Ja, Belval. Für dieses Stichwort waren Bildungsminister Claude Meisch und Premier Xavier Bettel (DP) am Mittwoch beim Pressebriefing nach dem Regierungsrat ganz dankbar. Die humanwissenschaftliche Fakultät der Universität Luxemburg werde im Februar 2015 ihre Türen in der Cité des sciences öffnen, die Verwaltung der Uni schon vorher umziehen. Daran halte man fest, aber das sei leider „alles andere als garantiert“, so Meisch. Denn die vorige Regierung habe „vergessen, ein Budget für das Mobiliar“ in den Häusern aufzustellen, die der Staat in Belval bauen lässt. An die 150 Millionen Euro werde man noch nachschießen müssen. Ein Gesetzentwurf dazu soll in zwei Wochen fertig sein.
Die schlechte Nachricht, dass aus dem Umzug der Human- und Sozialwissenschaftler schon bis zur Rentrée académique in diesem Jahr nichts werde, hatte Meisch bereits im Januar dem parlamentarischen Hochschulausschuss überbracht und damals von 160 fehlenden Millio-nen gesprochen. Aber das war nur die offizielle Verlautbarung dessen, was hinter den Kulissen der Politik schon seit vier Jahren erzählt wird: Der Bau der Wissenschaftsstadt auf der ehemaligen Stahlindustriebrache wird mehr Geld kosten, als die CSV-LSAP-Regierung und vor allem die für Finanzen, Infrastrukturen, Hochschule und Forschung zuständigen CSV-Minister damals auszugeben bereit waren. Wie die Dinge liegen, hatte Uni-Rektor Rolf Tarrach angedeutet, als er am 3. Oktober vergangenen Jahres in einem Interview mit dem Luxemburger Wort erklärte, man könne „selbstverständlich“ keine Gebäude beziehen, die „nicht fertig“ sind.
Dabei wurden zwischen Dezember 2008 und März 2012 mit vier Gesetzen insgesamt knapp 580 Millionen Euro für den Bau der thematischen Maisons auf der Belvaler Hochofenterrasse bewilligt. In keinem dieser Texte aber sind Ausgaben für Ausrüstungen enthalten, für Möbel, Kabel und IT-Ausstattung etwa. Im Gegensatz zu dem, was normalerweise üblich ist für öffentliche Bauvorhaben, lässt der staatliche Fonds Belval die Wissenschaftsstadt „hors-équipement“ hochziehen. Zumindest galt das bis zum Regierungswechsel nach den Wahlen vom 20. Oktober.
Seitdem darf ganz formell darüber gesprochen werden, was „fehlt“, ehe an einen Umzug zu denken ist. Büromöbel für die Uni-Verwaltung, Hörsaalgestühl, vor allem aber auch Kupfer- und Glasfaserkabel, Netzwerk-Router und Server. Was genau man braucht, will die Uni-Leitung lieber noch nicht verraten und abwarten, bis sie in zwei Wochen mit der neuen Regierung handelseinig geworden ist.
Klar ist aber jetzt schon: Die 160 oder 150 Millio-nen, von denen der Bildungsminister spricht, werden nicht reichen. Denn dieses Paket bezieht sich nur auf die für Verwaltung und Lehre vorgesehenen Gebäude, sowie auf die Uni-Bibliothek und die eher „bürogebundene“ Forschung. Was für das Bâtiment des laboratoires und die Halle d’essais d’ingénieurs aufgewandt werden muss, ist noch nicht aufgeschlüsselt. Ein Teil der IT-Ausstattung für diese beiden Häuser ist aber immerhin in der Millionen-Enveloppe enthalten, für deren Bewilligung nun rasch der Gesetzentwurf geschrieben wird.
Gut sieht das nicht aus. Denn eigentlich war die Cité des sciences ja nicht als Uni-Standort gedacht, der nach und nach zuerst das Rektorat und die Verwaltung der Alma mater luxemburgensis aufnimmt, danach die Human- und Sozialwissenschaftler vom Campus Walferdingen, später die Mathematiker und IT-Leute und erst zum Schluss die Natur- und Ingenieurwissenschaftler. Vielmehr sollten Letztere die ersten sein und mit den Forscherkollegen aus den CRP Henri Tudor und Gabriel Lippmann gemeinsame Labors nutzen. Das Hochschul- und Forschungsministerium informiert noch heute auf seiner Webseite: „Cette Cité regroupera les activités de la Faculté des Sciences, de la Technologie et de la Communication ainsi que les activités de différents centres de recherche publics avec pour objectif la création d’un campus technologique.“ Kein Wort von Human- und Sozialwissenschaften. Fast könnte man meinen, die Regierung habe zum Uni-Standort einen Plan B in einer geheimen Schublade liegen.
