Alles im grünen Bereich – so lässt sich die Sitzung des familien-politischen Ausschusses der Abgeordnetenkammer zusammen-fassen, in der am Dienstag auf Antrag des DP-Abgeordneten Eugène Berger Familienministerin Marie-Josée Jacobs (CSV) über die Betreuungsqualität in den Alters- und Pflegeheimen Auskunft gab. Im Dezember und Januar hatte das Tageblatt in drei Artikeln von „unhaltbaren Zuständen in Altersheimen“ geschrieben. Insassen der Centres intégrés pour personnes âgées in Diekirch und Bettemburg sowie aus dem kommunalen Hospice civil in Luxemburg-Pfaffenthal hatten sich gegenüber dem Tageblatt beschwert. Von „nicht menschenwürdiger“ Betreuung und Pflege war die Rede, und als Gründe wurden Personalmangel und ein „zu starrer Minutenschlüssel“ genannt.
Die für die Heime zuständige Familienministerin widersprach diesen Darstellungen. Im Ministerium gingen pro Jahr nicht mehr als zehn Beschwerden von Heiminsassen oder deren Familien ein. Die aber hätten in der Regel nur zwischenmenschliche Probleme von Heim-bewohnern und Personal zur Ursache. Einen Personalmangel in den Häusern gebe es nicht, erklärte Jacobs. Auch sei der Krankenstand im Heimbereich nicht höher als in anderen Branchen.
Dass es viele Klagen gebe, kann auf Anfrage des Land auch die Cellule d’évaluation et d’orientation (CEO) für die Pflege-versicherung nicht bestätigen. Die dem Sozialminister unterstehende Abteilung muss sich angesprochen fühlen, da Behauptungen von einem „zu starren Minutenschlüssel“ nur die Pflegeleistungen für anerkannt pflegebedürftige Heimbewohner betreffen können, nicht aber die Heimbetreuung an sich. 2010 seien 27 Beschwerden über die Qualität der Pflege eingegangen. Doch davon hätten 21 die mobilen Dienste be-troffen und nur sechs die Heimpflege. Und selbst über das im Tageblatt besonders stark kritisierte Cipa in Diekirch, so die CEO, lägen weder Klagen von Insassen oder deren Familien vor, noch besondere Be-obachtungen der CEO-Evaluateure.
Doch so problemfrei ist der Heimsektor vielleicht dennoch nicht. Im Gegensatz zur Familienministerin nennt der Dachverband der Pflegedienstleister Copas den Krankenstand im Sektor „mit fünf Prozent relativ hoch“. Das habe damit zu tun, dass in der Branche Tätige zu ihrem eigenen Schutz und dem ihrer Klientel generell schneller krank geschrieben würden. Vielleicht führt das ja doch zu Personalmangel: Dass es den – je nach Haus, je nach Schicht – gibt, wird vom Krankenpflegerverband Anil beobachtet. Hinzu komme, sagt Anil-Präisdent Paul Bleser dem Land, dass „Altenbetreuung und Pflege immer mehr von Effizienz- und Rentabilitätserwägungen beeinflusst werden und immer häufiger geringer qualifiziertes Personal eingestellt wird“. Dass es „akute Missstände und Betreuungsmängel“ gebe, kann aber auch Bleser nicht behaupten. Was umso bemerkenswerter ist, als er im Tageblatt vom 14. Januar mit der Bemerkung zitiert wurde, die Anil wisse „seit langem über Probleme in vielen Altersheimen Bescheid, doch als Asbl hätte sie kein Recht, sich in interne Personal- oder andere Probleme der einzelnen Häuser einzumischen“.
Dass es „sicherlich Probleme“ gebe, erklärt Michèle Wennmacher von der Patientevertriedung im Gespräch mit dem Land. „Viel zu wenig“ werde davon bekannt; wenn die Patientevertriedung davon erfahre, werde nicht selten erklärt, dass auch andere Personen noch davon betroffen seien. Aus ihrer früheren, noch nicht lange zurückliegenden Tätigkeit als Psychologin in Alten- und Pflegeheimen weiß Wennmacher, „dass es viele Klagen und Missstände gibt“. Aus Personalmangel komme es vor, dass die Pflege „vernachlässigt“ werde. Mitunter stünden in einer Schicht nur zwei Pflegekräfte zur Verfügung. „Dann bleiben Heimbewohner in verschmutzten Windeln in ihren Betten liegen. Oder sie erhalten keine Unterstützung beim Essen, oder Blutergüsse nach Stürzen können nicht behandelt werden.“ Die Patientevertriedung werde zu dem Thema demnächst eine Konferenz abhalten, sagt Wennmacher und fügt an: „Es wird zu viel verschwiegen.“
Vielleicht wird weiteren Aufschluss jene Zufriedenheits-Studie geben, die Sozialminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) über die Pflege in den Heimen hat anfertigen lassen. Sie geht auf Erhebungen eines externen Gutachters in den Jahren 2009 und 2010 zurück und wird in der Branche mit einiger Spannung erwartet.