Der Klimawandel und die notwendige Reduktion von Treibhausgasen haben die Europäische Kommission veranlasst, den Druck auf die Automobilindustrie zu verstärken. Nach CO2-Grenzwerten für PKWs und Kleinlaster will die EU-Behörde nun Emissionslimits für schwere LKWs festschreiben. Doch der Europäische Verband der Automobilhersteller Acea warnt vor „politisch motivierten Grenzwerten“, die von der Industrie nicht umgesetzt werden könnten. Bei „voreiligen Gesetzesinitiativen“ drohten kontraproduktive Folgen, zum Beispiel ein in der Praxis sogar erhöhter Spritverbrauch. Gefragt sei vielmehr ein „praktikabler“ Ansatz.
Eine Regelung des CO2-Ausstoßes schwerer LKW würde die Industrie vor eine große Herauforderung stellen: Anders als die Stickoxid- oder Rußpartikel-Emissionen lässt sich Kohlendioxid nicht aus den Abgasen herausfiltern. Der einzige Weg, den CO2-Ausstoß eines Dieselmotors zu senken, besteht darin, den Verbrauch zu reduzieren. Das allerdings wird schwierig, denn die Motoren der Abgasnorm Euroklasse VI (nicht zu verwechseln mit der Euro-6-Norm für PKWs) werden aufgrund der vielfältigen Abgasreinigungstechniken eher mehr verbrauchen, als die gegenwärtige Euro-V-Generation. Experten sprechen von rund zwei Prozent Mehrverbrauch.
Kopfschmerzen bereiten den Herstellern die neuen Plänen für schwere LKWs insbesondere, weil die Kommission – ebenso wie bei PKWs und Transportern – die CO2-Emissionen lediglich in Gramm pro Kilometer betrachten könnte. Sinnvoller wäre es nach Ansicht der LKW-Experten, die Transportleistung mit einzubeziehen. Dann müsste der CO2-Ausstoß in Gramm pro Tonnenkilometer dargestellt werden. Daimler-Nutzfahrzeugchef Andreas Renschler mahnt, dass Messzyklen dem realen Einsatzprofil der Fahrzeuge entsprechen müssten. Sonst könne sich der Verbrauch in der Praxis noch weiter erhöhen.
Verschiedene Hersteller haben jedoch bereits mögliche Wege vorgezeichnet, um aus diesem Dilemma herauszukommen: Eine Möglichkeit ist der konsequente aerodynamische Feinschliff, der aber eine Lockerung der strikt vorgegebenen Lastzug-Abmessungen voraussetzen würde. Parallel dazu wird auch in Richtung alternativer, CO2-neutraler Kraftstoffe wie BTL (Biomass to liquid) oder Biogas geforscht.
Vor diesem Hintergrund rechnet die Automobilindustrie nicht damit, dass die EU-Behörde Vorschläge für eine Euro-VII-Norm vorlegt. Verbesserungen bei der Reduktion des Stickoxid- und Feinstaubausstoßes seien kaum noch möglich, so Renschler. Zudem müsse dafür erneut ein höherer Dieselverbrauch in Kauf genommen werden.
Was auf die LKW-Hersteller zukommen könnte, verdeutlich die EU-Regelung über Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen, die eine gestaffelte Einführungsphase bis 2015 vorsieht. Seit Anfang dieses Jahres muss jeder Autohersteller für einen bestimmten Prozentsatz seiner Neuwagenflotte den durchschnittlichen Grenzwert von 130 g/km einhalten. Zunächst sind das 65 Pro-zent der Neuwagenflotte. Bis 2015 steigt der Anteil nach und nach bis auf 100 Prozent.
Die Methode zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage und zur Berechnung der heranzuziehenden Neuwagenflotte basiert auf dem Prinzip Lowest CO2 und einem Weight-based standard. Das heißt, die Unternehmen bestimmen, welche Fahrzeuge aus der Flotte für die Berechnung herangezogen werden. In den ersten Jahren werden die größten und stärksten Fahrzeuge demnach nicht berücksichtigt werden. Damit sei auch ein geringerer Anreiz zur Produktion leichterer Fahrzeuge gegeben, kritisiert das deutsche Umweltbundesamt.
Beim Überschreiten der Grenzwerte werden für die Autoindustrie Strafzahlungen fällig. Jedes Gramm CO2 über dem Durchschnittsgrenzwert kostet seit Anfang dieses Jahres pro verkauftem Auto – fünf Euro sind es für das erste Gramm, 15 Euro für das zweite, und 25 Euro für das dritte Gramm. Wird der Grenzwert um drei Gramm überschritten, summiert summiert sich die Strafe damit auf 45 Euro. Ab dem viertem Gramm drohen 95 Euro. Und 2018 endet die Übergangsphase, und die hohe Strafe gilt schon ab dem ersten Gramm CO2 überm Limit.
Laut Untersuchungen der European Federation for Transport & Environment (T&E) sind jedoch höhere Strafzahlungen von etwa 150 Euro pro Gramm und Kilometer erforderlich: sonst könnten sich die Autohersteller sich aus ihrer Verpflichtung freikaufen.
In den Verhandlungen über CO2-Grenzwerte für PKWs wurde ebenfalls ein Zielgrenzwert von 95 Gramm pro Kilometer für das Jahr 2020 vereinbart. Er ist jedoch nicht bindend. Das deutsche Umweltbundesamt sieht darin eine weitere Verzögerung für die Festsetzung strikter CO2-Grenzwerte für die Autoindustrie. Erst 2013 soll die EU-Kommission eine Evaluierung vorlegen, um die weitere Vorgehensweise für die Erreichung der Zielwerte für das Jahr 2020 zu bestimmen.
Vor diesem Hintergrund fällt die Bewertung der EU-Initiative für PKWs durch das Umweltbundesamt ernüchternd aus: „In Summe kann nicht von einem Signal für mehr Klimaschutz gesprochen werden.“ Um im Verkehr dennoch eine CO2-Reduktion zu erreichen, werde es daher auf nationaler Ebene nötig sein, verstärkt öffentliche Förderungen und Initiativen für eine Entwicklung und Nachfrage von besonders „sauberen“ Fahrzeugen zu entwickeln beziehungsweise andere Maßnahmen zur Senkung der Verkehrsemissionen umzusetzen. Auch der Konsument sei verstärkt gefordert, bei seiner Kaufentscheidung auf umweltverträgliche Kriterien zu achten und so den Autoherstellern ein Signal zu senden, dass der Kraftstoffverbrauch und damit der Klimaschutz ein ernst zunehmendes Thema ist.