Die Männer tragen schwarze Netze über ihren Gesichtern, ihr Tanz ist kraftvoll, sinnlich und provokativ. In ihrer Performance Adorabilis trifft das Künstlerduo Jonas & Lander auf eine Riesenkrake. Ihr Tanzstück mit Elementen einer Travestie-Show gleicht einer labyrinthischen Suche, die mit Gendervarianten spielt. Ähnlich wie The WOMANhouse: Andreas Constantinous’ Stück, das aus sechs Tanz-Performances besteht, hat sich ganz und gar der Identitätssuche verschrieben und zeigt, dass die Grenzen zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit fließend sind. Was bedeutet es heute ein Mann zu sein? Bestimmen Körper und das festgelegte Geschlecht unsere Identität?
Auf die Spuren zur Schau gestellter Männlichkeit hat sich auch Oona Doherty begeben, wenngleich ganz anders. Für Hope Hunt hat sich die irländische Choreographin Wochen lang an die Fersen von Jugendlichen Arbeitssuchenden geheftet. Ihr Tanzstück gleicht einer Sozialstudie, in der klar wird, dass die exponierte Männlichkeit oft eine Tarnung ist, um sich vor der Außenwelt und dem gewalttätigen Umfeld zu schützen. Die heulenden Sirenen in ihrer Choreographie gehen einem durch Mark und Bein. Und wenn die Masken fallen, offenbart sich nicht nur die Verletzlichkeit der Tänzer, sondern der pure, kraftvolle Tanz ... Die Figuren scheinen zu schweben und beflügeln die individuelle Fantasie.
Auf neun hochkarätige Performances haben sich der künstlerische Leiter des Trois-C-L, Bernard Baumgarten und die Direktorin des Neumënster, Ainhoa Achutegui, unter der finalen Auswahl von 20 Kandidaturen geeinigt. Und das sei einfacher gewesen als gedacht, denn: „Was die Kunst betrifft, sind wir wie Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden. Wir haben fast immer den gleichen Geschmack“, so Achutegui anlässlich der Pressekonferenz.
Über 650 professionelle Tänzer haben sich mit einem Video bei einer internationalen Jury beworben, von denen nur ein Bruchteil für das „Aerowaves Festival“ zurückbehalten wurde. Darunter Schweres, Amüsantes, aber vor allem Sinnliches, wie Bolero von Jesus Rubio Gamo. In dem Stück des spanischen Choreographen verschmelzen Schwere und Leichtigkeit zu den nostalgischen Klängen von Maurice Ravels’ bekanntem Bolero – eine Ode an die Liebe und die Vergänglichkeit?
Die erlesenen Stücke des kleinen Tanzfestivals, das erstmals 2015 stattfand und nach seiner ersten erfolgreichen Auflage nun im zweijährigen Rhythmus stattfindet, werden in diesem Jahr vom 31. August bis zum 2. September in der Abtei Neumünster und am 3. Abend in der Banannefabrik gezeigt. Das Festival soll junge Künstler aus ganz Europa nach Luxemburg locken und mit Tänzern vernetzen.
Unter diesen ist auch die Luxemburgerin Jill Crovisier, die bereits in der Kompagnie von Jean-Guillaume Weis getanzt hat und am 3. September zu elektronischer Musik ihre Performance The Hidden Garden präsentieren wird. Am 1. September findet erstmals ein öffentlicher Tanzworkshop mit ihr statt, in dem ein Auszug aus ihrer Choreographie einstudiert wird und bei dem man Improvisation erlernen und seinen Körper erkunden kann.
Eine Chance für regen Zulauf sieht Baumgarten nicht zuletzt in dem Zeitpunkt, an dem das Tanzfestival stattfindet. Anfang September habe noch kein anderes Kulturhaus geöffnet. „Wir denken, es ist eine gute Gelegenheit, in die Saison zu starten.“ Selbst, wenn das Festival nicht riesengroß würde – das sei organisatorisch und vom Budget auch gar nicht machbar – sind die sinnlichen Tanz-Kreationen des Aerowaves-Festivals also sicher eine gute Alternative zur Schueberfouer.