aufgabe des Parlaments, über die Dysfunktionen des Rechtsstaats und seiner Institutionen zu ermitteln, während es Aufgabe der Justiz ist, die Täter zu überführen und zu bestrafen. Dazu bräuchte die Kammer auch weiterhin dieselben Vorrechte wie eine Untersuchungsrichterin, die in besagtem Fall beispielsweise Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen im Staatsministerium und beim Nachrichtendienst anordnete, um ihr vorenthaltene Dokumente sicherzustellen.
Wenn das Parlament nun nicht versucht, unter Wahrung der Gewaltentrennung die Amtshilfe zwischen Justiz und parlamentarischen Ermittlungsausschüssen als gleichberechtigte Gewalten im Staat zu regeln, sondern seine eigenen Vorrechte weitgehend aufgibt, bedeutet das, dass es in der Mehrheit der Fälle auf Ermittlungen über Dysfunktionen des Rechtsstaats und seiner Institutionen sowie eine politische Antwort darauf verzichten will. Von solchen Ermittlungen profitieren ohnehin meist die Oppositionsparteien, und in diesen Krisenzeiten weiß die Regierung nie, was noch kommen mag.