Wer seit dem 1. Januar eine Krankenhaus-Poliklinik aufsuchen musste, weiß: Das kostet nun extra. So beschloss es der Vorstand der Gesundheitskasse CNS im November bei der Verabschiedung des Kassen-Haushalts für 2011: Bei einem „passage en policlinique“ würden künftig pauschal 2,50 Euro fällig. Es sei denn, ein „traitement stationnaire ou semi-stationnaire“ schlösse sich an: Wer nach dem Poliklinik-Besuch als Krankenhauspatient aufgenommen wird, wäre von der Zahlung des Obolus’ befreit.
Doch als das neue Jahr angebrochen war, sorgte die Poliklinik-Gebühr für Aufregung. Die Presse berichtete, dass manche Spitäler die zweieinhalb Euro nur einmal kassieren würden, andere jedoch würden sie mehrfach erheben. Die Gewerkschaften waren empört. Ihre Vertreter im CNS-Vorstand meinten im November beschlossen zu haben, dass die Gebühr grundsätzlich nur einmal fällig werde.
Am 21. Januar schob die CNS eine Pressemitteilung nach und ließ wissen: „Tout patient qui se présente au service de policlinique d’un hôpital pour un soin d’urgence ou un soin programmé doit s’acquitter d’une participation unique de 2,5 euros.“ Damit schien alles klar, und der LCGB gab sich am Donnerstag vergangener Woche in einem Kommuniqué erleichtert, dass die „Missbräuche“ in „einer Reihe von Krankenhäusern“ nun ein Ende hätten.
Damit könnte alles womöglich nur ein Missverständnis gewesen und die Geschichte zu Ende erzählt sein. Das ist sie aber nicht. Darauf deutet schon hin, dass der LCGB noch mitteilte, auf sein Nachfragen hin habe die Gesundheitskasse „ebenfalls klargestellt, dass die Summe von 2,50 Euro nicht bezahlt werden muss im Falle einer Aufnahme des Patienten für eine stationäre Behandlung“. Dass die Klarstellung nötig war, ist seltsam. Hatte die CNS doch genau das schon im November bekannt gegeben. In ihrer Pressemitteilung vom 21. Januar aber schrieb sie überraschenderweise noch: „La participation est due également en cas d’hospitalisation subséquente.“ Das war neu und entsprach nicht dem, was durch die Veröffentlichung im Memorial vom 3. Dezember 2010 ab Neujahr in Kraft treten sollte: „Cette participation n’est pas due pour les patients admis en traitement stationnaire ou semi-stationnaire.“
Die Frage, wo um alles in der Welt dieses Durcheinander herrührt, führt ins Universum der Abrechnungs-Modalitäten zwischen Krankenhäusern und CNS. Mit Politik hat sie auch zu tun.
Die Lage ist so komplex, dass nicht ohne weiteres behauptet werden kann, dass Krankenhäuser, die Poliklinik-Patienten die 2,50 Euro mehrfach abverlangten, „Missbrauch“ betrieben. Die Poliklinik zählt in den Spitälern als eine separate Kostenstelle – wie etwa auch die Intensivstation, die radiologische Abteilung oder die Operationssäle. Innerhalb der Poliklinik aber sind mehrere Dienste angesiedelt. Es werden nicht nur Notfallbehandlungen vorgenommen, sondern zum Beispiel auch Endoskopien. Wechselt ein Patient von einem Poliklinik-Dienst zum nächsten, ist das ebenso ein „passage en policlinique“ wie im Moment der Anmeldung in dieser. Wie die neue Regelung sich las, würde in einem solchen Fall erneut eine Poliklinik-Gebühr fällig.
Dass dies problematisch würde, vermutete der Krankenhaus-Dachverband EHL schon Anfang Dezember und drängte die CNS per Brief, noch nichts definitiv zu entscheiden, sondern zunächst „une analyse sérieuse des conséquences d’une telle mesure“ vorzunehmen. Die EHL erinnerte daran, dass die meisten Patienten in den Polikliniken mehrere Passagen absolvieren. Da müsse man den Leuten sagen, dass ein Poliklinik-Besuch mehr als nur einmal 2,50 Euro kosten könnte.
Dass dem tatsächlich so sein werde, mussten die Krankenhausdirektio-nen dem Antwortbrief der CNS vom 16. Dezember entnehmen. Darin stand nicht nur, die neue Gebühr werde „pour les passages ‚policlinique’“ erhoben, sondern auch, dass die 2,50 Euro vom Poliklinik-Tarif abgezogen würden, den die CNS den Spitälern bezahlt. Er liegt je nach Spital bei elf bis zwölf Euro pro passage. Da hätte es den Kliniken einen beachtlichen Verlust beschert, wenn sie die Gebühr von sich aus nur einmal kassiert hätten.
Dennoch handhabten die Spitäler die neue Regelung unterschiedlich. Das Tageblatt berichtete am 11. Januar, dass im Centre hospitalier du Nord Ettelbrück/Wiltz die Gebühr stets nur einmal verlangt würde. Das Centre hospitalier de Luxembourg setzte sich darüber hinweg, dass die Gebühr laut CNS-Beschluss für Patienten jeden Alters erhoben werden soll, und verlangte sie unter 18-Jährigen nicht ab: Schließlich soll der Obolus auch dazu anhalten, statt einer Poliklinik den Hausarzt aufzusuchen oder die Maisons médicales, von denen sich Ende letzten Jahres herausgestellt hatte, dass sie nur zur Hälfte ausgelastet sind. Für Kinder und Jugendliche aber sind Hausarzt und Medizinerhaus nicht unbedingt eine Alternative zur CHL-Kinderklinik, in deren Poliklinik sie nicht selten mehrere Passagen absolvieren.
