Das Bild vom Jugendlichen

Vorbilder gesucht

d'Lëtzebuerger Land vom 15.03.2013

Was haben sich Erwachsene nicht schon alles ausgedacht, um Jugendliche zu mehr Engagement anzuregen? Trau dech, Fit for Life, Yo-Fest, Fräi wëll ech, Génial.lu, Firwat net Fuerscher? sind alles Initiativen, die sich an Jungen und Mädchen richten, sich doch aktiv in die Arbeitswelt, Forschung und andere gesellschaftliche Bereiche einzubringen. Außer freundlichen Appellen gibt es noch die ruppigere Variante, zuletzt vom Premierminister Jean-Claude Juncker vorgeführt, der jungen Arbeitslosen vorwarf, Jobangebote einfach abzulehnen.

Es ist ein trauriges, pessimistisches Bild, das diese Erwachsene von der Jugend zeichnen, im Grunde ja von ihren Söhnen, Töchtern und Enkelkindern, beziehungsweise den Kindern anderer Eltern. Studien bescheinigen dem Gros der Luxemburger Jugend, Individualisten zu sein, die selbstbezogene, hedonistische Werte, aber auch Rücksicht und Verantwortungsbereitschaft hochhalten. Im Mittelpunkt steht bei den meisten die Sorge um die materielle Sicherheit und die Selbstverwirklichung.

Wer kann ihnen das verdenken? Vielen Jungen und Mädchen geht es heute vielleicht materiell besser als vorigen Generationen. Viele, aber längst nicht alle, sind besser ausgebildet, als es ihre Eltern je sein werden. Sie sprechen mehrere Sprachen, gehen mit den Kommunikationstechnologien mit einer Selbstverständlichkeit um, von der viele Erwachsene nur träumen können. Zugleich aber sind ihre Jobaussichten schlechter. Die Kinderarmut nimmt zu, die Jugendarbeitslosigkeit ist auf dem höchsten Stand seit Jahren. Selbst ein Hochschulabschluss bedeutet heutzutage keine Arbeitsplatzgarantie mehr. Dass da bei vielen der Pragmatismus überwiegt, andere zutiefst verunsichert sind und nicht wissen, was sie werden wollen, überrascht nicht.

Woran soll sich die Jugend denn orientieren, wenn Erwachsene wieder einmal mehr Risikobereitschaft und Motivation fordern? Es sind oft die Eltern, die ihre Kinder dazu drängen, in den Staatsdienst zu gehen, weil der Arbeitsplatz sicher ist und das Gehalt gut. Schüler erleben engagierte Lehrer, aber auch jene, die vor allem ihre eigenen Privilegien verteidigen, statt zu überlegen, wie ein erfolgreicher Unterricht im Zeitalter von Internet, zunehmendem Qualifizierungs- und Flexibilisierungsdruck und einer sich wandelnden Arbeitswelt aussehen muss. Wo ist die Schule, in der Kinder Risikobereitschaft, Partizipation, Kreativität und Autonomie lernen? Wo sind die Vorbilder, an denen sich junge Menschen ein Beispiel nehmen mögen?

Erwachsene denken selbst oft nicht groß. Es fehlt an Visionen. Politiker sind verzagt und halten lieber am Status quo fest. Wo bleibt die mutige Arbeitsmarktreform? Wo sind innovative Ideen, wie das Land aufgestellt werden kann, um auf die Herausforderungen der Zukunft nicht bloß zu reagieren, sondern sie selbst aktiv zu gestalten? Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich festgefahren in alten Feindbildern und rechthaberischem Vokabular von „Standortinteressen“ und „neoliberaler Sozialstaatsdemontage“.

Wer nicht wagt, gewinnt nicht. Das gilt erst recht für die Politik und die Wirtschaft. Denn ihre Akteure sind es, die entscheidend die Spielregeln mitbestimmen, nach denen unsere Gesellschaft funktioniert. Wie wenig das Wort der Jugendlichen von ihnen gefragt wird, und wie wenig es zählt, konnte man bei den Verhandlungen um die Rentenreform erkennen: Außer einem freundlichen Austausch mit dem Sozialminister wurde von den Sorgen der Jugendlichen inhaltlich kaum etwas zurückbehalten. Mir wölle bleiwe wat mir sin, die Inschrift an einem Haus in der hauptstädtischen Altstadt, wird nimmermüde als Nationalmotto der Luxemburger zitiert. Ach, gäbe es doch mehr wildes Graffiti in der Stadt.

Ines Kurschat
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