Musiktheater

Von Menschen und deren Eingeschlossensein

d'Lëtzebuerger Land du 08.03.2013

Eine wortgewaltige Sprache, aufwühlendes Theater und musikalische Impulse dort, wo das Wort an seine Grenzen stößt, haben die Regisseurin Carole Lorang und der Dramaturg Mani Muller zum Erfolgsrezept ihrer Inszenierungen gemacht. Seit sie vor genau zehn Jahren in der Escher Kulturfabrik ihre erste gemeinsame Produktion, Péter Nádas’ Ménage, auf die Bühne brachten, sind die beiden Künstler ein eingeschworenes Team, das der Luxemburger Theaterszene immer wieder frischen Wind eingehaucht hat. Eben sind sie aus Frankreich zurück, wo sie im Rahmen einer umfangreichen Tournee ihre Inszenierung des Stücks Tout le monde veut vivre des israelischen Autors Hanokh Levin gezeigt haben. Im Herbst stand ihre Inszenierung des skurrilen Stücks Blaubart, Hoffnung der Frauen, in dem die deutsche Dramatikerin Dea Loher aus dem Mythos Blaubart einen mittelmäßig erfolgreichen Schuhverkäufer macht, der zum Se-rienmörder wird, auf dem Spielplan des Kasemattentheaters und wenige Monate zuvor haben sie mit der Uraufführung ihres originellen, selbst konzipierten Stücks Weird Scenes Inside A Gold Mine einen ganz großen Wurf gelandet: Texte von Antonin Artaud, Henri Michaux und Jim Morrison fanden Einzug in die Stube einer durch und durch verstörten Familie, in ein einengendes Universum, das von Macht, Abhängigkeit und sexueller Perversion dominiert wird.

Derzeit studieren Carole Lorang und Mani Muller García Lorcas letztes Drama Bernarda Albas Haus in französischer Sprache im Studio des Großen Thea-ters ein. Premiere ist am Dienstag. Parallelen zu Weird Scenes Inside A Gold Mine drängen sich auf. Auch bei La maison de Bernarda Alba, das Mani Muller übersetzt und für das Projekt adaptiert hat, geht es um Menschen, die sich in der klaustrophobischen Enge ihrer Familienstruktur verfangen haben. Das Stück, das der große spanische Volksdichter vollendet hatte, kurz bevor er 1936 von Francos Falangisten erschossen und in einem Massengrab verscharrt wurde, handelt von der Familiendiktatur Bernarda Albas: Nach dem Tod ihres Mannes verschließt die verbitterte Frau ihr Haus und verordnet ihren fünf Töchtern eine achtjährige Trauerzeit. Während das Leben draußen vorbeizieht, sehnen sich die jungen Frauen, daran Teil zu haben, und verzehren sich nach den abwesenden Männern. Als sich Adela in den Verlobten ihrer ältesten Schwester verliebt und aus dem häuslichen Gefängnis ausbricht, kommt es zur Katastrophe. Aus heutiger Sicht wirkt dieses Drama wie eine Weissagung dessen, was Spanien nach dem Sieg Francos bevorstand: jahrzehntelange Diktatur und Unterdrückung, Hass und Rebellion.

„Ich möchte das Publikum mit diesem Stück aufwühlen und verstören“, erklärt Carole Lorang im Land-Gespräch. „Die Gegensätze interessieren mich“, so die Regisseurin: „Da ist einerseits das Weibliche der Töchter, die ihr Leben ausleben möchten, ihre Sentimentalitäten, ihre Sehsüchte, ihr Wunsch nach einem Mann, einer eigenen Familie. Da ist aber auch die Mutter, die in ihrer eigenen Familie nach dem Tod ihres Gatten nur noch für Härte und Starrheit steht, die das traditionelle Bild des dominierenden Mannes selbst übernommen hat.“ Carole Lorang: „Vieles im Stück handelt von Machtverhältnissen innerhalb der Familie.“

Wie bei Weird Scenes Inside A Gold Mine spielt auch hier die Musik eine gewichtige Rolle. Teil des Spektakels sind Florian Appel und Franz Leander Klee, zwei Musiker – Dirigenten, Pianisten, Komponisten, Allroundkünstler – die die Musik, die sie für La maison de Bernarda Alba geschrieben haben, auch selbst interpretieren. Carole Lorang erklärt: „Die Musik setzt dort ein, wo die Sprache an ihre Grenzen stößt. So atmet sie etwa aus den Wänden des Hauses heraus, lässt Bernarda Albas Haus die Geschichte der Menschen, die darin gelebt haben, erzählen, und auch der Gesang wird Teil unserer Inszenierung werden: die Sopranistin Véronique Nosbaum wird als Maria Josefa, eine der Töchter Bernarda Albas, auf der Bühne stehen.“ Carole Lorang: „Das Projekt verspricht, eindringliches Musiktheater zu werden.“

Auch La maison der Bernarda Alba wird, nach den Aufführungen vom Großen Theater, auf Tour gehen und an den koproduzierenden Häusern gezeigt werden: am Pariser Théâtre des Bouffes du Nord, dem Théâtre de la Place in Liège und dem Théâtre Liberté in Toulon.

La maison de Bernarda Alba von Federico García Lorca, in einer französischen Übersetzung und Bühnen-fassung von Mani Muller; Inszenierung: Carole Lorang; Musik: Franz Leander Klee und Florian Appel; Bühne: Peggy Würth; mit: Sylvie Jobert, Bach.Lan Lê-Bà Thi, Rita Bento do Reis, Jérôme Varanfrain, Camille Grandville, Nina Krasnikova, Véronique Nosbaum und Renelde Pierlot; am 12., 14. und 15. März um 20 Uhr im Grand Théâtre; Informationen: www.theatres.lu; Bestellungen: Tel. 47 08 95 1; Fax: 47 08 95 95; E-mail: ticketlu@pt.lu; www.luxembourg-ticket.lu
Marc Fiedler
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