Am 7. Januar beschwerte sich die EHL über die neue Maßnahme bei Minister Mars Di Bartolomeo (LSAP), nannte sie „kontraproduktiv“ und „diskriminierend“, etwa für Kinder oder für Patienten, die viele Poliklinik-Besuche benötigen, Krebskranke beispielsweise. Am 16. Januar meldete sich die CNS erneut und schrieb, ganz unabhängig von Poliklinik-Passagen sollten nur einmal 2,50 Euro kassiert werden. Was im Umkehrschluss hieß, dass einem Krankenhaus nun doch nicht so viel abgezogen würde, wie es noch im Dezember zu vermuten stand, und die Geschichte könnte nun endlich zu Ende sein.
Aber nein: Denn dass die Gebühr nun doch fällig würde, wenn jemand nach dem Poliklinik-Besuch stationär aufgenommen wird, machte die Kasse erst fünf Tage später publik. Und am Donnerstag vergangener Woche fand eine Dringlichkeitssitzung von CNS und Klinikverband statt, auf der wieder neue Regeln beschlossen wurden: Künftig soll unterschieden werden, ob ein Patient die Poliklinik als „Notfall“ nutzt oder mit Voranmeldung. Im ersten Fall würden generell nur einmal 2,50 Euro kassiert. Im zweiten Fall wäre der Obolus bei jedem passage zu zahlen. Unter 18-Jährige sollen von der Gebühr grundsätzlich befreit werden.
Die Frage stellt sich, weshalb die CNS an der Regelung festhält. Sie ist schwer zu beantworten, weil die Kasse die Anfrage des Land unbeantwortet lässt. Die Krankenhausdirektionen sind auch nach dem Treffen von letzter Woche noch unzufrieden. Ein Direktor nennt die neue Regelung gegenüber dem Land „unzumutbar“, denn der Verwaltungsaufwand, den die Gebühr in den Spitälern verur-sacht, wird damit noch größer: Der Patient muss nicht nur eine Quittung über die Zahlung erhalten, der Betrag klinikintern verbucht und ein System eingerichtet werden, von Säumigen die Gebühr nachträglich einzutreiben. Die Spitäler werden überdies unterscheiden müssen zwischen Notfall-Poliklinikpatienten und solchen mit Termin und sollen der CNS darüber alle drei Monate Bericht erstatten. Gut möglich, dass all dies pro Obolus insgesamt länger als zwei Minuten dauert: dann würde, Berechnungen der EHL nach, der Aufwand für die kleine Gebühr so hoch, dass er den Krankenhäusern Verluste beschert, falls die CNS keine zusätzlichen Mittel für Verwaltungspersonal genehmigt. Da die CNS in diesem Jahr von über 1,1 Millionen Poliklinik-Passagen in den Spitälern ausgeht, könnten die Verluste beträchtlich sein. Doch die Kasse hat schon erklärt: Mehr Personalmittel wegen der 2,50 Euro gibt es nicht.
Denn dem Vernehmen nach will die CNS mit der Maßnahme nicht nur einen Teil der Krankenhauskosten auf die Patienten verlagern, wie es schon mit der seit Jahresanfang um 50 Prozent erhöhten Eigenbeteiligung an den Unterbringungskosten bei stationärer Behandlung der Fall ist. Sie möchte auch das Prinzip aufbrechen, dass mehr Poliklinik-Aktivität automatisch höhere Personalkosten in den Spitälern generiert, und will stärker kontrollieren, was in den Polikliniken geleistet wird. Deshalb stimmte der CNS-Präsident im November mit den Arbeitgebervertretern im Vorstand der Kasse für die Einführung einer Poliklinik-Gebühr; die Gewerkschaftsvertreter waren dagegen.
Dass die Kasse besser Bescheid wissen möchte über die Polikliniken, stößt bei den Krankenhausdirektio-nen auf gar nicht so viel Widerstand. „Man sollte das aber nicht derart heimlich angehen. Zumal, wenn gleichzeitig ein gesundheitspoliti-sches Ziel lautet, mehr ambulant zu behandeln“, sagt ein Klinik-Verwaltungsdirektor dem Land.
Der Hinweis scheint umso zutreffender, da auch die letzte Woche festgehaltene Lösung beispielsweise jene Patienten benachteiligt, die zeitweilig und planmäßig viele Poliklinik-Behandlungen benötigen: Nach bestimmten Operationen ist es üblich, dass ein Patient eine Woche lang täglich vom behandelnden Arzt untersucht wird und in der Poliklinik seinen Verband gewechselt bekommt. Von ambulanter Reha-Behandlung gar nicht zu reden.
Weil die Variante vom letzten Donnerstag bisher nur als Entwurf existiert, wird in den Krankenhausdirektionen gehofft, dass die CNS die Gebühr wieder abschafft. Doch auf die Entscheidung vom November noch einmal zurückzukommen, dürfte für die Kasse auch deshalb nicht einfach werden, da der Poliklinik-Obolus Teil des mühevoll ausgehandelten Pakets aus Einsparungen, höheren Eigenbeteiligungen und höheren Beiträgen war. Ihn infrage zu stellen, könnte ohne weiteres die Diskussion eröffnen, wo denn anstelle gespart werden soll. Und ob überhaupt: Hatte der OGB-L doch Anfang des Jahres festgestellt, dass die CNS 2010 ihre Einnahmen drastisch unterschätzt habe.