In der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft beruhen unternehmerische Wettbewerbsvorteile zunehmend auf technischen Erfindungen und einem technologischen Vorsprung vor Wettbewerbern. Entsprechend hat die Bedeutung von geistigen Eigentumsrechten, und insbesondere von Patenten, in unseren Volkswirtschaften beträchtlich zugenommen. In den vergangenen Jahren verging kaum eine Woche, ohne dass patentgetriebenes Wirtschaftshandeln Schlagzeilen machte. Insbesondere ist hier der Mobilfunksektor zu nennen, der mit Gerichtsverhandlungen um Smartphone-Patente von Samsung und Apple oder der patentgetriebenen Übernahme von Motorola Mobile durch Google auf sich aufmerksam machte. Google kommentierte, dass Motorolas Patente als wettbewerbliche Waffe gegen eine von Google so beschriebene „Patentblockade“ von Microsoft, Apple, Oracle und anderen Unternehmen dienen sollen. Diese Schlagzeilen machen deutlich, dass Patente über Gewinner und Verlierer im unternehmerischen Wettbewerb entscheiden können. Unternehmen, insbesondere Unternehmensneugründungen in technologieintensiven Sektoren, sollten sich rechtzeitig und sorgfältige auf den Patentwettbewerb vorbereiten.
Die Rolle, die Patente heutzutage spielen, ist dabei durchaus kritisch zu sehen. Patentsysteme wurden aus zwei Gründen etabliert. Zum einen sollen sie Anreize für Investitionen in Innovationen setzen. Patente gewähren ein zeitlich begrenztes juristisches Monopol, während dessen Gültigkeit dritte Parteien keinen Zugriff auf die patentgeschützte Erfindung haben, solange der Patentinhaber keine Ermächtigung erteilt. Insbesondere kleine und junge Betriebe sowie unabhängige Erfinder sollen von Patenten profitieren, da Patente sie vor der Ausbeutung ihrer Ideen durch mächtige und ressourcenstarke Rivalen schützen. Darüber hinaus stellen Patente ein Gütezertifikat dar, das potenziellen Investoren die „Qualität“ des jungen Betriebes signalisiert und den jungen Betrieben damit den Zugang zu externer Finanzierung erleichtert. Zum anderen beinhaltet das Patentsystem eine Offenlegungsfunktion. Eine Patentanmeldung, ob erfolgreich oder nicht, wird nach einer gewissen Zeit publiziert, sodass die Gesellschaft von dem generierten Wissen profitieren kann und Mehrfachinvestitionen in ähnliche innovative Projekte vermieden werden können.
Heutzutage werden Patente jedoch zunehmend als strategische Waffen im Wettbewerb zwischen Unternehmen eingesetzt. Kritiker meinen, dass sich Patente vom Grundgedanken des Erfinderschutzes zunehmend entfernen. Stattdessen, so wird argumentiert, könne die gezielt eingesetzte Blockadewirkung von Patenten einen negativen Effekt auf die Innovationstätigkeit in einer Volkswirtschaft haben. Das wäre der Fall, wenn Unternehmen den Einstieg in innovative Projekte verzögern oder sich gar gänzlich dagegen entscheiden, weil sie einen Patentkrieg fürchten.
Unternehmensumfragen, die sich mit der Motiva-tion hinter Patentanmeldungen und der Wirkung von Patenten befassen, bestätigen, dass die Hauptfunktion von Patenten nicht im Schutze geistigen Eigentums liegt. Vielmehr dienen Patente strategischen Zwecken, denn mit Patenten lassen sich Wettberber blockieren und die eigenen Kernerfindungen beziehungsweise komplementäre Investitionen schützen.
Unternehmen bemühen sich heutzutage, ein breites und starkes Patentportfolio aufzubauen, das die unternehmerischen Investitionen sowie die Ausübungsfreiheit bestimmter Technologien schützt. Dabei gehen die Firmen unterschiedlich vor. Grob unterscheidet man zwischen Industrien für diskrete und komplexe Produkte. In Industrien für komplexe Produkte, wie beispielsweise der Telekommunikationsindustrie, ist ein typisches Produkt durch eine Vielzahl von Einzelpatenten für die verschiedenen Komponenten geschützt. Erfindungen in diesen Bereichen sind kumulativ und bauen stark auf bestehendem Wissen auf. Die Schutzwirkung einzelner Patente ist entsprechend gering und es stellt sich oft als schwierig dar, Produkte auf den Markt zu bringen, ohne die Schutzrechte anderer zu verletzen. Unternehmen reagieren darauf, indem sie Patentportfolios konstruieren, die ihre Verhandlungsposition gegenüber Wettbewerbern stärkt. Damit können sie einerseits Patentklagen verhindern, da ein möglicher Kläger eine Gegenklage fürchtet. Andererseits ermöglicht ein starkes Patentportfolio, dass sich rivalisierende Parteien in Lizenzverhandlungen oder durch Überkreuzlizensierungen einigen können. Damit erleichtert ein starkes Patentportfolio auch den Zugang zu Patenten anderer. Patente sichern in Industrien für komplexe Produkte damit vornehmlich die Ausübungsfreiheit bestimmter Technologien. Man spricht daher auch von defensivem Patentierungsverhalten.