Doch die Cité des sciences war der Öffentlichkeit, aber auch der Uni und den Forschungszentren zumindest bis 2008 genau so verkauft worden: Als Uni-Standort zwar auch, in erster Linie jedoch als Drehscheibe für akademische Forschung und technologische Entwicklung, deren Resultate am besten vor Ort in Spin-offs, Start-ups und praktische Innovationen münden sollten. Die hochwertige Infrastruktur – Labors und Versuchsanlagen, aber auch Straßen, Wege und Parkplätze – werde der Staat bereitstellen. Heute dagegen wird über Tische und Kabel diskutiert. Luxemburg ist von Wolke sieben abgestürzt, weil das Geld knapper geworden ist. Und soll der Traum vom Technologie-Hub noch Wirklichkeit werden, wird das teuer. Die Ausrüstung der Häuser werde insgesamt 300 Millionen Euro kosten, wurde Uni-intern schon vor Jahren geschätzt. Also doppelt so viel, wie die Regierung jetzt veranschlagt. Oder ungefähr zwei komplette Jahresbudgets der Universität.
Weshalb die Uni-Leitung und vor allem der streitbare Rektor sich die Aussicht, unfertige Gebäude vorzufinden, so lange bieten ließen und Tarrach nicht schon 2009 „Stopp!“ rief, bleibt ihr Geheimnis. Schon möglich, dass Tarrach damals seine Bestätigung für ein zweites Rektoren-Mandat nicht gefährden wollte. Die damalige Regierung indessen „vergaß“ die Ausrüstungen der Belvaler Maisons nicht. Sondern verlangte von der Uni angesichts sich leerender öffentlicher Kassen und Sonderfonds, die Ausrüstung selber zu finanzieren. Schließlich sei die Uni „autonom“, erklärten Infrastrukturminister Claude Wiseler (CSV) und die Vertreter des Fonds Belval mit ihrem Präsidenten und Uni-Regierungskommissar Germain Dondelinger an der Spitze am 15. Juni 2011 dem parlamentarischen Nachhaltigkeits- und Infrastrukturausschuss.
Wie die Uni das Geld hätte aufbringen sollen, ohne auf eine höhere Dotation aus der Staatskasse angewiesen zu sein, fragte laut Sitzungsprotokoll kein Ausschussmitglied nach; auch die Abgeordneten der damaligen Opposition nicht. Wie die Regierung es sich vorstellte, stand sehr diskret in einem Passus des einen Monat zuvor von Hochschulminister François Biltgen (CSV) beim Parlament eingereichten Entwurfs zur Reform des Uni-Gesetzes vermerkt: Die Universität sollte „Eigentümerin ihrer Gebäude und Installationen“ werden.
Gemeint waren damit sicherlich auch die in Belval zu errichtenden Gebäude. Doch ebenfalls die, in denen die Uni momentan residiert. Darunter der Campus Kirchberg in attraktiver Lage. Die Idee, die Uni könne, ehe sie den Kirchberg verlässt, den Campus an eine Bank verkaufen, wurde von den Ministerien für Hochschule und für Infrastrukturen und dem Fonds Belval tatsächlich lange als Option gepflegt. Wie lange, deutet an, dass der Staatsrat bis November 2012 drei Mal mit einer Opposition formelle zum neuen Uni-Gesetz drohen musste und es bis zum 22. Oktober 2013 dauerte, ehe Biltgens Nachfolgerin Martine Hansen (CSV) die vom Staatsrat verlangte Liste mit den infrage kommenden Immobilien nachlieferte. Dass auf der Liste nur die Maisons in Belval stehen, hat jedoch nur illustrativen Wert: Zwei Tage nach den für die CSV verlorenen Wahlen war man vom Eigentums-Transfer wieder abgerückt und wollte im Uni-Gesetz lediglich festgehalten haben, was dort jetzt schon steht: dass der Staat der Uni die Gebäude zur Nutzung zur Verfügung stelle. Einerseits, weil die Uni den Transfer nicht wollte. Andererseits, weil die Erwähnung einer Immobilie wie des Campus Kirchberg in dem Gesetz unabsehbare politische Folgen hätte haben können: Die Grundstücke auf dem Kirchberg waren ihren vorigen Besitzern zum Teil zum Pachtpreis von Grünland abgekauft worden.
Und so stellt das Werden und Wachsen der Wissenschaftsstadt sich heute ziemlich prosaisch dar. Uni und Fonds Belval kalkulieren unter der politischen Obacht der neuen Minister Claude Meisch, François Bausch und Pierre Gramegna die zu erwartenden Extraausgaben, und die eigentliche Eröffnung der Cité des sciences als Technologie-Standort mit Labors und Versuchshalle könnte sich bis 2018 oder 2019 hinziehen. In der Zwischenzeit findet das über sein Domizil schnell hinaus wachsende Luxembourg Center for Systems Biomedicine mit dem einen oder anderen Büro in dem roten Hochhaus von RBC Investor Services als Mieter Unterschlupf. Und für die Naturwissenschaftler ist sogar am Campus Limpertsberg mehr Platz, seitdem die Toxikologen ins neue Laboratoire national de Santé in Düdelingen umgezogen sind und einen ganzen Forschungsblock im Bâtiment des sciences frei gemacht haben. Wer weiß, sagen so manche Physiker und Biologen vom Limpertsberg, vielleicht bleiben wir ja am Ende ganz hier? Der Glaube an die Wissenschaftsstadt ist bei denen, für die sie vor allem gedacht war, rückläufig. Bleibt zu hoffen, dass die neue Regierung für Klärung sorgen kann, wenn sie demnächst das Belval-Ausrüstungsgesetz vorstellt.