In Industrien für diskrete Produkte hingegen, wie zum Beispiel in der Chemiebranche, bezieht sich ein Produkt typischerweise auf ein einzelnes Patent. Die Schutzwirkung einzelner Patente ist somit größer als in Industrien für komplexe Produkte. Nichtsdestotrotz haben Patente auch hier eine strategische Dimension. In Industrien für diskrete Produkte tendieren Firmen dazu, Patentzäune um ihre Kerntechnologien zu errichten. Ein Beispiel ist ein Chemiekonzern, der um einen chemischen Prozess eine Reihe von Subprozessen, molekulare Designs und Alternativmethoden patentiert. Mit diesem Patentierungsverhalten schützen Unternehmen ihre Kerntechnologien. Man spricht von offensivem Patentieren.
Strategisches Patentieren spiegelt sich in einem weltweiten Anstieg von Patentanmeldungen wider. Dass der Anstieg der Patentanmeldungen strategische Motive hat, findet sich darin bestätigt, dass die Forschungs- und Entwicklungsausgaben über die Zeit weniger stark angestiegen sind als die Anzahl der Patentmeldungen und dass zeitgleich die Häufigkeit und der Streitwert von gerichtlichen Auseinandersetzungen über Patente signifikant gewachsen sind.
Strategisches Patentieren und die damit verbundene gestiegene Anzahl der Patentanmeldungen führte insbesondere in Industrien für komplexe Produkte zu einem regelrechten „Patentdickicht“. Dieses ist durch eine große Anzahl patentgeschützter, marginaler Erfindungen, überlappende Patentrechte und multiple Eigentumsrechte für komplementäre Erfindungen gekennzeichnet. In Industrien für diskrete Produkte hingegen finden sich Firmen durch Patentzäune von bestimmten Technologien ausgeschlossen. Konfrontiert mit den Auswirkungen des strategischen Patentierens fürchten viele Unternehmen die Blockade ihrer Innovationsprojekte und teure Patentverletzungsklagen. Wenn sie daraufhin ihre Innovationsinvestitionen senken oder gar auch innovative Projekte verzichten, kann das den technologischen Fortschritt in den betroffenen Technologiefeldern verlangsamen.
Unternehmen müssen sich den Risiken, die der heutige Technologiemarkt birgt, bewusst sein. Ein aggressives Patentierungsverhalten der Wettbewerber steigert die Kosten innovativer Projekte. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie rechtzeitig eine Strategie zum Schutz ihrer Technologien entwickeln und ein entsprechendes Budget dafür einplanen. Die präemptive Akquise von Technologien und Lizenzen kann vor Patentverletzungsklagen schützen. Zukünftige Unternehmensgründer sollten sich sorgfältig mit dem technologischen Umfeld auseinandersetzen. Sie sollten die Hauptakteure, deren Innovationsstrategie und Strategie zum Schutze intellektuellen Eigentums kennen. Technologieintensive Unternehmen sollten sich auf kostspielige Patentierungsprozesse einstellen. Patentrechtsexperten sollten zu Rate gezogen werden. Unternehmensgründer in Märkten mit aggressivem Patentverhalten sollten finanzielle Mittel für Lizenzen und Patentverletzungsklagen einplanen. Unternehmensgründer sollten auch auf Patentklagen in Phasen der Produktentwicklung oder Technologievermarktung gefasst sein. Der psychologische Effekt, den eine solche Attacke haben kann, ist dabei nicht zu unterschätzen. Jedoch auch wenn es makaber erscheint: eine Patentklage kann auch als Erfolgsindikator für einen jungen Betrieb gesehen werden.
Strategisches Patentieren führt nicht nur zu Nachteilen für Unternehmen. Auch der Verbraucher könnte belastet werden. Auf der einen Seite können Patentkriege wie der zwischen Apple und Samsung zu weniger Innovation führen. Das wäre der Fall, wenn es sich Unternehmen nicht mehr wagen würden, in Innovationen zu investieren. Auf der anderen Seite ist damit zu rechnen, dass Unternehmen hohe Lizenz- und Rechtskosten auf den Verbraucher übertragen, sodass technologiebasierte Produkte teurer werden.
Letztendlich sind die Innovationspolitik und die Wettbewerbspolitik gefragt. Aufgabe der Innova-tionspolitik ist es, sicherzustellen, dass hinreichende Innovationsanreize für Unternehmen existieren. Dabei sollte angesichts der steigenden Bedeutung des strategischen Wertes von Patenten auf alternative Politikinstrumente gesetzt werden, wie beispielsweise Steuererleichterungen für innovative Unternehmen oder eine Ausweitung von direkten Förderprogrammen für innovative Projekte. Insbesondere technologieorientierte Unternehmensneugründungen sollten in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeit erhalten, da solche Unternehmen typischerweise in hohem Masse für Zukunftstechnologien verantwortlich sind. Die Wettbewerbspolitik sollte sicherstellen, dass Unternehmen eine durch Patente gegebene marktbeherrschende Stellung nicht ausnutzen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein essentielles Patent, das beispielsweise einen Technologiestandard schützt, anderen Marktteilnehmern vorenthalten oder zu horrenden Lizenzgebühren angeboten würde. Im Falle von Apple und Samsung hat die Europäische Kommission bereits ein Prüfverfahren angestrebt, um herauszufinden, ob Samsung eine marktbeherrschende Stellung ausnutzt. Damit agiert die Wettbewerbspolitik auch im Sinne des Verbrauchers. Wenn das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung verhindert wird, können Preissteigerungen für innovative Produkte und ein Innovationsrückgang vermieden werden.